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Berichterstattungskritik

Keine Toten im Mittelmeer

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An der DDR-Außengrenze wurden etwa 800 Menschen innerhalb von 28 Jahren getötet. Zu Recht wird dieser Opfer regelmäßig gedacht. Am 19. April 2015 sind etwa genauso viele Menschen an einem einzigen Tag gestorben. Worüber berichten die großen deutschen Zeitungen zwei Tage danach?

  • FAZ: Spekulanten treiben Ölpreis in die Höhe

  • Spiegel-Online: Geständnis im Auschwitz-Prozess »Ich bitte um Vergebung«

  • Bild: Neue Details zu Bayern-Ärzte Knall

  • Zeit: Bedrohte Politiker »Der Türke verdient den Museltod«

Der Ölpreis ist wichtig. Fußball ist wichtig. Auf jeden Fall wichtiger als 700 tote Ausländer. Seit dem Jahr 2000 sind 24.000 Menschen an den Grenzen der EU gestorben. Emotionen weckt das nicht.

Emotional werden die Redakteure der großen Zeitungen anscheinend immer nur dann, wenn sie sich in die Lage der Opfer hineindenken können. Ein terroristischer Anschlag könnte jeden treffen. Jeder (auch ein Redakteur) kann sich vorstellen, das nächste Opfer zu sein. Die Berichterstattung über einen Anschlag hält über mehrere Wochen an.

Ein Redakteur kann sich aber vor lauter Sicherheit nicht mehr vorstellen, jemals in seinem Leben in ein überfülltes Boot steigen zu müssen, um vor Krieg und Elend zu fliehen.

In einer Woche ist wieder alles vorbei. Niemand wird mehr über die Menschen schreiben, die vor zwei Tagen im Mittelmeer gestorben sind. Keine Berichterstattung, kein Gedenken, keine Toten im Mittelmeer.

Footnotes

  1. Beispielsweise die Berichterstattung über die Anschläge auf das World Trade Center oder Charlie Hebdo.

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