Zum Inhalt springen

Studie

Wer am Monatsende wählen lässt, schließt arme Menschen aus

Von

Artikel teilen

Etwa 16 Prozent der Deutschen sind von Armut bedroht. Das bedeutet oft, dass ihr Geld gerade so bis zum Monatsende reicht – oder auch schon davor aufgebraucht ist. Unerwartete Ausgaben wie Reparaturkosten stellen sie vor große Probleme. Dass Armut gesellschaftliche und demokratische Teilhabe negativ beeinträchtigt, ist keine neue Erkenntnis. Diverse Studien belegen diesen Zusammenhang.

Max Schaub zeigt nun, welchen Effekt kurzfristige finanzielle Engpässe, wie die am Monatsende, auf die Wahlbeteiligung haben. Dafür hat der Politikwissenschaftler rund 1.100 Wahlen in Deutschland untersucht, die seit 1946 auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene stattgefunden haben.

Überweisungen von Gehältern oder Sozialleistungen erfolgen hierzulande in der Regel am Monatsende – und auch viele Rechnungen müssen dann beglichen werden. Fällt der letzte Tag des Monats auf ein Wochenende, an dem Banken keine Überweisungen ausführen, erfolgen diese Zahlungen meist früher. Im Juli dieses Jahres mussten Gehälter oder Sozialleistungen für viele aus diesem Grund etwa »nur« für 30 Tage ausreichen, bevor die nächste Überweisung erfolgte (vom 1.7. bis zum 30.7.) – im Folgemonat hingegen musste dasselbe Geld dann jedoch vom 31.7. bis zum 31.8. ausreichen – also 32 Tage.

In solchen auf »kurze Monate« folgenden »langen Monaten« sind sowohl die Bereitschaft, wählen zu gehen, als auch die tatsächliche Wahlbeteiligung deutlich niedriger. Werden Wahlen am Ende eines solchen langen Monats abgehalten, ist die Wahlbeteiligung in der von Armut betroffenen Bevölkerung um fünf Prozentpunkte niedriger als im Durchschnitt. Auf Bundesebene würde das bedeuten, dass 500.000 Menschen weniger wählen gehen. Besonders ausgeprägt ist der Effekt unter den Working Poor, also Menschen, die trotz Lohnarbeit am Existenzminimum leben. Bei regionalen und lokalen Urnengängen ist er wiederum ausgeprägter als bei »größeren« Wahlen.

Anmerkung: Dieser Text wurde im Vergleich zur Version in Heft 23 korrigiert. Der Effekt einer um fünf Prozentpunkte niedrigeren Wahlbeteiligung bezieht sich auf die Wahlbeteiligung in der von Armut betroffenen Bevölkerung, nicht auf die Wahlbeteiligung in der Gesamtbevölkerung.

Studie: „Acute Financial Hardship and Voter Turnout: Theory and Evidence from the Sequence of Bank Working Days“ von Max Schaub (Mai 2021).

Aktuelle Ausgabe

KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abos. Unterstütze unsere Arbeit und abonniere das Magazin gedruckt oder als E-Paper ab 19,90 Euro im Jahr!

KATAPULT abonnieren

Autor:innen

Ist seit 2019 Redakteur bei KATAPULT. Studierte Islamwissenschaft und Zeitgeschichte. Journalistische Schwerpunkte: Kriege und Konflikte, internationale Politik, Autoritarismus und Menschenrechte.

Neueste Artikel

Saarland als universelles Flächenmaß

1.256 Leute haben uns gefragt: Wie groß ist das eigentlich in Saarländern? Hier kommt die Antwort.

Aus der Reihe "Positive Karten"

Die Kindersterblichkeit ist in den letzten 200 Jahren drastisch zurückgegangen. Noch bis 1800 erreichte mehr als ein Drittel der Kinder nicht das fünfte Lebensjahr. Durchschnittlich bekamen Frauen zwischen fünf und sieben Kindern, der Verlust von von zwei bis drei von ihnen war keine Seltenheit. Das legen demografische Untersuchungen nahe.

Neuer kleinster Staat der Welt soll in Albanien entstehen

Das bestätigte der albanische Premierminister Edi Rama vor wenigen Tagen. Er will den Mitgliedern des Bektaschi-Ordens eine eigene Enklave nach dem Vorbild des Vatikans gewähren. Und damit die religiöse Toleranz fördern. Rama ist Vorsitzender der Sozialistischen Partei Albaniens, der Nachfolgeorganisation jener Partei, die während der kommunistischen Ära in Albanien alle Religionen verboten hatte.