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In der zweiten Novemberwoche vermeldeten die Pharmaunternehmen Biontech und Pfizer Erfolge bei der Suche nach einem Impfstoff gegen Covid-19. Das Risiko, an dem Virus zu erkranken, konnte in einer Wirksamkeitsstudie mit dem getesteten Impfstoff um 90 Prozent reduziert werden.
Die deutsche Impfkommission empfiehlt für den Fall einer Zulassung des neuen Präparates, zuerst Risikogruppen impfen zu lassen. Hierunter fallen gesundheitlich vorbelastete und ältere Menschen. Bei diesen ist mit einem schweren bis tödlichen Verlauf der Krankheit zu rechnen. Darüber hinaus sollten Personen geimpft werden, die in der sogenannten “Daseinsvorsorge” tätig sind, beispielsweise Polizistinnen, Mitarbeiter von Gesundheitsämtern oder Lehrerinnen. Und schließlich müsste den Beschäftigten im Bereich Gesundheitswesen und Pflege Priorität eingeräumt werden. Wieso solche Überlegungen notwendig sind? Die Kommission stellt klar: Der Impfstoff wird nicht in flächendeckender Menge vorliegen.
In 12 EU-Mitgliedsstaaten ist Impfen Pflicht
Auch vor Ausbruch der Covid-Pandemie hatte Deutschland davon abgesehen, eine allgemeine Impfpflicht zu verabschieden. Allerdings empfiehlt die Ständige Impfkommission insgesamt 18 Impfungen: unter anderem gegen Rota-Viren, Masern, Mumps, Poliomyelitis und Tetanus. Ein Großteil der Empfehlungen bezieht sich auf Impfungen im Kindesalter.
Im europäischen Ausland ist das anders. Hier ist die Impfpflicht weit verbreitet. Die Bestimmungen in den einzelnen Staaten weichen jedoch deutlich voneinander ab. In Belgien beschränkt sie sich beispielsweise auf die Kinderlähmung. Nachdem sich diese in den 1950er-Jahren sprunghaft ausbreitete, müssen seit 1966 alle Kinder nach dem zweiten und vor dem 19. Lebensjahr dagegen geimpft werden. In anderen Staaten liegt die Zahl der Krankheiten, gegen die eine Impfung verpflichtend ist, deutlich höher. In Bulgarien, Slowenien und Polen umfasst sie elf, in Kroatien und der Slowakei zehn und in der Tschechischen Republik zwölf Krankheiten. Aufgrund steigender Masernerkrankungen wird aktuell in Rumänien über eine allgemeine Impfpflicht debattiert.
Ein Sonderfall ist Lettland. Laut der Epidemiological Safety and Public Health Division des Infectology Centers von Lettland existiert zwar eine Impfpflicht. Diese beschränke sich jedoch auf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen öffentlicher Einrichtungen und Beschäftigte im Impfwesen. Für die weitere Bevölkerung bestehe lediglich eine Impfempfehlung. Im Unterschied zur Situation in Deutschland, wo einzelne Berufsgruppen sowie Kindergarten- und Schulkinder ebenfalls bestimmte Impfungen nachweisen müssen, existiert in Lettland ein staatlich verpflichtendes Impfprogramm. Die Kosten für die Pflichtimpfungen werden vom Staat getragen. In Deutschland ist dies nicht der Fall. Hier zahlen die Krankenkassen, die teils privat und teils öffentlich finanziert werden.
Kollektiver Schutz und persönliche Freiheit
Impfpflichten zielen auf den flächendeckenden Schutz der Bevölkerung. Impfpflichtgegner sehen darin aber einen Eingriff in persönliche Freiheitsrechte. Prinzipiell können hohe Impfquoten auch ohne eine Impfpflicht erzielt werden. Ein Beispiel hierfür ist Luxemburg. Auch ohne Pflicht besteht dort bei Kinderlähmung, Keuchhusten und Tetanus eine Durchimpfungsrate von 99 Prozent der Bevölkerung. In anderen Fällen hingegen war die Bereitschaft, sich freiwillig impfen zu lassen, nicht ausreichend weit verbreitet. Aufgrund zu niedriger Impfquoten erlebte beispielsweise Italien 2017 einen Ausbruch der Masern. Die italienische Regierung hat die bestehende Impflicht deswegen ausgeweitet.
Erkrankungen wie Masern oder Röteln können sich in der Regel nicht weiter ausbreiten, wenn 95 Prozent der Bevölkerung geschützt sind. Dies ist nicht mit der viel zitierten Herdenimmunität zu verwechseln. Von dieser wird gesprochen, wenn der Anteil der geschützten Bevölkerung bei ungefähr 60 Prozent liegt. In diesem Fall verbreiten sich Krankheiten nur noch linear, nicht mehr exponentiell. Eine erkrankte Person kann dann nicht mehr so viele andere Menschen anstecken. Die Infektionszahlen steigen in der Folge stetig an, nicht mehr sprunghaft. Die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-Pandemie beabsichtigen, diesen Effekt zu erzielen. Ob sie bis zur Zulassung eines Impfstoffs erfolgreich sind, werden die kommenden Wochen und Monate zeigen.
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Autor:innen
Geboren 1986, ist seit 2020 Redakteur bei KATAPULT. Er hat Politikwissenschaft und Geschichte in Freiburg und Greifswald studiert und wurde mit einer Arbeit im Bereich Politische Ideengeschichte promoviert. Zu seinen Schwerpunkten zählen die deutsche Innenpolitik sowie Zustand und Entwicklung demokratischer Regierungssysteme.