Studie
Wie alte US-Bomben Kambodschas Entwicklung behinderten

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âHow War Changes Land: Soil Fertility, Unexploded Bombs, and the Underdevelopment of Cambodiaâ von Erin Lin (American Journal of Political Science, Dezember 2020).
âIch will, dass jedes gottverdammte Ding, das fliegen kann, nach Kambodscha geschafft wird, und jedes offene Ziel bombardiert.â Diese am 9. Dezember 1970 von US-PrĂ€sident Richard Nixon an seinen Nationalen Sicherheitsberater Henry Kissinger gerichtete Forderung deutet an, zu welcher BrutalitĂ€t die Vereinigten Staaten im Kampf gegen die Vietcong bereit waren. Diese Guerillas kĂ€mpften in SĂŒdvietnam gegen eine von den USA gestĂŒtzte antikommunistische Regierung. Kambodscha diente ihnen als RĂŒckzugsgebiet. Nixons Forderung lieĂ sich zwar logistisch nicht umsetzen, doch die Amerikaner setzten fast alles daran, die Vietcong zu schlagen. Das Völkerrecht kĂŒmmerte sie nicht.
HĂ€ufig trafen die Luftangriffe in Kambodscha dicht besiedelte Gebiete, entlang des Flusses Mekong auch Reisfelder und Dörfer. Zehntausende Menschen starben. Kurz nach dem Ende der amerikanischen Luftkriegs gelangte das Terrorregime der Khmer Rouge an die Macht, gegen die die USA ebenfalls KampfeinsĂ€tze geflogen hatten. Die Kommunisten töteten etwa 1,7 Millionen Kambodschaner. Kaum ein Historiker bestreitet heute noch, dass die US-Bombardements die Khmer-Rouge-Diktatur erst ermöglichten. Die Waisen, die durch die Angriffe zurĂŒckblieben, wurden zu den brutalsten Kadern des Regimes.
Tückische Streubomben
Doch die langfristigen Folgen des Luftkriegs sind noch viel weitreichender. Bei den amerikanischen FlĂ€chenbombardements zwischen 1969 und 1973 kamen oft Streubomben zum Einsatz. Diese Bomben dienen als BehĂ€lter fĂŒr viele kleine Bomben, sogenannte Bomblets. Rund 26 Millionen Bomblets sind auf Kambodscha niedergegangen â etwa ein Viertel von ihnen soll nicht explodiert und als BlindgĂ€nger zurĂŒckgeblieben sein. Bis heute sind Teile des Landes kontaminiert.
Die Politikwissenschaftlerin Erin Lin von der Ohio State University zeigt in einer neuen, im American Journal of Political Science erschienenen Studie, welche Folgen dies fĂŒr die kambodschanische Landwirtschaft und damit die Entwicklung des Landes hatte und immer noch hat. Dabei stellte Lin fest, dass Bomben auf besonders fruchtbarem Land deutlich seltener explodierten als auf trockenem und somit hartem unfruchtbaren Land â und dann als BlindgĂ€nger zurĂŒckblieben. Auf die von ihnen ausgehende Gefahr reagierten die örtlichen Bauern, indem sie ihre Arbeit in den entsprechend kontaminierten Gebieten eindĂ€mmten. Ausgerechnet das beste Land sei durch den Krieg genommen worden, so Lin.
In den betroffenen Gebieten wĂŒrden Bauern noch heute 50 Prozent weniger Reis produzieren und 60 Prozent weniger Einkommen erzielen als ihre Kollegen auf nicht bombardiertem, Ă€hnlich fruchtbarem Land.
Lins Ergebnisse unterstreichen auch, warum der ins Stocken geratene Kampf fĂŒr die internationale Ăchtung von Streubomben drĂ€ngend bleibt. 110 LĂ€nder haben sich bereits einer internationalen Konvention angeschlossen und verpflichtet, diese Waffen nicht zu nutzen, zu produzieren oder zu lagern. Doch wichtige Staaten wie die USA, Russland, China, Indien, der Iran, die TĂŒrkei oder Saudi-Arabien verweigern sich. Moskau setzte Streubomben zuletzt im Syrienkrieg ein. Riad lieĂ den Jemen mit solche Waffen bombardieren.
Authors
Jan-Niklas Kniewel
KATAPULT