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Editorial

Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast ;-)

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Das ist einer der häufigsten Kommentare, die wir in den Kommentarspalten und per Mail bekommen. Das Problem daran: Wir haben keine Statistik gefälscht. Wir erheben nicht mal die Daten selbst. Das ist der Job der Wissenschaften. Unser Job ist es, diese Daten zu visualisieren und zu verständlichen Texten zu verarbeiten. Eigentlich gar nicht so kompliziert. Aber die Kommentare zeigen eben auch, dass man selbst als Medium noch so haargenau mit Fußnoten und Quellenangaben arbeiten kann – manche Menschen vertrauen journalistischer Arbeit trotzdem nicht mehr.

Forschungsergebnisse der Universität Mainz zum Medienvertrauen belegen: Eine geringe Zufriedenheit mit der Demokratie und pauschale Medienkritik hängen zusammen. »Menschen, die gegenüber den etablierten Medien zynisch eingestellt sind, finden sich überdurchschnittlich häufig am rechten Rand des politischen Spektrums«, heißt es in einer Langzeitstudie. Und noch eine Erkenntnis: Etablierte Medien werden vor allem von denjenigen verteufelt, die sich öfter aus alternativen Nachrichtenquellen im Internet informieren. Diese verfolgen nach eigenen Angaben das Ziel, die bestehende Berichterstattung zu ergänzen oder richtigzustellen – tatsächlich geht es allerdings fast immer darum, die eigene Ideologie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Häufig geschieht das unter Rückgriff auf Verschwörungserzählungen.

Alternative Medien gibt es mittlerweile eine Menge, wie unsere A1-Karte zeigt. Von zahlreichen Magazinen, Online-

blogs und Youtube-Kanälen kommen einige aus dem linken oder verschwörungsideologischen Spektrum und stimmen heute in die rechte Systemkritik ein. Andere sind rechtskonservativ einzuordnen. Und wieder andere geben sich deutlich als rechtsextrem zu erkennen. Inhaltlich profitieren diese sogenannten alternativen Medien von Katastrophen. Oder davon, jedes mögliche Thema zu einer zu machen: 2015 sollte die deutsche Bevölkerung »ausgetauscht«, 2020 ihrer Freiheit beraubt und 2022 durch Hunger und Kälte ausgezehrt werden. Wie in alternativen rechten und rechtsoffenen Medien strategisch kommuniziert wird und welche Rolle sie für die Verankerung rechter Ideologien in der gesellschaftlichen Debatte, zeigen wir in dieser Ausgabe.

Dass alternative Medien auch eine andere Funktion erfüllen können, verdeutlicht der Blick über die Grenzen Deutschlands. Gerade in Ländern, in denen Korruption, Gewalt und Einschüchterung im Medienbetrieb weit verbreitet sind, haben sich alternative Formate der Demokratisierung der Medienlandschaft verschrieben. Journalist:innen geben Themen und Bevölkerungsgruppen einen Raum, der diesen sonst versperrt bliebe – und sie tun dies häufig gegen autokratische Herrscher unter Einsatz ihres Lebens. Auch darüber informiert dieser KNICKER.

Vor allem aber zeigt diese Ausgabe, dass das Label »alternativ« in Deutschland nichts mehr damit zu tun hat, unabhängig, kritisch und unbequem zu berichten, wie es noch in den 1960ern der Fall war. Und er zeigt, dass es dringend Aufklärung darüber geben muss, dass sich hinter vielen vermeintlich alternativen Angeboten eben doch nichts anderes verbirgt als Menschenhass. KNICKER und KATAPULT gehören gerne zum Mainstream, wenn es darum geht, rechte Ideologien zu zerlegen. Dafür braucht es übrigens nicht mal gefälschte Statistiken. Ein Blick in die Realität genügt.

Die Themen der aktuellen Ausgabe:

- Eskalationspresse: Warum alternative Medien die Eskalation lieben - und warum das eine Gefahr für die öffentliche Debatte und die liberale Demokratie ist
- Die Massen für den Umsturz begeistern: Was alternative Medien in Deutschland mit der Neuen Rechten zu tun haben
- Busgeschichten: Wie alternative Medien in Lateinamerika für Meinungsfreiheit kämpfen und dazu auf ungewöhnliche Mittel zurückgreifen
- Große A1-Karte mit dem Netzwerk verschwörungsideologischer und rechter alternativer Medien in Deutschland

Zum SHOP: https://t1p.de/5ev90

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