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Männlichkeit ist roh und angriffslustig, Weiblichkeit sanft und friedfertig. »Klischeehaft und generalisierend«, sagen Feministinnen zu Recht. Wären Frauen allerdings tatsächlich pazifistischer als Männer, könnte eine erhöhte Beteiligung von Frauen an politischen oder militärischen Entscheidungen dazu führen, dass weniger Konflikte oder Kriege entstehen.
In Europa gibt es derzeit vier Verteidigungsministerinnen (Italien, Norwegen, Niederlande, Deutschland), Deutschland hat eine Bundeskanzlerin und in den USA war zuletzt Hillary Clinton Außenministerin. Ist ihre Politik friedliche Politik? Schließlich sind Frauen in der Politik nicht immer als Friedensgarantinnen aufgetreten: Die »Eiserne Lady« Margaret Thatcher führte als Premierministerin des Vereinigten Königreichs den Falklandkrieg gegen Argentinien, Indira Ghandi den dritten Indisch-Pakistanischen Krieg.
Um festzustellen, ob Frauen generell für eine friedlichere Außenpolitik stehen, »wäre eine systematische, statistische Analyse einer größeren Zahl an Fällen notwendig, was jedoch durch die sehr geringe Anzahl an Frauen in entsprechenden Positionen erschwert wird«, schreibt die Politikwissenschaftlerin Margit Bussmann in ihrem Literaturbericht »Quantitative Studien zu Geschlechtergleichheit und Frieden«.
Frauen im Parlament: eiserne Ladys oder Friedensgarantinnen?
Stattdessen weichen verschiedene Studien darauf aus, einen Zusammenhang zwischen der Anzahl weiblicher Abgeordneter und Frieden innerhalb eines Landes zu untersuchen. Zudem gehen Wissenschaftler davon aus, dass eine höhere Anzahl von Parlamentarierinnen mit einer höheren Anzahl an Ministerinnen einhergeht.
Politikwissenschaftler der Universität Binghamton analysierten verschiedene Faktoren darauf, ob sie möglicherweise Frieden beeinflussen: die Geburtenraten, den Anteil arbeitender Frauen und die Anzahl weiblicher Abgeordneter in einem Parlament. Diese Variablen werden benutzt, weil sie Aufschluss darüber geben können, inwiefern Frauen die Möglichkeit haben, außenpolitische Entscheidungen zu lenken. Niedrige Geburtenraten können beispielsweise ein Indiz dafür sein, dass Frauen mehr Zeit haben, sich politisch zu engagieren.
Die Wissenschaftler prüften außerdem, ob sich im Falle eines zwischenstaatlichen Konfliktes die Wahrscheinlichkeit eines Kriegsausbruchs verringert, wenn mehr Frauen entscheidende politische Positionen besetzen.
Das Ergebnis der Untersuchung: Wenn in zwei Staaten Frauen in der Legislative vertreten sind, sinkt die Gefahr eines bewaffneten Konflikts zwischen diesen Ländern. Schwerer zu beweisen ist, ob sich ein Konflikt seltener zu einem Krieg entwickelt, wenn Frauen über militärische Einsätze entscheiden.
Eric Melander von der Universität Uppsala testete, wie sich ein höherer Anteil an Parlamentarierinnen auf die Gefahr eines innerstaatlichen Konflikts auswirkt. Außerdem prüfte er, ob eine Frau als Staatschef einen positiven Einfluss auf den Frieden innerhalb eines Landes hat. Er kam zu dem Schluss, dass eine Frau als Staatsoberhaupt noch kein Garant dafür ist, dass weniger innerstaatliche Konflikte ausbrechen. Seine Ergebnisse zeigen aber: Je mehr Frauen im Parlament sitzen, desto weniger Bürgerkriege wurden auch geführt.
Bussmann führte eine ähnliche Studie durch. Auch ihren Ergebnissen zufolge verhindert ein hoher Frauenanteil im Parlament zwar keine Bürgerkriege, senkt aber deren Wahrscheinlichkeit. Vor allem ist es die gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen, die zu mehr Frieden in einem Land führen kann. Diesen Zusammenhang belegen auch andere Studien.
Feministinnen verkörpern demokratische Werte
Die Vermutung, dass eine Korrelation zwischen der Anzahl weiblicher Abgeordneter und Frieden besteht, wurde in den Studien bestätigt. Darüber hinaus stimmen Frauen weniger oft militärischen Einsätzen zu als Männer. Der Grund hierfür liege weniger in ihrem Geschlecht an sich (biologische Faktoren) oder in ihrer mütterlichen Einstellung als eher im Feminismus. Feministinnen – und als Beweis für dieses Modell: Feministen – seien sensibler bezüglich demokratischer Werte wie Freiheit, Gleichheit, Selbstbestimmung und Hierarchien und hätten gegenüber dem Einsatz von Gewalt deshalb mehr Vorbehalte.
Es gibt verschiedene Begründungsansätze für den erhöhten Pazifismus von Frauen. Biologische Faktoren können ausschlaggebend sein, wie das Sexualhormon Testosteron und das Stresshormon Cortisol. Untersuchungen stellen eine Verbindung dieser Hormone zu aggressivem Verhalten von Männern her. Vor allem aber wird die unterschiedliche Sozialisierung von Männern und Frauen als mögliche Ursache angeführt. Frauen werden schon früh zur Sanftmütigkeit erzogen: Kleine Jungs bekommen Spielzeugpistolen geschenkt, Mädchen Puppen und Kuscheltiere.
Ein weiterer Grund, warum insbesondere Frauen Gewalt ablehnen müssten, liegt im sogenannten Rational-Choice-Ansatz, der Theorie der rationalen Entscheidung. Im Falle eines Krieges würden sie grundsätzlich den Kürzeren ziehen. Frauen besitzen weniger physische Stärke als Männer, sie sind häufig finanziell schlechtergestellt und deshalb besonders auf einen funktionierenden Staat angewiesen. Zwar sind Männer durch die Tötung oder Verwundung im Einsatz direkte Opfer eines Krieges. Indirekte Folgen, wie sexuelle Gewalt oder Unterversorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln, treffen aber vor allem Frauen.
Laut polizeilicher Kriminalstatistik sind in Deutschland nur 25,2 Prozent aller Tatverdächtigen weiblich. Diese Tendenz wird bei den Gewaltdelikten noch deutlicher: Körperverletzungen werden zu 80,9 Prozent von Männern begangen, Raub zu 90,1 Prozent.
Mehr politische Beteiligungsmöglichkeiten für Frauen
Vieles deutet also darauf hin: Mehr Frauen könnten zu mehr Frieden verhelfen. Eine höhere Partizipation von Frauen – politisch oder gesellschaftlich – kann die Außenpolitik positiv beeinflussen.
Dennoch beträgt der durchschnittliche Frauenanteil in nationalen Parlamenten weltweit derzeit nur 22 Prozent, auch wenn er sich in den letzten 20 Jahren nahezu verdoppelt hat. 2008 waren Frauen nur zu 4 Prozent an internationalen Friedensgesprächen beteiligt. Und das, obwohl die UN-Resolution 1325 gerade diese Beteiligung vorschreibt.
Dieser Beitrag erschien in der vierten Ausgabe von KATAPULT. Abonnieren Sie das gedruckte Magazin und unterstützen damit unsere Arbeit.
Autor:innen
Schwerpunkt
Strafrecht