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Ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen wie Asthma oder Diabetes galten bislang als sogenannte Risikogruppen. Für sie kann der Corona-Erreger besonders gefährlich werden. Das Todesrisiko und die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Krankheitsverlauf sind hoch. Doch Untersuchungen in China legen nahe, dass es noch eine weitere Risikogruppe gibt: Raucher.
Erste Auswertungen von Corona-Fallzahlen erregten rasch Aufmerksamkeit, weil Männer stärker von dem Virus betroffen schienen als Frauen. So war die Fallsterblichkeitsrate unter bekannten Infizierten in China unter Männern mit 2,8 Prozent deutlich höher als unter Frauen (1,7 Prozent). Auch der Anteil derer, die infolge der Corona-Erkrankung an einer Lungenentzündung litten, war unter den Männern deutlich größer. Dass Frauen länger leben als Männer ist bekannt – doch warum schadet das Virus ihnen weniger?
Forscher vermuten, dass dies besonders mit dem Lebensstil der Betroffenen zusammenhängt. Daten der Weltgesundheitsorganisation zufolge sind 52,1 Prozent der chinesischen Männer Raucher, im Gegensatz zu 2,7 Prozent der chinesischen Frauen. Die Vermutung liegt nahe, dass sie deswegen einem größeren Krankheitsrisiko ausgesetzt sind.
Höheres Risiko für Akutes Lungenversagen
Dass Raucher von Atemwegserkrankungen stärker betroffen sind, ist keine neue Erkenntnis. Bei Lungeninfektionen weisen sie, früheren Untersuchungen zufolge, eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für Akutes Lungenversagen auf. Die Gefahr, dass eine Erkrankung bei ihnen einen schweren Verlauf nimmt, ist also deutlich höher als bei Nichtrauchern.
Im Fall von COVID-19 stehen die Untersuchungen noch am Anfang. Das „Chinese Medical Journal“ veröffentlichte Ende Februar jedoch eine Studie, die diese Vermutungen stützt. Die Forscher beobachteten Corona-Patienten in Wuhan, die an einer Lungenentzündung erkrankt waren. Unter denjenigen Patienten, deren Zustand sich in der Beobachtungsperiode verschlechterte, waren auffallend viele Raucher. Allerdings war die Gesamtzahl der untersuchten Personen mit 78 sehr gering. Der vermutete Zusammenhang ist also plausibel, aber damit noch nicht nachgewiesen. Dennoch: Bereits im Fall von SARS und anderen Corona-Erkrankungen stellten Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen schweren Krankheitsverläufen und Tabakkonsum her.
Das Robert-Koch-Institut hat Raucher bereits in die Liste der Risikogruppen aufgenommen. Jetzt mit dem Rauchen aufzuhören, ist allerdings keine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme. Die Lunge ist bereits vorgeschädigt. Somit sind rauchende Menschen anfälliger für Atemwegs- und Lungenerkrankungen.
Männer nehmen ihre Symptome später ernst
Neben dem Rauchen und möglichen biologischen Faktoren gibt es aber weitere soziale Faktoren, warum es zwischen den Geschlechtern zu unterschiedlichen Fall- und Todeszahlen kommt. Im Rahmen einer weiteren chinesischen Studie, bei der 4.021 Corona-Patienten untersucht wurden, betonen Forscher die Wichtigkeit frühzeitiger Tests. So nehmen Männer ihre Symptome später ernst und gehen oft erst zum Arzt, wenn die Krankheit schon fortgeschritten ist. Auffällig war die Verzögerung besonders bei älteren Männern, die sich erst mit schweren Symptomen auf den Weg ins Krankenhaus begeben haben.
Zudem hätten Männer ein anderes beziehungsweise falsches Sicherheitsempfinden, erklärt die Immunologin Akiko Iwasaki von der Yale-Universität gegenüber der New York Times. Sie seien risikobereiter und folgten weniger den Anweisungen der Behörden. Mit ihrer Einschätzung könnte sie richtig liegen: Schon in der Vergangenheit haben zahlreiche Untersuchungen gezeigt, dass sich Männer seltener die Hände waschen und Seife benutzen als Frauen, selbst wenn sie im Gesundheitssektor arbeiten. Die mehrfachen Aufrufe nach dem Ausbruch der Infektion, sich häufiger und intensiver die Hände zu waschen, würden Frauen demnach besser umsetzen.
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Autor:innen
War 2020 Praktikantin bei KATAPULT.