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Wie wird man glücklich? Das scheint eine der drängendsten Fragen unserer Zeit zu sein, zumindest, wenn man sich in den Buchhandlungen umsieht. Zahlreiche Bücher sind in den letzten Jahren geschrieben worden, die versuchen, eine Antwort auf diese Frage zu geben.
Auch die Werbung kommt nicht mehr ohne Glücksversprechen aus, ob sie nun eine Gesichtscreme oder Katzenfutter verkaufen will. Das Wort Glück ist umsatzfördernd, deshalb wird ein ganz gewöhnlicher Kräutertee als Glückstee verkauft. Wie man glücklich wird, kann man inzwischen auch in Glücksseminaren und in der Schule lernen. Immer häufiger erscheint Glück als Unterrichtsfach auf dem Lehrplan.
Auch im Internet boomt das Glück. Auf Facebook werden Urlaubsfotos gepostet, die neue Liebe, der neue Erfolg. Die Kündigung findet man dort nicht, die Scheidung ebenfalls nicht. Dadurch entsteht der Eindruck: Überall herrscht Hochstimmung, nur bei einem selbst nicht.
Die Realität sieht jedoch anders aus. Nirgendwo gibt es dieses Dauerwohlgefühl. Man würde das Glück sonst bald nicht mehr als solches empfinden. Glück braucht den Kontrast, wie die Glückforschung zeigt und auch eine Studie bestätigt, die im Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München durchgeführt wurde.
Mehr Glück macht unglücklich
In dieser Studie wurden mehr als 700 Frauen und Männer gebeten, ihre Vorstellung von Glück anhand eines Glückserlebnisses zu schildern.
So erzählt ein 23-jähriger Student: »Heute Mittag hat meine Mutter einen wirklich leckeren Wildschweinbraten gekocht und dieses Essen hat mich glücklich gemacht.« Michael hat das Essen vor allem deshalb genossen, weil es etwas Besonderes war. Würde er jeden Tag Wildschweinbraten bekommen, dann würde es ihm bald nicht mehr schmecken. Auch Obelix ist nur deshalb so verrückt nach Wildschweinen, weil er so selten eines bekommt.
Ähnlich erlebte es auch eine 28-jährige Fernsehproduktionsassistentin:
»Ich bin in Ostberlin aufgewachsen. Meine kleine Schwester und ich haben mal einen Schokoladenriegel bekommen. Diesen Schokoladenriegel haben wir uns zu zweit wochenlang geteilt. Jeden Tag durfte einer ein winzig kleines Stück abbeißen. Als die Mauer fiel, kam mein Onkel mit einem ganzen Karton Mars und Snickers. Ich glaube, mir hat seitdem nichts mehr so gut geschmeckt wie damals.«
Dieses Erlebnis zeigt die Kehrseite der Glückssuche: Wir bremsen unser Glück aus, wenn wir versuchen, immer mehr von dem zu bekommen, was uns glücklich macht. Inzwischen kann sie sich so viel Schokolade kaufen wie sie möchte. Aber es ist nichts Besonderes mehr. Die Schokolade ruft nicht mehr dieses Glücksgefühl in ihr hervor wie damals, als Schokolade für sie so selten und kostbar und unverfügbar war.
Nur wenn wir das Besondere als Kontrast zum Alltäglichen genießen und es nicht zu einer Dauereinrichtung machen wollen, können wir das Glück spüren. »Alles lässt sich in der Welt ertragen, nur nicht eine Reihe von schönen Tagen«, stellte schon Johann Wolfgang von Goethe in einer Gedichtsammlung von 1815 fest.
Wenn der Erfolg alltäglich wird
Wir brauchen den Kontrast, um Glück zu erleben. Für Kinder sind Ferien die schönste Zeit im Jahr. Und vielen Erwachsenen geht es genauso. Einfach mal nichts tun oder nur das, was man möchte. Aber ohne Schule gäbe es keine Ferien und ohne Berufstätigkeit keinen Urlaub. Arbeitslose haben viel freie Zeit, aber Urlaubsgefühle kommen dabei nicht auf.
Im Gegenteil, Arbeitslosigkeit gehört zu den größten Glückskillern. Auch eine hohe Abfindung oder finanzielle Sorglosigkeit trösten nicht darüber hinweg. Es fehlt der Kontrast von Arbeit und Freizeit. Ein 52-jähriger Steinmetz erzählt:
»Ich bin seit fast zwei Jahren arbeitslos. Für mich wäre es das größte Glück, endlich wieder eine Stelle zu finden. Es geht mir weniger darum, Geld zu verdienen, klar, auch, aber in erster Linie geht es mir darum, etwas arbeiten, etwas tun zu können. Ich weiß nicht, ob man da von 'glücklich' sprechen kann, aber was mich wahnsinnig gefreut hat, war, als mich mein Nachbar, ein Landwirt, darum gebeten hat, ihm bei seiner Ernte zu helfen. Das hat mir sehr gut getan, das Gefühl, gebraucht zu werden.«
So ähnlich empfand es auch eine 28-jährige Russin, die in Sibirien lebt. Sie berichtet:
»Nach fünf Jahren Studium konnte ich keine Arbeit finden und war drei bis vier Jahre arbeitslos zu Hause. Das war sehr deprimierend. Damals war ich voll von meinen Eltern abhängig und ich war wirklich unglücklich. Vor einem Jahr habe ich eine Arbeit als Kassiererin in einem Drogeriegeschäft gefunden. Ich verdiene nicht viel, aber ich bin beschäftigt, und das ist für mich Glück. Jetzt ist das Gefühl nicht mehr frisch, aber ich kann mich noch erinnern, dass ich damals vor einem Jahr echt glücklich war. Ich habe jetzt wieder Lust auf das Leben bekommen.«
An Glück gewöhnen sich Menschen sehr schnell. Lang andauerndes Glück wird nicht mehr wahrgenommen. Wieviele Menschen träumen von Erfolg und Geld und glauben, dass sie erst dann glücklich sein können, wenn sie dies erreicht haben. Doch das täuscht. Geld und Erfolg können nur kurzfristig glücklich machen, weil wir uns schnell an den neuen Zustand gewöhnen. Man strebt eine Führungsposition an und arbeitet sehr hart dafür. Hat man diese Position erreicht, ist man zunächst glücklich, weil der Unterschied zur vorherigen Position deutlich sichtbar ist. Man hat nun ein großes Büro für sich alleine und fährt einen teuren Firmenwagen. Bald gewöhnt man sich jedoch daran und nimmt die Unterschiede zur vorherigen Position nicht mehr wahr.
Stattdessen treten die negativen Begleiterscheinungen deutlich hervor: Überstunden, pendeln und weniger Zeit für Freunde und Familie, die zu den größten Glücksquellen zählen.
Ein anderes Beispiel ist die Karriere der derzeit erfolgreichsten Boygroup »One Direction«. Nach den ersten Erfolgen schwärmten die Bandmitglieder glücklich, dass ein Traum für sie wahr geworden sei. Das Glücksempfinden resultierte aus einem starken Kontrast. Die Konzerte im Ausland bildeten einen extremen Gegensatz zu ihrem bisherigen, sehr einfachen und gewöhnlichen Leben. Statt Kleinstadt, Schule und Job in der Bäckerei bestand ihr Leben auf einmal aus Reisen, Geld, Medienaufmerksamkeit und kreischenden Mädchen. Seit einigen Jahren füllen sie die größten Stadien der Welt. Der Erfolg, das hysterische Publikum und der Reichtum sind Alltag geworden.
Krisen sind wichtig
Glück erleben die Sänger von One Direction nun in einem anderen Kontrasterlebnis: ganz privat, ohne Medienrummel, mit Freunden unerkannt ausgehen zu können. Das ist etwas, das die meisten Menschen tagtäglich erleben und nicht als ein ganz besonderes Glück empfinden, weil ihnen der Kontrast zu einem Leben in der Öffentlichkeit fehlt.
Es ist vor allem das Seltene und Ungewohnte, das als Glück erlebt wird. Ein 30-jähriger Franzose erzählt:
»Mein letztes Glückserlebnis war, als ich letztens auf meinem Flug nach Singapur von 'Business Class' auf 'First Class' upgegradet wurde. An Bord war der Service ganz besonders und ich fühlte mich dadurch auch ganz besonders. Das war Luxus pur. Eine Stewardess war alleine für mich zuständig und ich wurde auch dementsprechend verwöhnt. Ich habe noch nie einen Flug so genossen wie diesen.«
Auf der Suche nach Glück scheuen heute viele Menschen die negativen Seiten des Lebens. Die düsteren Seiten des Lebens ausschalten zu wollen, so erklärt der Philosoph Wilhelm Schmid, würde nicht nur zum Verlust der Kontrasterfahrung führen, die Glück erst spürbar macht, sondern auch zum Verlust der Orientierung im Leben. Es sind gerade die Krisen, die unserem Leben Richtung geben. Oft erkennen wir dadurch, was wirklich wichtig ist im Leben. Geld und Erfolg werden oft überschätzt. Gute Beziehungen zu Freunden und Familie hingegen sind die größte Quelle für ein erfülltes Leben.
Autor:innen
Kulturwissenschaftlerin an der
Ludwig-Maximilians-Universität München
Forschungsschwerpunkte
Glücksforschung
Frauen- und Familienforschung
Alltagsforschung