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Journalismuskritik

Glaub keinem von der Lügenpresse

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Spätestens seit Pegida wird laut ausgesprochen, was die große Mehrheit der Menschen denkt: Journalisten sind unglaubwürdig. In keiner anderen Berufsgruppe schwindet das Ansehen schneller.

Laut der Studie »Reader´s Digest European Trusted Brands: Trust in professions« aus diesem Jahr werden Feuerwehrmänner als sehr glaubwürdig, Polizisten dagegen nur als durchschnittlich glaubwürdig und Journalisten als wenig glaubwürdig empfunden. Lediglich sechs Berufe, wie Politiker, Immobilienmakler oder Finanzberater, schneiden schlechter ab als der des Journalisten. Dieser liegt bei der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit auf Platz 17 von insgesamt 24 Berufen.

In den Ländern Österreich, Finnland, Deutschland, Portugal, Rumänien, Russland und der Schweiz wurden etwa 16.000 Menschen befragt, welche Berufe sie als glaubwürdig empfinden. Die oben genannte Studie vergleicht unterschiedliche Berufsfelder, wie das der Krankenschwester, des Autoverkäufers, des Priesters oder des Taxifahrers.

Während der Prozentsatz hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Journalisten in den sieben untersuchten Ländern annähernd gleich ist (er liegt zwischen 26 Prozent in Deutschland und 34 Prozent in Finnland), sind die Unterschiede in der Glaubwürdigkeitswahrnehmung bei der Berufsgruppe der Polizisten deutlich ausgeprägter. Sie schwankt zwischen 30 Prozent in Russland und 91 Prozent in Finnland.

Ebenso verhält es sich bei dem Beruf der Krankenschwester, wobei deren Glaubwürdigkeit insgesamt viel höher eingestuft wird als die von Polizisten (95 Prozent in Finnland zu 55 Prozent in Rumänien).

Die Deutschen, aber auch andere europäische Nationen, haben also ein geringes Vertrauen in die Glaubwürdigkeit von Journalisten. In Deutschland hat innerhalb eines Jahres die Glaubwürdigkeit dieser Berufsgruppe um fünf Prozent abgenommen. Wirklich verwunderlich ist dieser Verlust nicht. Vor fast einem Jahr nutzte die Pegida-Bewegung den Begriff »Lügenpresse«, um unabhängige Medien gezielt zu verunglimpfen und pauschal zu verurteilen.

Journalisten: sensationsgeil und schmierig

Dass die Bezeichnung »Lügenpresse« bereits in der Zeit des Nationalsozialismus genutzt wurde, dürfte den meisten Benutzern des Wortes nicht bewusst sein. Joseph Goebbels verwendete diesen Begriff sehr häufig in seiner Propaganda und wertete damit kritische Stimmen ab. Seinerseits ließ er Lügen über die Feinde der Nationalsozialisten verbreiten.

Dass nicht alles wahr ist, was in der Zeitung steht, sollte jedem klar sein. Es kann passieren, dass ein Journalist einmal falsch recherchiert und Irrtümer berichtet oder dass gezielt Falschmeldungen publiziert werden. Dennoch berichten Journalisten hierzulande meist korrekt, weil sie im Gegensatz zu früheren Zeiten frei arbeiten können und auch nicht mehr zu Regimezwecken missbraucht werden.

Anstatt sich mit den harten Fakten, die der Journalismus oft aufzeigt, auseinanderzusetzen, wird von den Verwendern des Wortes »Lügenpresse« versucht, alles, was nicht der eigenen Meinung entspricht, als Lüge abzustempeln. Die Pegida-Bewegung mag der Ausgangspunkt gewesen sein, doch viele Menschen außerhalb dieser Bewegung scheinen eine ähnliche Meinung zu vertreten und Mitläufer zu sein.

Allerdings ist das negative Bild der Journalisten auch darauf zurückzuführen, dass in vielen deutschen Filmen der Journalist grundsätzlich abgewertet wird. Entweder ist er nur eine Nebenfigur und stört die Protagonisten, beispielsweise im »Tatort«, oder er ist selbst die Hauptfigur und wird mit allen gängigen Klischees dargestellt. Er wird als sensationsgeiler, emotionsloser, unsympathischer und schmieriger Typ ohne Moral, der für eine »Story« sogar im Abfall wühlt, charakterisiert.

All dies hat Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit des Journalismus. Kein anderer Beruf hat laut »Reader's Digest« mehr als zwei Prozentpunkte an Glaubwürdigkeit innerhalb eines Jahres verloren-nur der Journalist hat fünf Prozentpunkte eingebüßt.

»Journalisten kann man nicht mehr glauben.« 74 Prozent der Bevölkerung würden diesem Satz zustimmen. Besonders Pegida-Anhänger und »besorgte Bürger« wollen sich an neutrale Alternativen wenden. Das machen sie aber nicht. Das, was diese Bürger lesen, unterbietet jeden Pressestandard. Quellen werden zum Beispiel auf Internetseiten wie mzw-widerstand.de selten angegeben, Zahlen und Daten werden dort frei erfunden. Die »Lügenpresse-Rufer« verbreiten diese Seite trotzdem gerne.

Selbst wenn die Kritik an der deutschen Presse unangemessen ist, hat sie bereits viele Bürger erreicht. Das Misstrauen ist groß. Um es wieder abzubauen, müssten Journalisten besonders nachvollziehbar arbeiten. Es täte dem Berufsfeld gut, wenn sich einige Medienhäuser dazu entschließen würden, bessere Quellenarbeit zu leisten. Dadurch würden zwar die schärfsten Kritiker auch nicht mehr zurückgewonnen, aber vielleicht diejenigen, die von den oben genannten »neutralen Alternativen« noch enttäuschter sind.

Journalismus, der Quellen sauber belegt, könnte eine hilfreiche Alternative zur emotionsgelenkten Sensationsberichterstattung sein. Einige Verleger bemühen sich bereits darum, noch viel mehr sollten ihnen folgen. Journalisten hätten dadurch eine reelle Chance, ihre Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

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KATAPULT erscheint viermal im Jahr gedruckt und jeden Tag online. Die Redaktion besteht aus über 20 Menschen, die recherchieren, schreiben, prüfen und Grafiken bauen.

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