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Vor wenigen Tagen ist ein afghanischer Flüchtling nahe der bulgarisch-türkischen Grenze durch den Schuss eines bulgarischen Grenzbeamten tödlich verletzt worden. Ungarn hat unlängst seine Grenze zu Kroatien mit einem Zaun geschlossen. Nun forderte auch der Vorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, die Errichtung eines Grenzzauns an der deutsch-österreichischen Grenze.
Abschottung und Grenzsicherung sind die Antwort vieler EU-Mitglieds- und Schengenstaaten auf die Flüchtlingsströme nach Europa. Die Sicherung des Eigenen führt dazu, dass das Konzept der Abgrenzung stark an Bedeutung gewinnt. Was macht Grenzen aus? Und welche Folgen können die Sicherungsbemühungen eines Landes in Form von Grenzzäunen für alle Beteiligten haben?
Das Wiederaufleben der geschlossenen Grenzen
Grenzen im Allgemeinen markieren das eigene Territorium und kennzeichnen dieses als Staat mit seinen Normen, Regeln, Gesetzen und Verfahrensweisen. Im Nationalismus bilden sie zudem die Trennlinie zwischen nationalen Identitäten. Laut dem Politikwissenschaftler Wilfried von Bredow wirkt die Globalisierung durch internationale Finanz- und Handelsbeziehungen sowie grenzübergreifende Kommunikationsmöglichkeiten der neuen Medien teilweise grenzauflösend. Gleichzeitig gebe es jedoch eine Gegenbewegung:
Eine der bekanntesten und unüberwindbarsten Sperranlagen befindet sich an der EU-Außengrenze auf dem afrikanischen Kontinent, genauer an der nordmarokkanischen Küste. Hier hält Spanien seit etwa 500 Jahren zwei Überbleibsel aus der Kolonialzeit: die Städte Ceuta und Melilla. Die etwa zwölf Kilometer lange Grenzanlage von Melilla ist besonders aufwendig gesichert. Die drei Zaunreihen aus extra engmaschigem Draht, der das Hinaufklettern erschwert, sind teilweise über sieben Meter hoch, mit Antiabsprungvorrichtungen versehen und mit Nato-Stacheldraht sowie Reizgasanlagen ausgestattet. Zusätzlich werden die Zäune von Grenzbeamten bewacht.
Wenn der Zaun nicht mehr ausreicht
All das soll Migranten und Flüchtlinge, darunter auch Syrer, abschrecken oder aufhalten. Das hilft aber nicht oder nur teilweise, denn die Menschen versuchen es immer wieder. Um ihre Chancen zu erhöhen, indem sie die Grenzbeamten überfordern, stürmen viele Flüchtlinge zugleich die Zäune. 2014 versuchten es 16.000 Menschen in 65 »Wellen«. 5.000 waren erfolgreich. Im Jahr zuvor hatten es »nur« 3.000 Menschen probiert. Das bedeutet also, dass selbst diese aufwendige Grenzbefestigung die Flüchtlinge angesichts ihrer fehlenden Alternativen weder abschreckt noch aufhält.
Die Folge ist eine weitere Verschärfung der Grenzsicherungsmaßnahmen. Im Falle von Ceuta und Melilla bedeutet das Gewalt an Flüchtlingen sowie sogenannte heiße Abschiebungen (»push backs«). Einmal abgesehen von der Gewalt – dieses Konzept der »Zurückweisung an der Grenze«, also das Zurücktragen der Flüchtlinge durch Türen im Zaun, ohne dass sie einen Antrag auf Asyl stellen können, verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.
Diese Maßnahmen der Hilflosigkeit aufseiten der Erbauer eines Zaunes zeigen, wie sinnlos ein solcher ist und wozu er führt: Gewalt und Verbrechen. Doch was bedeutet das für einen Zaun an der deutsch-österreichischen Grenze? Schließlich fordert Rainer Wendt den Zaun zunächst nur, um »ernstgemeinte Grenzkontrollen« durchführen zu können. – Es bedeutet, dass es nicht damit getan ist, einen Zaun zu bauen. Menschen, wie beispielsweise jene, die das Risiko des Ertrinkens im Mittelmeer auf sich nehmen, wird das nicht aufhalten. Ein Zaun ist zwar ein Hindernis, aber nicht unbezwingbar. Die Sicherheit, die ein Zaun vortäuscht, ist ein Irrglauben.
Was soll also mit Menschen geschehen, die diesen Irrglauben offenlegen und den Zaun einfach überwinden? – Ihnen Gewalt antun? Melilla und der mutmaßliche Unfall in Bulgarien lassen mögliche Folgen erahnen.
Das Problem, das diesen Folgen zugrunde liegt, ist, dass aus Schutzsuchenden Eindringlinge gemacht werden. Flüchtlinge werden plötzlich als Verbrecher wahrgenommen, die Strafe und Gewalt verdienen. Ein Zaun kann daher keine Lösung sein, weder theoretisch noch praktisch.
Autor:innen
Geboren 1983, ist seit 2015 Redakteur bei KATAPULT und vor allem als Layouter, Grafiker und Lektor tätig. Er hat Germanistik, Kunstgeschichte und Deutsch als Fremdsprache an der Universität Greifswald studiert.
Sein wissenschaftliches Hauptinteresse liegt im Bereich der Sprachwissenschaft.