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Wer einen Minijob hat, darf bis zu 450 Euro monatlich verdienen - ohne Steuern oder Abgaben für Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu zahlen. Wenn sich Arbeitende auch von der Rentenversicherung befreien lassen, heißt das: Was Brutto auf dem Lohnzettel steht, landet fast komplett Netto auf dem Konto. Für viele Menschen, die sich neben dem Studium, der Rente oder einem anderen Teil- oder Vollzeitjob etwas dazu verdienen wollen, klingt das oft verlockend.
Mehr als sieben Millionen Menschen in Deutschland gehen einem Minijob nach. Das ist etwa zweimal die Bevölkerung Berlins. Für über vier Millionen ist er die einzige Einnahmequelle. Minijobs wurden 2003 eingeführt, um Menschen zu ermöglichen, unkompliziert etwas Geld dazu zu verdienen und um Schwarzarbeit zu vermindern. Wer nebenbei als Kellner:in arbeiten möchte, soll das tun können - allerdings angemeldet und mit einigen Ansprüchen, wie etwa Urlaubs- oder Krankengeld.Auch für Unternehmen gibt es Vorteile: Sie können sogenannte "Auftragsspitzen" abfangen, also flexibel auf mehr Arbeit reagieren, wenn es der Fall ist.
Fünf Punkte, warum sich Minijobs auch nachteilig für die Beschäftigten auswirken:
- Minijobber:innen haben eine hohe Armutsgefährdungsquote: Über vier Millionen Menschen sind zusätzlich zu ihrer Hauptarbeit auf einen Nebenjob angewiesen, um sich ihre Miete und andere grundsätzliche Ausgaben leisten zu können. Und diese Zahl wird weiter ansteigen, prognostizieren Arbeitsmarktexpert:innen. Für zwölf Prozent aller Erwerbstätigen in Westdeutschland ist die geringfügige Beschäftigung die Haupteinnahmequelle. Im Osten sind es mit acht Prozent etwas weniger. Betroffen sind deutschlandweit vor allem Frauen. Sie arbeiten 1,5-mal häufiger in einem geringfügigen Job als Männer.
- Menschen in Minijobs sind oft schlechter bezahlt als andere Beschäftigte: Fast jede:r zweite Minijobber:in erhält weder Urlaubs- noch Krankengeld. Etwa jede:r siebte bekommt nicht den gesetzlichen Mindestlohn bezahlt. Und: Minijobber:innen haben keine eigene Lobby oder Interessensvertretung in dem Unternehmen, in dem sie arbeiten. Wenn sie ihre Ansprüche durchsetzen wollen, müssen sie meist im Alleingang aktiv werden. Zudem arbeiten viele unterhalb ihrer Qualifikation und Unternehmen investieren kaum in die Weiterbildung. Und das obwohl Fachkräfte fehlen.
- Unternehmen nutzen Minijobs auch dazu, um Menschen nicht Vollzeit einstellen zu müssen: Für Unternehmen sind Minijobs steuerlich teurer als eine Vollzeitstelle. Trotzdem nutzen sie die Möglichkeit der Minijobs gern aus. Beispielsweise im Zuge sogenannter “Auftragsspitzen”. Unternehmen können dann billige Arbeitskräfte flexibel nutzen. Das führt dazu, dass in einigen Branchen besonders viele Menschen in geringfügiger Beschäftigung arbeiten. Während der Weihnachtszeit beispielsweise brauchen Geschäfte mehr Personal. Ähnliches gilt etwa für die Skisaison, wenn Gastronomiebetriebe mehr Servicekräfte benötigen. Die beiden Branchen sind auch jene, in denen die meisten Minijobber:innen arbeiten. Der Anteil im Einzelhandel liegt fünfmal höher als in anderen Branchen. Auch zeigt sich: Fast jede:r zweite hat keine oder eine unbekannte Ausbildung. Über 70 Prozent der Minijobber:innen im Einzelhandel sind Frauen. In der Gastronomie ist es ähnlich. Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in der Gastronomie hat einen Job, in dem sie nur maximal 450 Euro verdient. Auch in der Gebäudeinstandhaltung, im Haushalt und im Gesundheitswesen arbeiten viele Minijobber:innen.
- Minijobs sorgen für dauerhaftes Verweilen im Niedriglohnsektor: Als Minijobs 2003 eingeführt wurden, sollten sie Arbeitssuchenden eine “Brücke für den Einstieg in Arbeit (...) bauen, die idealerweise am Ende auch in einen Wechsel in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mündet”. Für viele ist der Minijob aber keine Übergangslösung, sondern Endstation. Mehr als jede:r dritte geringfügig Beschäftigte würde gern mehr arbeiten, findet aber keine passende Arbeit. Resultat: Sie bleiben im Minijob.
- Minijobs bestehen in der Krise nicht: Im Corona-Jahr 2020 haben mehr als 800.000 Minijobber:innen ihren Minijob verloren. Das Problem: Wer in Minijobs arbeitet, erhält kein Kurzarbeits- oder Arbeitslosengeld. Für alle, für die der Minijob die einzige Einnahmequelle darstellt und die auf kein anderes Einkommen zurückgreifen können, beispielsweise auf das eines Partners oder einer Partnerin im gemeinsamen Haushalt, ist das existenzbedrohend.
Was die Politik jetzt vorhat?
Die Positionen zum Thema Minijobs gehen auseinander, aber fast alle Parteien haben dazu Pläne im Wahlprogramm. SPD, Grüne und die Linke wollen geringfügige in sozialversicherte Jobs umwandeln. Die SPD möchte hier jedoch Ausnahmen für beispielsweise Rentner:innen. FPD und CDU möchten die Minijobs behalten, allerdings die Verdienstmöglichkeit auf 550 Euro erhöhen, um so auf den Anstieg des gesetzlichen Mindestlohn zu reagieren. Nur die AfD hält sich raus: Über die Zukunft von Minijobs steht nichts im Wahlprogramm.
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Autor:innen
Ehemalige Redakteurin bei KATAPULT. Hat Journalismus und Kommunikation in Wien und Amsterdam studiert. Themenschwerpunkte sind Gesellschaftspolitik und feministische Themen. Macht auch Podcasts.