Gewalt in den Medien
Tötungen und Messerangriffe der letzten 4 Wochen, von denen du wahrscheinlich nichts gehört hast
Von Tim Ehlers und Benjamin Fredrich
Artikel teilen
Journalismus (und Politik) hat ein Problem: Er ist story- und klickorientiert, schafft es aber nicht, eine angemessene Orientierung zu geben. Die meisten Medien geben keine Statistiken und Übersichten raus. Während ein einzelner Fall landesweit für Aufruhr sorgt, verschwinden Dutzende andere Gewalttaten aus dem Blickfeld. Die gesellschaftliche Einordnung ist aber Kernaufgabe des Journalismus.

In den letzten Wochen gab es in Deutschland eine statistisch gesehen erwartbare Anzahl von Messerangriffen, Tötungsdelikten und schweren Gewalttaten – viele davon mit deutschen oder unbekannten Tätern. Der große Aufschrei bleibt aus, weil es politisch nicht instrumentalisiert werden kann.
Gewalt ist Gewalt. Ein Opfer ist ein Opfer. Wenn nur bestimmte Tätergruppen im Mittelpunkt stehen, dann macht das was mit einer Gesellschaft. Dann macht das was mit den Ängsten der Menschen und das aufgrund einer verzerrten Wahrnehmung.
Tötungsdelikte haben in Deutschland übrigens in den letzten Jahren abgenommen. Ein "Zurück zu alten Zeiten" würde eine Verschlechterung bedeuten. Das müssten Medien und Parteien berücksichtigen, wenn sie das fordern.

Glaubt man der medialen Berichterstattung über Gewalttaten, so sind die überwiegende Mehrheit Ausländer. Ein Vergleich mit der Polizeistatistik zeigt: Während 2023 laut Polizei 33,3 Prozent der Tatverdächtigen bei Gewaltdelikten Nichtdeutsche waren - waren es in den Medien, soweit die Herkunft angegeben wird, 2,5-mal so viele.
Der Anteil der deutschen Tatverdächtigen dagegen, laut Polizei bei 66,7 Prozent, beträgt in der Berichterstattung nur 15,8 bzw. 18 Prozent, also weniger als ein Viertel.
"Diese – oft unwillkürliche – Verzerrung in den Redaktionen führt zu Irrtümern über die sogenannte Ausländerkriminalität", so Journalismusprofessor Thomas Hestermann von der Hochschule Macromedia in Hamburg. Er hat die Studie 2023 veröffentlicht und uns aktualisierte Daten geliefert.
Untersucht wurden 645 Beiträge über Gewaltkriminalität im Inland, davon 269 Fernsehbeiträge aus den Hauptnachrichten (178) und Boulevardmagazinen (91) von ARD, ZDF, RTL, Sat.1, ProSieben, Kabel Eins, Vox und RTL Zwei sowie 376 Zeitungsbeiträge aus dem überregionalen Teil der Bundesausgaben von Bild (124), Süddeutsche Zeitung (75), Frankfurter Allgemeine Zeitung (80), Die Welt (53) und Die Tageszeitung taz (44) aus vier Wochen Januar bis April 2023.

Aktuelle Ausgabe
KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abos. Unterstütze unsere Arbeit und abonniere das Magazin gedruckt oder als E-Paper ab 19,90 Euro im Jahr!
Autor:innen
Geboren 1983, ist seit 2015 Redakteur bei KATAPULT und vor allem als Layouter, Grafiker und Lektor tätig. Er hat Germanistik, Kunstgeschichte und Deutsch als Fremdsprache an der Universität Greifswald studiert.
Der Herausgeber von KATAPULT und Chefredakteur von KATAPULTU ist einsprachig in Wusterhusen bei Lubmin in der Nähe von Spandowerhagen aufgewachsen, studierte Politikwissenschaft und gründete während seines Studiums das KATAPULT-Magazin.
Aktuell pausiert er erfolgreich eine Promotion im Bereich der Politischen Theorie zum Thema »Die Theorie der radikalen Demokratie und die Potentiale ihrer Instrumentalisierung durch Rechtspopulisten«.
Veröffentlichungen:
• Die Redaktion (Aufstieg)
• Funk in Wuppertal (Absturz)
• Fredrich rastet aus
• Schlägereien in Parlamenten
Pressebilder: