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33 Sportereignise, die die Welt verändern

Stadien, die von Gastarbeiter:innen gebaut wurden

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Mindestens 440 Millionen US-Dollar wird die Fifa als Preisgeld an die 32 teilnehmenden Verbände ausschütten – Entschädigungszahlungen an Vereine und Finanzspritzen zur Vorbereitung auf das Turnier nicht eingerechnet. Dieselbe Summe fordert Amnesty International vom Weltfußballverband als Kompensation für geschädigte Arbeiter:innen und die Hinterbliebenen verstorbener Arbeitskräfte. Das Geld könne zwar keine Menschenrechtsverletzung ungeschehen machen. Die Anerkennung des Leids könnte aber zumindest ein wichtiges Signal für die Zukunft sein, so die Menschenrechtsorganisation. Die katastrophalen Zustände beim Bau der Stadien und der dazugehörigen Infrastruktur wie Straßen, Hotels und öffentlicher Verkehrsmittel seien nämlich »vermeidbar und vorhersehbar« gewesen, heißt es im Bericht. Und ohnehin würde das Turnier rund sechs Milliarden Dollar in die Kassen des Weltverbandes spülen.

Seit der Vergabe der WM an den Golfstaat im Jahr 2010 haben sich dank weltweiter Aufmerksamkeit und westlicher Entrüstung einige Dinge im Arbeitsschutz tatsächlich gebessert – allerdings erst reichlich spät und oft nicht nachhaltig. So wurde das sogenannte Kafala-System ab 2018 leicht reformiert, nachdem der Staat im Jahr zuvor eine Vereinbarung mit der Internationalen Arbeitsorganisation unterzeichnet hatte. Das Kafala-System schreibt vor, dass Gastarbeiter:innen eine Bürgschaft brauchen, um ins Land zu kommen. Meist bürgen die Arbeitgeber:innen selbst. Das Problem daran? Ohne die Zustimmung der Bürgenden durften die meist aus Indien, Sri Lanka, Bangladesch, Nepal, Kenia, den Philippinen oder Pakistan stammenden Arbeitskräfte weder ihren Job wechseln noch das Land verlassen. Die direkte Abhängigkeit öffnete der Ausbeutung Tür und Tor. Kündigungsschutz? Fehlanzeige! Doch auch das besserte sich ab 2020. Ziemlich cool, was so eine WM-Vergabe bewirkt, könnte man meinen.

Uncool bleibt, dass viele Probleme weiterhin bestehen: ein mickriger Mindestlohn von monatlich nur 1.000 Riyal, also etwa 230 Euro, in einem der reichsten Länder der Welt, extrem lange Arbeitstage, kaum Anspruch auf Urlaub, menschenunwürdige Unterkünfte, hohe Verschuldung und teure Kreditzinsen, die Arbeitswillige für die Rekrutierung aufnehmen müssen, sowie eine späte bis ganz ausbleibende Bezahlung. Und nur weil auf dem Papier einige strengere Vorschriften gelten, werden diese nicht automatisch in die Praxis umgesetzt. Das illegale Einbehalten von Reisepässen der Angestellten ist immer noch verbreitet. Nicht zuletzt sollen laut dem britischen Guardian in dem Jahrzehnt seit der Vergabe an Katar mindestens 6.750 Arbeiter:innen – allein aus Indien, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka – im Emirat verstorben sein. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher, auch weil Botschaften anderer Länder keine offiziellen Zahlen zu verstorbenen Gastarbeiter:innen veröffentlichten. Nicht alle Todesfälle standen freilich in direkter Verbindung zu den WM-Bauten. Ob jedoch tatsächlich 80 Prozent der 2.711 verstorbenen Inder:innen eines natürlichen Todes starben, der nichts mit den Arbeitsbedingungen auf den Baustellen zu tun haben soll – wie es die katarische Regierung behauptet – muss bezweifelt werden.

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