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Sozialpolitik

Hartz IV geht, die Sanktionen bleiben

Bezieher:innen von Hartz IV kann nach geltendem Recht ein Teil der Sozialleistungen gekürzt werden. Allerdings nur, wenn das ihrer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dient. Dass dem so ist, bezweifelt eine aktuelle Studie. Die Regierung will trotzdem an der Sanktionspraxis festhalten.

von
Tobias Müller
Veröffentlicht am 16.09.2022
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Beziehen Menschen Hartz IV, stehen ihnen laut Regelsatz 155,82 Euro pro Monat für Nahrung und alkoholfreie Getränke zur Verfügung. Das sind rund fünf Euro pro Tag. Verpassen diese Menschen Termine bei der Arbeitsagentur oder kommen sonstigen Vorgaben der Mitarbeiter nicht nach, kann ihnen die Sozialhilfe um bis zu 30 Prozent gekürzt werden. Pro Tag könnten sie dann noch 1,55 Euro für Essen und Trinken ausgeben. Damit wird es selbst im Discounter knapp. Für einen 500-Gramm-Becher Joghurt zahlt man etwa bei Lidl gerade 49 Cent.1

Das Bundesverfassungsgericht hat sich angesichts dessen 2019 mit der Sanktionspraxis auseinandergesetzt. Ergebnis: Ja, der Staat habe auch mit Blick auf Leistungsempfänger:innen einen Handlungsspielraum. Der ist aber äußerst eng, da Hartz IV ohnehin nur ein Existenzminimum sichern soll. Wird dieses durch Sanktionen noch einmal unterboten, verletzt der Staat damit seine Existenzsicherungspflicht. Das sei nur dann verfassungsgemäß, wenn damit tatsächlich das legitime Ziel erreicht würde – und das bestehe darin, Menschen in Arbeit zu bringen, damit sie ihre Existenz wieder eigenständig sichern können.2

Genau diesem Ziel dienen die Sanktionen gegen Bezieher:innen von Hartz IV aber offenbar nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung. Die Autor:innen befragten über einen Zeitraum von drei Jahren in sechs Onlineuntersuchungen 585 Personen, die von Sanktionen betroffen waren oder Gefahr liefen, sanktioniert zu werden. Die Menschen wurden in zwei Gruppen unterteilt: Einer Gruppe wurden alle auftretenden Sanktionen erstattet, der anderen nicht. Erwartet wurde, dass die Gruppe, denen die Sanktionen erstattet wurde, befreiter leben könnte als die Gruppe, die mit finanziellen Einbußen rechnen musste.3

Tatsächlich konnten die Autor:innen über den Befragungszeitraum aber keine nennenswerten Unterschiede zwischen dem Lebensgefühl der Befragten feststellen. Die sanktionsfreie Gruppe sei keineswegs psychisch gefestigter oder motivierter gewesen als ihr Gegenpart. Im Gegenteil, das Hartz-IV-System mitsamt den Sanktionierungsmöglichkeiten löse bei den Betroffenen Stress und Ohnmacht aus.4 Von zufriedenen Sozialhilfempfänger:innen, wie sie insbesondere von deutschen Boulevardmedien wie Bild immer wieder dargestellt werden, kann folglich keine Rede sein.

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