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Mindestens 500.000 Pflegebedürftige in Deutschland werden von Care-Migrantinnen betreut, ungelernten Pflegekräften aus dem Ausland. Es sind fast immer Frauen, die gemeinsam mit den Pflegebedürftigen in einem Haushalt leben, »Live-In« nennt sich das. Die Zahl beruht auf einer Schätzung von Aranka Benazha von der Goethe-Universität Frankfurt – vermutlich sind es aber weitaus mehr. Abgeleitet ist der Wert von der Zahl der in Österreich erfassten Care-Migrantinnen. Dort ist die Beschäftigung von Pflegehilfen aus dem Ausland seit der Einführung des Hausbetreuungsgesetzes im Jahr 2007 legal.
Benazha, die am Forschungsprojekt »Gute Sorgearbeit? Transnationale Home Care Arrangements« mitarbeitet, erklärt: »Dort wurden im Jahr 2016 455.354 Personen als pflegebedürftig eingestuft, sodass sie Anspruch auf Pflegegeld besaßen. Gleichzeitig waren 82.646 selbständige Personenbetreuerinnen bei den Wirtschaftskammern Österreichs als Mitglieder registriert.« Die Umrechnung auf die deutsche Situation bleibt nicht nur aufgrund der fehlenden Daten eine grobe Schätzung. Die Dunkelziffer der illegal beschäftigten Hilfskräfte ist zudem sehr hoch. In der Realität arbeiten in Deutschland mehr als eine halbe Million Care-Migrantinnen.
Fast die Hälfte der Pflegehilfen sind Polinnen
Um herauszufinden, aus welchen Ländern die Care-Migrantinnen kommen, hat das Frankfurter Forscherteam deutsche Vermittlungsagenturen befragt. Demnach stammen rund 46 Prozent aus Polen, elf Prozent aus der Slowakei, zehn Prozent aus Rumänien und jeweils sechs Prozent aus Bulgarien, Ungarn und Litauen. Die Ergebnisse können ebenfalls nur als grobe Orientierung dienen. Catalina Guia vom Düsseldorfer Projekt »Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten« bestätigt diese Einschätzung aus der Beratungspraxis. Gegenüber KATAPULT weist sie darauf hin, dass zunehmend auch Frauen aus Drittstaaten kämen, vor allem aus südamerikanischen Ländern. Herkunftsländer, die nicht Mitglied der EU sind, machen bisher weniger als fünf Prozent aus.
Pflegende Angehörige werden schneller krank
Werden Pflegebedürftige zu Hause und ohne Pflegehilfe betreut, kümmern sich in 51,7 Prozent aller Fälle ausschließlich ihre Angehörigen um sie. Die Barmer Ersatzkasse zeigt in ihrem aktuellen Pflegereport, dass die Versorgung Pflegebedürftiger deren pflegende Angehörige in gesundheitlicher, finanzieller und sozialer Hinsicht teils stark belastet sind. 185.000 Angehörige, die Familienmitglieder zu Hause pflegen, sind so ausgelaugt, dass sie kurz davor sind, die Pflege abzubrechen. Von der Gruppe der sogenannten Hauptpflegepersonen unter den pflegenden Angehörigen sind 942.000 über 70 Jahre alt. Zwei Drittel sind Frauen, nur ein Drittel ist berufstätig.
Das Leben wird für 85 Prozent der betroffenen Angehörigen von der Pflege bestimmt. Sie sind dauerhaft müde. Etwa jede Fünfte hat Zukunfts- und Existenzängste. Pflegende Angehörige werden außerdem häufiger krank und erholen sich schlechter. Nach den Ergebnissen der Barmer waren 48,7 Prozent der Hauptpflegepersonen Ende 2017 von psychischen Krankheiten betroffen. Fünf Jahre zuvor waren es noch 39,6 Prozent. Bei der Vergleichsgruppe nichtpflegender Personen waren es Ende 2017 42,5 Prozent und fünf Jahre zuvor 36,7 Prozent.
Bei der Pflege Angehöriger entsteht beides: Verantwortungs- und Schamgefühl
Von den Studienteilnehmern beklagen 15 Prozent, meistens oder die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen zu haben, der Pflege nicht gerecht zu werden. Jeder Fünfte empfindet die Pflege immer oder meist als zu anstrengend. Negative Auswirkungen auf das Verhältnis zu Freunden (22,7 Prozent), Probleme mit der Familie (7,4 Prozent), finanzielle Probleme (9,9 Prozent) bedrücken viele Hauptpflegepersonen. 13,8 Prozent bringt die Pflege in Situationen, in denen sie Scham oder Ekel empfinden. Dennoch: 87,5 Prozent kommen gut zurecht – die Belastung ist jedoch hoch.
Hohe Pflegekosten können die Existenz der Pflegebedürftigen bedrohen
Für die Pflege zu Hause gibt es Alternativen. Eine davon ist die stationäre Pflege. In ein Altersheim zu gehen, ist für viele Seniorinnen und Senioren jedoch keine Option. Sie fürchten die fremde Umgebung und die Umstellung der eigenen Gewohnheiten, fühlen sich erst recht alt und abgeschoben. Die Betreuung in Pflegeheimen belastet Pflegebedürftige und ihre Familien auch finanziell. Zieht ein Pflegebedürftiger ins Heim, wird ihm, entsprechend des ihm zugewiesenen Pflegegrades, Geld aus der Pflegeversicherung gezahlt.
Da es sich dabei nur um eine Art Teilkaskoversicherung handelt, übersteigen die Heimkosten in der Regel die Versicherungsleistungen. In diesem Fall zahlen Senioren die Differenz aus ihrer Rente. Wenn das nicht reicht, wird die jeweilige Kommune eingeschaltet, die in Vorkasse geht. Hat der Pflegebedürftige eigenes Vermögen, wird das fehlende Geld hieraus in Anspruch genommen. Pflegebedürftig zu werden, kann, je nach finanzieller Situation der Betroffenen und deren Familie, der Weg in die Altersarmut sein. Die Folge: Viele Angehörige nehmen die Arbeit von Care-Migrantinnen aus Mittel- und Osteuropa in Anspruch. Das ist günstiger.
Während die Zahl der Pflegebedürftigen stetig steigt, fehlt Heimen, Pflegediensten und dem gesamten Pflegesektor Fachpersonal. Auf Grundlage der 2017 veröffentlichten Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes prognostizierte das Institut der deutschen Wirtschaft im September letzten Jahres den künftigen Fachkräftemangel in der Pflege. Nach Berechnungen des Instituts wächst der Bedarf, ausgehend von 344.000 Fachkräften (Ende 2017), bis 2025 bereits auf etwa 420.000 Vollzeitbeschäftigte. Bis 2035 werden sogar 494.000 Pfleger gebraucht. Das bedeutet, der Fachkräftemangel im Pflegesektor steigt bis zum Jahr 2035 um 150.000 Personen.
Deutschland ignoriert Ausbeutung ausländischer Pflegekräfte
Aufgrund der hohen Kosten für ambulante Pflegedienste oder stationäre Pflege und den gleichzeitigen Mangel an Fachpersonal bieten Agenturen die Vermittlung von Care-Migrantinnen an. Sie sollen die Versorgungslücke schließen. In Deutschland werden sie zu 70 Prozent über das sogenannte Entsendemodell engagiert. Mittlerweile gibt es über 300 deutsche Vermittlungsagenturen, die eine 24-Stunden-Betreuung versprechen. In den meisten Fällen wechseln sich zwei oder mehr Pflegehilfen ab. Jede von ihnen verbringt dann einen vorher vereinbarten Zeitraum von einigen Wochen im Pflegehaushalt.
Agenturen mit Sitz in Deutschland arbeiten hauptsächlich mit Partneragenturen im EU-Ausland zusammen, über die die Frauen angestellt sind und vermittelt werden. Die Partneragenturen führen die Sozialabgaben für ihre Angestellten ab. Für Arbeitszeit und Mindestlohn gelten jedoch die deutschen Gesetze. Ob die Arbeitsverträge in der Realität eingehalten werden, wird nicht kontrolliert. Urlaubsregelungen und Kündigungsfristen werden zudem entweder nicht vertraglich festgehalten oder oft genauso wenig eingehalten wie die vorgeschriebenen acht Stunden täglicher Arbeitszeit.
Auch Wohlfahrtsverbände leisten Vermittlungsdienste
Das zweite Modell setzt auf Care-Migrantinnen als selbstständige Betreuungskräfte. Sie werden jedoch weiterhin über Agenturen an Familien vermittelt. Für sie gelten weder Mindestlohn noch die deutsche Arbeitszeitregelung. Häufig handelt sich um Scheinselbständige, da die Frauen tatsächlich stark an die Agenturen und die Anweisungen der Pflegebedürftigen oder deren Angehöriger gebunden sind.
Die dritte, bisher wenig genutzte Möglichkeit, eine Care-Migrantin zu beschäftigen, ist die Vermittlung durch Wohlfahrtsverbände. Mit Hilfe von »Carifair«, einem Angebot der Caritas, können deutsche Privathaushalte als Arbeitgeber fungieren. Dabei stellen sie Care-Migrantinnen über einen regulären Arbeitsvertrag nach deutschem Recht an. Die Caritas begleitet und berät die Pflegehaushalte und alle beteiligten Personen vor und nach der Vermittlung.
Alle anderen Live-Ins werden nicht kontrolliert. Im Bereich der Schwarzarbeit kommen sie immer noch durch informelle Netzwerke zustande: Mund-zu-Mund-Propaganda zwischen Pflegehaushalten und Hilfskräften regeln die Vermittlung. Intransparente Geschäftspraktiken, hohe und illegale Abgaben an Agenturen, Verbote, über Geld zu sprechen, und der Verbleib der Care-Arbeit im privaten Raum sind Facetten des Geschäfts mit Care-Migrantinnen. Rechtlich liegt die Care-Migration in einer Grauzone voller juristischer Fallstricke. Helma Lutz, Professorin an der Universität Frankfurt am Main und seit 20 Jahren Expertin für Care-Migration, spricht von einem »komplizenhaften Modell«.
Schweizer Gewerkschaften machen Druck auf die Politik
Sowohl das Entsendemodell als auch das der Selbständigkeit sind in der Schweiz verboten. Erlaubt ist nur das Arbeitgebermodell, bei dem der Arbeitsvertrag zwischen Care-Arbeiterin und Haushalt oder einer Schweizer Vermittlungsagentur geschlossen wird. Es gilt das jeweilige kantonale Recht – das ist problematisch, denn das Arbeitsrecht in der Schweiz ist kompliziert und regional sehr unterschiedlich. Einheitliche Regelungen zur Kontrolle der Arbeitsverhältnisse gibt es nicht. Anders als in Deutschland wird in der Schweiz aber seit 2012 eine politische Debatte geführt, die gesetzliche Regelungen von Care-Arbeit in Form von Live-Ins diskutiert. Die Schweizer Gewerkschaften sind dabei sehr aktiv.
Gesetzliche Regelungen in Österreich bringen keine Verbesserung
2007 legalisierte das österreichische Hausbetreuungsgesetz die Versorgung Pflegebedürftiger durch Pflegehilfen, die mit im Haushalt leben. Für Care-Arbeiterinnen änderte sich jedoch nicht viel. Zwar ist die Anstellung der Frauen im Haushalt direkt möglich, aber das Modell mit selbständigen Hilfskräften dominiert. Ihre Arbeitsverhältnisse sind äußerst prekär: Es gelten weder gesetzliche Arbeitszeitregelungen noch Mindestlöhne. Der Staat stellt Pflegebedürftigen eine begrenzte Förderung zur Betreuung durch Care-Arbeiterinnen zur Verfügung. Für direkt im Haushalt angestellte Hilfskräfte beträgt sie bis zu 1.100 Euro, für den Einsatz Selbständiger sind es maximal 550 Euro.
Die Care-Migrantinnen müssen keine fachlichen Kompetenzen vorweisen, können aber zu ärztlich angeordneten Tätigkeiten (Behandlungspflege) angehalten werden, wie Medikamente zu verabreichen oder Spritzen zu geben. In Österreich haben sich die Arbeitsbedingungen der Care-Migrantinnen trotz gesetzlicher Regelungen nicht verbessert. Arbeitsverträge werden weiterhin nicht eingehalten. Vor allem Selbständige sind rechtlich nicht abgesichert. Die Vermittlungsagenturen beuten Care-Migrantinnen weiter aus. Durch die rechtliche Regulierung werden diese prekären Arbeitsverhältnisse zusätzlich legitimiert. Weder die Haushalte noch die Vermittlungsagenturen werden regelmäßig staatlich kontrolliert.
Care-Arbeit als »Pflege-Flatrate«?
Die fehlende Rechtssicherheit führt in allen drei Ländern dazu, dass Care-Migrantinnen in den Haushalten hohen Belastungen und Anforderungen ausgesetzt sind. Bernhard Emunds, Professor für christliche Gesellschaftsethik, beschäftigt sich mit den ethischen Problemen der Care-Migration. Ein zentrales Problem sieht er darin, dass Care-Arbeiterinnen ständig verfügbar sein müssen. Die Frauen fühlen sich hauptverantwortlich für das Wohl der Pflegebedürftigen und sehen sich moralisch dazu verpflichtet, sich auch über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus um sie zu kümmern.
Viele können die Ruhezeiten der Senioren nicht als Freizeit nutzen. In den meisten Haushalten wird von ihnen verlangt, jederzeit abrufbar zu sein. Viele Angehörige betrachten Fernsehabende mit der pflegebedürftigen Person, Spaziergänge oder die nächtliche Bereitschaft nicht als Arbeitszeit. Urlaubstage sind in der Regel nicht vorgesehen.
Da die meisten Care-Migrantinnen innerhalb eines Rotationssystems zwischen dem Pflegehaushalt und ihrem Heimatland pendeln, haben sie längere Erholungsphasen. In dieser Zeit beziehen sie jedoch kein Einkommen. Bezahlten Urlaub sieht dieses Prinzip nicht vor. Dazu kommt, dass die Frauen in ihrer Heimat für Familie und den eigenen Haushalt sorgen. Entspannungszeiten im Sinne von Urlaub ermöglicht diese sogenannte Pendelmigration also nicht.
Der Alltag der Care-Arbeiterinnen ist vollständig durch die Bedürfnisse und Routinen der Pflegebedürftigen bestimmt. Arbeiten sie innerhalb eines Rotationssystems, nehmen sie ihr Leben als zweigeteilt wahr. Oft empfinden sie Heimweh und Einsamkeit, besonders wenn sie Demenzkranke betreuen oder die sprachlichen Barrieren unüberwindbar sind.
Aus Angst, Fehler zu machen, schweigen die Frauen
Viele Care-Arbeiterinnen haben trotz der hohen Belastung Angst, den Anforderungen ihrer Arbeitgeber nicht gerecht zu werden. Selbst Tätigkeiten, für die sie nicht ausgebildet sind, etwa das Verabreichen von Medikamenten, üben sie aus, obwohl sie sich überfordert fühlen. Emunds sieht das Problem vor allem darin, dass der moralische Druck immens sei und die Frauen befürchteten, ihre Anstellung zu verlieren, wenn sie Fehler machen. Daher schwiegen sie über ihre Ängste. Das gilt vor allem für illegal Angestellte.
Einige Pflegebedürftige betrachten ihre Betreuerinnen zudem als Werkzeug zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse. »Allein daraus leitet sich auch der wahrgenommene ›Wert‹ der Arbeitnehmerin ab. Sie ist für den Gepflegten wertvoll, insofern sie seine Bedürfnisse unmittelbar und möglichst vollständig erfüllt. Darüber hinaus ist sie für ihn bedeutungslos«, so Emunds.
Vermittlungsagenturen inszenieren sich als Unterstützer
Um nicht verdächtigt zu werden, Care-Migrantinnen in derart schlechte Arbeitsbedingungen zu vermitteln, bedienen sich die Agenturen bestimmter Werbestrategien. Eine Untersuchung von Websites deutscher, schweizerischer und österreichischer Vermittlungsagenturen von Care-Arbeiterinnen zeigt, dass die Ansprache der Kunden und die Präsentation des Angebots vor allem auf eines abzielt: Kunden sollen glauben, dass ihnen vermittelte Live-Ins nicht gegen das Arbeitsrecht verstoßen. Die Seiten betonen auffallend deutlich die Einhaltung der nur rudimentär vorhandenen Gesetze. Insgesamt suggerieren die Agenturen, die Anstellung einer Care-Migrantin sei eine Win-win-win-Situation, eine smarte Lösung für Angehörige, Pflegebedürftige und Arbeiterin.
Darüber hinaus heben Agenturen hervor, dass sie einerseits den Pflegebedürftigen und ihren Familien eine kostengünstige und qualitätsvolle Alternative zu ambulanten Pflegediensten und Pflegeheimen böten. Andererseits würden sie den Care-Migrantinnen durch ihre Vermittlung zu einem höheren Lebensstandard verhelfen. »So werden die Betreuerinnen mit Verweis auf [...] Geschlecht und Herkunftskontext als liebevolle, unterwürfige Familienfrauen angerufen. Gleichzeitig wird ihnen als Managerinnen der Betreuungssituationen die alleinige Verantwortung für die Einhaltung ihrer Arbeitszeit zugewiesen.«
Care-Migrantinnen werden in ihrer Heimat diskriminiert
In ihren Herkunftsländern wird die Arbeitsmigration von Frauen jedoch kritisiert. Als in den 60er- und 70er-Jahren Männer aus Südeuropa emigrierten, um im Ausland zu arbeiten, fand dieser Diskurs nicht statt. Lutz spricht von einer Feminisierung der Migration, die die Kritik an der Arbeitsmigration in Polen und anderen osteuropäischen Ländern insgesamt verstärkt.
Care-Migrantinnen werden in ihrer Heimat öffentlich als schlechte Hausfrauen und Mütter wahrgenommen. Weil ihre Männer in der Regel auch erwerbstätig sind, übernehmen andere Frauen – Großmütter, Freundinnen, erwachsene Töchter – die Aufgaben der Care-Migrantin. Dadurch entstehen häufig Autoritätskonflikte. Der Weggang der Mutter sorgt allerdings für eine materielle Verbesserung und eröffnet den Kindern häufig bessere Bildungschancen.
Das Geschäft mit der Hilflosigkeit: Care-Migration soll Versorgungslücke schließen
Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages veröffentlichten zuletzt im September 2016 ein Papier zum rechtlichen Status quo der »24-Stunden-Pflege in Privathaushalten durch Pflegekräfte aus Mittel- und Osteuropa« in Deutschland und ausgewählten EU-Ländern. Darin wird festgestellt, dass es hinsichtlich der Care-Migration keine gesetzlichen Regelungen gebe. Ansätze zur Verbesserung der Situation in der Pflege fehlten. Vor allem in Deutschland findet keine politische Diskussion statt. Und das, obwohl die Versorgungskrise in der Pflege allgegenwärtig und die Zunahme von Care-Migration bekannt ist.
Anders als es die Agenturen versprechen, sind Care-Migration und Live-In-Betreuung derzeit lediglich prekäre Lösungen. Die Versorgungslücke in der Pflege sorgt für große Not bei pflegenden Angehörigen und Pflegebedürftigen. Sie müssen in der Betreuung besser unterstützt werden. Auf der anderen Seite veranlasst die Armut in ihren Herkunftsländern vor allem Frauen, rechtlich nicht oder schlecht abgesicherte Anstellungen in einer fremden Umgebung anzutreten. Sie ertragen hohe physische und psychische Belastungen. Viele Care-Migrantinnen begeben sich in Abhängigkeitsverhältnisse, die als moderne Sklaverei bezeichnet werden können. Allein die Vermittlungsagenturen profitieren.
Dieser Text erschien in der 15. Ausgabe von KATAPULT. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr.
Autor:innen
Ehemalige Redakteurin bei KATAPULT. Sie ist Historikerin und schreibt vor allem über soziale und gesellschaftspolitische Themen.