Nicken bis zum Schleudertrauma
Vor Kurzem verschwand ein Hinweis zu den Praktikumsausschreibungen von der Website des RBB-Radiosenders »Fritz«. Dort hieß es noch im September 2020: »Der Rundfunk Berlin Brandenburg zahlt Praktikantinnen und Praktikanten kein Arbeitsentgelt, keine Ausbildungsbeihilfe und keinen Unterhaltszuschuss. Dafür bietet Fritz ein gutes Arbeitsklima und viele neue Erfahrungen, denn unsere Praktika sind Ausbildung – keine Ausbeutung.« Der kleine Zusatz »keine Ausbeutung« wurde nach einem Shitstorm gelöscht. Zu Recht. Denn in der Wirtschaftswissenschaft versteht man unter Ausbeutung genau das: »eine Situation, in der einem wirtschaftlichen Akteur ein Teil der Entlohnung, die ihm für eine erbrachte Arbeitsleistung zustehen würde, vorenthalten wird. Die Ursache dafür ist [...] die Machtdifferenz zwischen den Akteuren, das heißt zwischen Ausbeutendem und Ausgebeutetem.«1 Kurz: Arbeit ohne Vergütung = Ausbeutung.
Der Radiosender ist nicht das einzige Negativbeispiel unter den Redaktionen in Deutschland. Im Gegenteil. Das Vorgehen hat im Journalismus System, wenn auch selten so konkret benannt. Der »Spiegel« erwartet zwar »redaktionelle Erfahrung durch mehrere absolvierte Praktika in anderen Medienhäusern«, verliert aber in der Stellenausschreibung kein Wort über eine Bezahlung.2 Genauso verhält es sich einer Stellenausschreibung zufolge beim »Focus«. Wer dort ein Praktikum machen will, muss zuvor mindestens zwei andere Praktika absolviert haben. Verdienst? Unklar. Bei der »taz« gibt es bei 110 Praktikumsplätzen im Jahr jeweils eine »Aufwandsentschädigung von 200 Euro monatlich, ein taz-Freiabo für die Zeit des Praktikums und günstige Kantinenpreise als MitarbeiterIn«.3 Gleichermaßen gefordert sind »erste Erfahrungen im redaktionellen oder journalistischen Arbeiten«. Fast schon zynisch liest sich der abschließende Hinweis: »Wir sprechen gerne mit Dir darüber, was Du brauchst, um hier arbeiten zu können.«