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Deutschland ist »Exportweltmeister«. Deutschland war das schon oft. In den letzten zehn Jahren hat sich der Außenhandelsüberschuss fast verdoppelt, 2014 stieg er auf 220 Milliarden Euro. Der stetige Exportüberschuss der Deutschen heißt aber auch, dass andere Staaten ein Defizit haben müssen. Nicht jeder kann mehr exportieren als importieren.
Der Handelsüberschuss eines Staates bedeutet grundsätzlich auch, dass sich ein anderer Staat verschuldet. Das bleibt relativ unproblematisch, jedenfalls solange eine Volkswirtschaft ihre eigene Währung hat und diese in irgendeiner Art auf- oder abgewertet werden kann.
Bei einem Außenhandelsdefizit wird eine Währung in der Regel abgewertet; ausländische Waren werden dadurch teurer, die eigenen werden für andere Staaten günstiger. Der Export steigt, der Import sinkt. Das Außenhandelsdefizit wird auf diese Weise verringert.
Dieser Mechanismus funktioniert nicht mehr, sobald mehrere Volkswirtschaften in eine Währungsunion eintreten. Ein Euro bleibt immer ein Euro, egal aus welchem Land er kommt.
Einige südeuropäische Länder (besonders Griechenland, Spanien und Portugal) haben durch den Euro das Problem, ihre Defizite nicht regulieren zu können. Sie können ihre Währungen nicht mehr abwerten. Ihre Produkte sind dadurch im Ausland zu teuer. Vor allem aber können sie die Währung der deutschen Wirtschaft nicht mehr aufwerten.
Die deutsche Wirtschaftspolitik befindet sich in diesem Zusammenhang in einer Schlüsselposition. Sie ist Verursacherin eines EU-Ungleichgewichts, möchte das aber nicht anerkennen. Stattdessen versucht die deutsche Regierung die Ungleichheit an anderer Stelle auszugleichen.
Warum exportiert Deutschland mehr als es importiert?
Entweder kann ein Land besondere Güter produzieren, wozu andere nicht oder nur schwer in der Lage sind, oder es kann bestimmte Güter besonders günstig herstellen. Auf Deutschland trifft beides zu. In den Branchen, von denen viel exportiert wird, gibt es hohe technische Standards und gleichzeitig auch geringe Arbeitnehmerlöhne.
Besonders durch den lange Zeit fehlenden deutschen Mindestlohn, aber auch durch niedrige Branchenlöhne konnten die deutschen Exporteure von den günstigen Arbeitskräften profitieren und einen Preisvorteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz erlangen.
Wenn es keine Möglichkeit gibt, die eigene Währung neu zu bewerten, ist es notwendig, gleiche Produktions- und Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die EU hat das nicht gemacht.
Die einen (Deutschland) wollen günstig produzieren, die anderen (Griechenland, Spanien, Portugal) wollen höhere Arbeitnehmerlöhne. Beide Ideale mögen ihre Berechtigung haben, aber sie können nicht gemeinsam in einer Währungsunion existieren.
Zum Zeitpunkt der Einführung des Euros gab es Hoffnungen, dass sich die Wirtschaftspolitik innerhalb der EU durch die gemeinsame Währung anpassen würde. Auf nationaler Ebene, so die Vermutung, würden sich Produktivität und Konsum annähern. Das Gegenteil ist passiert.
Der extreme deutsche Exportüberschuss ist das Ergebnis dieser Ideale und er ist auch Ursache dafür, dass die Volkswirtschaften Südeuropas heute nicht mehr »wettbewerbsfähig« sind.
Deutsche Politiker sind und fühlen sich als Krisengewinner, aber nicht als Krisenverursacher. Sie erlauben sich derzeit anderen EU-Mitgliedsstaaten Ratschläge zu geben, obwohl ihre Politik gleichzeitig auch die Ursache für das europäische Ungleichgewicht ist.
Autor:innen
Der Herausgeber von KATAPULT und Chefredakteur von KATAPULTU ist einsprachig in Wusterhusen bei Lubmin in der Nähe von Spandowerhagen aufgewachsen, studierte Politikwissenschaft und gründete während seines Studiums das KATAPULT-Magazin.
Aktuell pausiert er erfolgreich eine Promotion im Bereich der Politischen Theorie zum Thema »Die Theorie der radikalen Demokratie und die Potentiale ihrer Instrumentalisierung durch Rechtspopulisten«.
Veröffentlichungen:
Die Redaktion (Roman)
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