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Wahl-Aktion

KATAPULT wird kritisiert und ändert Vorgehen

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Eines vorweg: Als wir unseren Plan veröffentlichten, haben es manche offenbar so verstanden, als wollten wir tatsächlich das Wahlprogramm der AfD verteilen. Das stimmt natürlich nicht. Wir haben 40 menschenverachtende Zitate der AfD gesammelt und diese Sammlung „Echtes AfD-Wahlprogramm“ genannt. Die Idee war, diese Zitate kommentarlos zu verbreiten, um Aufklärung zu betreiben und Unentschlossene zu erreichen.

In diesen Zitaten rufen aktive und ehemalige AfD-Politiker und -Mitarbeiter zu Mord und Massenmord auf und fordern, Menschen wieder in Konzentrationslager zu schicken. Diese Aussagen wurden zu großen Teilen innerhalb der Partei toleriert und haben dazu beigetragen, dass sich die Partei immer weiter extremisiert. Das wollten wir so groß wie möglich verbreiten, damit alle sehen, wie gefährlich die AfD ist. Wir wollten über den Menschenhass und die damit einhergehende Radikalität dieser Partei aufklären. Aber auch alle anderen anspornen, noch energischer gegen die AfD aufzutreten.

Kritik

In den Sozialen Medien wurde die Kritik laut, dass eine derartige Aufklärung den Extremisten helfe. Menschen würden die AfD nicht trotz, sondern wegen solcher Aussagen wählen. Man könne die AfD inhaltlich nicht stellen. Das zeige auch die Radikalisierungs- und Extremismusforschung.

Deshalb haben wir Wissenschaftlerinnen, Aktivisten und Gedenkstätten um ihre Einschätzung gebeten. Geantwortet haben bisher Mitarbeitende von:

  • Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin
  • Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld
  • Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Greifswald
  • Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung der Hochschule Neubrandenburg
  • Journalist:innen, die seit Jahrzehnten zu Rechtsextremismus recherchieren
  • Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte
  • KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora
  • Gedenkstätte Buchenwald
  • Amadeu-Antonio-Stiftung
  • Zentrum für politische Schönheit
  • Volksverpetzer
  • Correctiv

Das waren die Reaktionen

  • der Großteil findet es gut, dass überhaupt jemand eine größere Aktion startet
  • der Großteil befürwortet die Zitate-Aktion, aber viele schlagen Verbesserungen vor
  • fast alle schlagen vor, die Zitate zu kommentieren und in einen Kontext zu setzen
  • die Sorge, die Aktion sei Werbung für die AfD, also dass deshalb mehr Leute die AfD wählen würden, ließe sich wissenschaftlich wahrscheinlich nicht belegen
  • ABER: die Aktion würde auch kaum jemanden davon überzeugen, die AfD nicht zu wählen
  • Hintergrund: Die Radikalität der AfD sei kein Geheimnis. Ihre Wählerschaft unterstützt deren Menschenfeindlichkeit oder nimmt sie in Kauf.

Wir haben auch einige derjenigen kontaktiert, die uns in den Sozialen Medien kritisiert haben, und wir haben den Kontakt zu weiteren KZ-Gedenkstätten, zum Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, zum Zentralrat der Juden in Deutschland, zu Endstation Rechts, Omas gegen Rechts und Lobbi gesucht. Einige haben ihre Antworten für kommende Woche angekündigt.

Einige haben argumentiert, dass es vielversprechender sei, die demokratischen Kräfte zu stärken und so die Rechtsextremen zu bekämpfen. Radikalisierte Menschen, die Menschenfeindlichkeit gutheißen oder in Kauf nehmen, würden am ehesten durch ihr soziales Umfeld erreicht. Wir finden diese Argumentation schlüssig.

Deshalb ändern wir die Aktion

1. Demokratie-Programm
Wir ändern unser Wahlheft von einem Anti-AfD- zu einem Pro-Demokratie-Programm. Weniger Fokus auf die Extremisten und stärkere Konzentration darauf, wie Demokraten die Demokratie stärken können, wie man mit der Radikalisierung umgehen kann und warum AfD-Leute aus der Partei ausgestiegen sind. Um unser Ziel zu erreichen, nutzen wir also die Spendengelder für den Druck und Versand von Demokratie-Programmen. Ihr könnt die Programme hier bekommen und weiterhin die Auflage erhöhen: katapult-deutschland.de

2. Kommentierter AfD-Hass
Wir fügen der AfD-Zitatesammlung einen kontextualisierenden Begleittext hinzu und verzichten auf die massive Verbreitung in ihrer ursprünglichen Form. Die Sammlung wurde immer wieder dafür gelobt, dass man sie als Argumentationsstütze gegen Radikalisierung nutzen kann. Seht sie als starke Medikation, die lediglich in überblickbaren Situationen genutzt werden sollte. (Hinweis: Unter den oben genannten Akteur:innen aus Wissenschaft, Journalismus und Aktivismus gibt es viele, die die Zitatsammlung deshalb hilfreich finden, weil sie die Unterschiede zwischen der AfD und bürgerlich-konservativen Standpunkten verdeutlicht.)

3. Buch über aktuellen Stand der Forschung
KATAPULT veröffentlicht zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Experten ein Buch mit dem Arbeitstitel: Demokratie stärken, Rechtsextremismus bekämpfen – Was sagt die Wissenschaft? Darin soll der weltweite Forschungsstand zusammengetragen werden. Das Buch wird online kostenlos sein.

Wer für die ursprüngliche Idee Geld gespendet hat und mit der neuen Ausrichtung unzufrieden ist, kann mich anschreiben (benni.fredrich@katapult-magazin.de) und bekommt sein Geld zurück.

KATAPULT ist vor fast zehn Jahren als wissenschafts- und demokratieförderndes Projekt an den Start gegangen. Das wird so bleiben – egal, wie stark die demokratiefeindlichen Kräfte werden!

PS

Während unserer Gespräche ist uns aufgefallen, dass selbst gestandene Leute aus Wissenschaft, Journalismus und Aktivismus einigermaßen rat- und hoffnungslos geworden sind. Der immer stärker werdende Rechtsextremismus wirkt offenbar ernüchternd.

Eine Journalistin hatte uns von der Aktion abgeraten – mit der Aussage, man könne sowieso nichts mehr machen, die Nazis kämen halt alle hundert Jahre wieder. Die gleiche Journalistin meldete sich einen Tag später noch mal. Sie hatte sich umentschieden und sagte: „Macht es!“

Selbst wenn die 100 Jahre stimmen, kann man jetzt entscheiden, ob man zu den Tatenlosen oder zu den Wehrhaften gehört haben will.

Autor:innen

Der Herausgeber von KATAPULT und Chefredakteur von KATAPULTU ist einsprachig in Wusterhusen bei Lubmin in der Nähe von Spandowerhagen aufgewachsen, studierte Politikwissenschaft und gründete während seines Studiums das KATAPULT-Magazin.

Aktuell pausiert er erfolgreich eine Promotion im Bereich der Politischen Theorie zum Thema »Die Theorie der radikalen Demokratie und die Potentiale ihrer Instrumentalisierung durch Rechtspopulisten«.

Veröffentlichungen:
Die Redaktion (Aufstieg)
Funk in Wuppertal (Absturz)
Fredrich rastet aus
Schlägereien in Parlamenten

Pressebilder:

Bild 1 Bild 2 Bild 3 Bild 4

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