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Im Südosten der kriegszerrütteten Zentralafrikanischen Republik beherrschen weiße Männer ein Gebiet, das etwa halb so groß ist wie Belgien. Ehemalige Soldaten und Nachrichtendienstler befehligen eine Gruppe einheimischer Ranger. Mit Sturmgewehren und Hubschrauber verteidigen sie die Grenzen des Naturreservats Chinko gegen Eindringlinge.
Seit einigen Jahren stellen Wissenschaftler eine zunehmende Militarisierung des Naturschutzes fest: Westliche Soldaten bilden Wildhüter an der Waffe aus. Auch private Sicherheitsfirmen, oft geführt von Ex-Militärs, machen mit. Praktiken aus der Aufstandsbekämpfung fanden Eingang in den Umweltschutz. Das Ziel: Nashörner, Elefanten und andere Tierarten vor Wilderern zu schützen.
Mitverantwortlich für die Aufrüstung der Ranger sind auch Naturschutzorganisationen. Sie argumentieren unter anderem, dass sich diese besser gegen die teils schwer bewaffneten Wilderer schützen müssten. Der Organisation African Parks (AP) hat man 2014 für eine Dauer von 50 Jahren die Kontrolle über das zentralafrikanische Reservat Chinko übertragen. AP verwaltet mittlerweile 17 afrikanische Naturschutzgebiete. Ihr Regionaldirektor für Westafrika spricht von seinen Rangern als der »einzigen stabilisierenden Kraft« in den »am schlechtesten erschlossenen Regionen Afrikas«. Unter den Finanziers: die Europäische Union, die einen großen Teil des Budgets beisteuert.
Panzerfäuste für die Umwelt
Manche Ranger werden auf diese Weise zu Akteuren in komplizierten bewaffneten Konflikten. Einige Nationalparks mutierten in den letzten Jahren zum Staat im Staat. Der für bedrohte Berggorillas berühmte Virunga-Nationalpark im Ostkongo etwa. Allein 2004 wurden dort zehntausende Menschen umgesiedelt – Berichten zufolge teils mit vorgehaltener Waffe. Der heutige Direktor des Parks, der Belgier Emmanuel de Merode, erklärte das Dilemma seiner Arbeit so: Durch die Einrichtung des Schutzgebiets habe die Bevölkerung Zugang zu fruchtbarem Ackerland verloren. Jedes Jahr entgingen ihr 550 Millionen Euro. Diese »extreme Ungerechtigkeit« müsse ausgeglichen werden. Die Hoffnung liegt dabei vor allem auf dem Tourismus. Mittlerweile betreibt der Park auch eigene Wasserkraftwerke, Palmöl- und Kaffeeplantagen. Doch bis heute ist er ein von der EU finanziertes Verlustgeschäft. Kaum ein Tourist wagt sich in die Region.
Virunga war 2012 von Rebellen überrannt worden. Mithilfe europäischer Militärausbilder stellte man daraufhin eine 300 Mann zählende Spezialeinheit mit Sturmgewehren und Panzerfäusten auf, die besser geschult ist, als es die kongolesischen Streitkräfte sind. Die kongolesischen Wildhüter sind der Umweltbehörde ICCN unterstellt, die wiederum dem für Kriegsverbrechen verantwortlichen Verteidigungsministerium untergeordnet ist, aber einen großen Teil ihres Budgets aus dem Ausland erhält. Die Arbeit der Ranger ist extrem gefährlich: Erst im April dieses Jahres wurden erneut 13 Wildhüter bei einem Angriff in Virunga ermordet. Laut der Parkverwaltung sei das eigentliche Ziel der Rebellenmiliz die Zivilbevölkerung gewesen. Die Ranger hätten versucht, diese zu schützen.
Aber auch fernab bewaffneter Konflikte wird aufgerüstet. Im Kruger-Nationalpark in Südafrika ist die Armee seit 2011 in die Wildereibekämpfung eingebunden, die Ranger werden von Ex-Militärs trainiert. Auch in Botswana patrouillieren Soldaten durch die Parks. 2013 erklärte der damalige Umweltminister des Landes, dass mutmaßliche Wilderer bei Sichtkontakt erschossen werden dürften. Befürworter der Shoot-to-kill-Politik sagen: »Parks sind Kriegsgebiete und die Regeln und Prinzipien des Krieges müssen befolgt werden.« Neu sind derartige Methoden nicht. Schon Ende der 1980er-Jahre wurden sie etwa in Simbabwe und Kenia eingeführt.
Das sei keine Militarisierung, sondern eine Professionalisierung des Naturschutzes, meint der Biologe Niall McCann. Polizisten verbiete man auch nicht, Bankräuber zu erschießen. McCann arbeitet für eine Umweltschutzorganisation, die »Sicherheit auf Militärniveau« verspricht. Die Bedrohung für Wildtiere und Ranger habe zugenommen und die Zeit, um die wertvollsten Arten der Erde zu retten, schwinde. Tatsächlich ist die Zahl der illegal getöteten afrikanischen Nashörner in den letzten Jahren gesunken. Auch die durch Wilderei bedingte Mortalitätsrate unter Elefanten ist zwischen 2011 und 2017 von zehn auf vier Prozent gefallen. Dieser Umstand hängt aber auch mit Armut, Korruption und insbesondere mit der schwankenden Nachfrage nach Elfenbein auf dem asiatischen Markt zusammen. Nach 2013 fielen in China die Preise für die Substanz, 2017 wurde der Handel verboten.
Militarisierung droht die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu verspielen
Kritiker sehen in der Militarisierung des Umweltschutzes eine Strategie, die sich vor allem der Bekämpfung von Symptomen widme, nicht aber den strukturellen Ursachen wie Armut und wirtschaftlicher Ungleichheit, Korruption oder dem internationalen Handel. Knappe Ressourcen flössen zunehmend in paramilitärische Methoden – darunter litten andere, ganzheitliche Ansätze des Naturschutzes.
»Eines der größten Probleme der Militarisierung besteht darin, dass sie die lokalen Gemeinden verprellen kann, die sich gegen die Anwendung von Gewalt zum Schutz der Wildtiere, gegen die Entwicklung einer Kultur der Überwachung und gegen ihren fortgesetzten (oft gewaltsamen) Ausschluss aus den Schutzgebieten wenden«, warnt eine Gruppe von Forschern um die Politikwissenschaftlerin Rosaleen Duffy. »Solche Ansätze werden langfristig die Unterstützung genau jener Menschen verspielen, die für Schutzbemühungen von zentraler Bedeutung sind.«
Mehr konfiszierte Waffen, mehr Gehalt
Durch die Militarisierung bilden sich neue Machtstrukturen vor Ort, die anfällig für Missbrauch sind. Gefördert werde das durch Gehaltsprämien für die Wildhüter, die sich nach der Zahl der verhafteten Wilderer und beschlagnahmten Waffen richteten. In diesem System sei das willkürliche Vorgehen gegen die Bevölkerung vorprogrammiert, kritisiert die Afrika-Korrespondentin Simone Schlindwein, die umfangreiche Recherchen zu Menschenrechtsverletzungen rund um Naturschutzgebiete vorgelegt hat.
Ein weiteres Problem entsteht, wenn lokale Gemeinden von den Naturschützern als Brutstätten der Wilderei und als Sicherheitsrisiko gesehen werden. Das legitimiert den Einsatz von Gewalt und Umsiedlungen. Studien legen aber nahe, dass junge Männer, die in ärmere Gegenden außerhalb der Parks umgesiedelt werden, empfänglicher für die Rekrutierung durch Wilderei-Syndikate sind.
Und so werden immer wieder Menschen, die im Umfeld von Nationalparks leben, getötet und misshandelt. Eine der größten internationalen Umwelt- und Tierschutzorganisationen, der World Wide Fund for Nature (WWF), unterstützte jahrelang Wildhüter in Asien und Afrika, die für Misshandlungen, Folter und Morde verantwortlich sein sollen. Auch brutale Razzien gegen Dorfgemeinschaften wurden finanziert. Journalisten, Wissenschaftler und Nichtregierungsorganisationen haben auch in anderen Parks viele weitere Fälle dokumentiert. So wird es zunehmend schwieriger, diese als bloße »Einzelfälle« abzutun, wie es die Bundesregierung bislang tut. Auch Deutschland hat Schutzgebiete finanziert, in denen es zu Menschenrechtsverletzungen gekommen sein soll.
Erschossen auf der Suche nach Heilkräutern
Ein maßgebliches Problem ist, dass viele Parks unter Kolonialherren und Autokraten, aber ohne Einbeziehung der Bevölkerung gegründet wurden. Unter ihnen auch der Kahuzi-Biéga-Nationalpark im Kongo. Als er in den 1970er-Jahren eingerichtet wurde, vertrieb man 6.000 Pygmäen, die jahrhundertelang in den Wäldern gelebt hatten. Die Indigenen verarmten, viele starben an Unterernährung. Wer sich heute in den Park wagt, muss damit rechnen, getötet zu werden. 2017 erschossen Ranger einen 17-Jährigen, der auf der Suche nach Heilkräutern war. Auch in den darauffolgenden Jahren kam es immer wieder zu gewaltsamen Konfrontationen zwischen Wildhütern und Indigenen.
Solche Geschichten gibt es viele. 1993 richtete die Wildlife Conservation Society, eine amerikanische Umweltschutzorganisation, den Nouabalé-Ndoki-Nationalpark in der Republik Kongo ein. Das Gebiet hatte sie zuvor für unbewohnt erklärt. In Wahrheit lebten dort aber Waldvölker. Als die Ranger auf sie stießen, wurden die Indigenen verjagt. Sie verarmten.
Konflikte dieser Art wurden in vielen Parks nie angemessen aufgearbeitet. Stattdessen werden ähnlich fatale Fehler noch heute begangen. So unterschlug der WWF bei der Einrichtung eines weiteren Nationalparks in der Republik Kongo gegenüber Geldgebern die Bedenken indigener Gemeinden. In Protestbriefen berichteten diese von Gewalt und Misshandlungen durch Ranger. Die Organisation Survival International, die sich für die Rechte indigener Völker einsetzt, sprach gemeinsam mit einheimischen Menschenrechtlern von »grünem Kolonialismus«.
Dabei könnten gerade die Indigenen und ihr großes Wissen über den Wald ein Gewinn für die geschützten Gebiete sein. Sie nutzen ihr Land nachhaltig und könnten den Naturschützern dabei helfen, die weitläufigen Territorien auf Wilderer und illegale Holzfäller zu überwachen.
Dieser Text erschien in der 18. Ausgabe von KATAPULT. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr.
Autor:innen
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