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Medien in der Ukraine

Der Kyiv Independent – die Stimme der Ukraine

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„Unser Hauptanliegen war es von vornherein, der Ukraine eine weltweite Stimme zu geben. Darum haben wir The Kyiv Independent gegründet“, erzählt Daryna Schewtschenko. Sie ist die Geschäftsführerin des ukrainischen Nachrichtenmediums, dessen Artikel auf Englisch erscheinen. Mit Nachrichten, Kommentaren und weiteren Inhalten will es ein internationales Publikum über das aktuelle Geschehen in der Ukraine informieren.

Seit Russland am 24. Februar das Land angegriffen hat, wünscht sich die Weltöffentlichkeit genaue und zeitnahe Informationen zu den Ereignissen. „Der Krieg ist eine Katastrophe. Unsere weltweite Bedeutung hat dadurch jedoch zugenommen“, sagt Schewtschenko. „Die Menschen begannen, nach verlässlichen Informationen über die Ukraine zu suchen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir bereits den Ruf, ehrlichen Journalismus zu betreiben und Profis auf unserem Gebiet zu sein. Deshalb haben die Leute unsere Berichte geteilt und uns weiterempfohlen. So hat der Großteil unserer Leserschaft von uns erfahren.“

The Kyiv Independent wurde Ende 2021 gegründet. Die Belegschaft der Nachrichtenplattform besteht aus ehemaligen Journalist:innen der Kyiv Post, einer weiteren englischsprachigen Zeitung mit Sitz in der Ukraine. Sie hatte 26 Jahre lang aus dem Land berichtet, wurde letzten November jedoch von einem neuen Eigentümer übernommen. Seine erste Amtshandlung bestand darin, alle Angestellten zu entlassen. Aus Sicht der Journalist:innen geschah dies unter politischem Druck – in dem Bestreben, unabhängiger Berichterstattung ein Ende zu setzen.

Die ehemaligen Beschäftigten der Kyiv Post beschlossen, ein neues Medium zu gründen: den Kyiv Independent. Die Plattform erhielt zunächst eine Notfinanzierung des Europäischen Demokratiefonds, später kamen bei einer Kampagne auf „GoFundMe“ über 1,4 Millionen Euro zusammen. „Unsere Leser:innen-Community unterstützte uns über Patreon. Wir haben Veranstaltungen für sie organisiert, online wie offline, verschiedene Dinge angeboten und an mehreren Konferenzen teilgenommen“, erzählt Schewtschenko. „Vor Kriegsausbruch wurde unsere Seite jeden Tag 30- bis 50.000-mal aufgerufen. Auch bei Twitter folgten uns mehrere Zehntausend Menschen. Die Leute kannten uns also.“

Heute hat der Kyiv Independent 1,8 Millionen Follower bei Twitter, rund 50.000 Abonnenten bei Telegram und Instagram sowie 36.000 bei Facebook. Die Website wurde allein in den ersten zwei Wochen des Krieges acht Millionen Mal aufgerufen. „Wir sind uns unserer großen, weltweiten Verantwortung bewusst. Zum Beispiel hat uns die Präsidentin der EU-Kommission in einer Rede vor dem Europaparlament zitiert“, sagt Schewtschenko. „Das hat uns sehr motiviert und zeigt uns, dass wir in unserer Rolle, die so wichtig ist wie nie zuvor, auf dem richtigen Weg sind. Ich denke, jede:r in unserem Team spürt diese Verantwortung.“

Ihre Arbeit unterscheide sich von der anderer ukrainischer Medien, erklärt die Geschäftsführerin. Der Kyiv Independent liefere deutlich mehr Hintergrundinformationen für ein ausländisches Publikum, was für ukrainische Leser:innen nicht unbedingt nötig wäre. So habe man etwa erläutert, warum bestimmte Ortschaften strategisch bedeutsam sind, wo sie liegen und weshalb sie zum Ziel von Angriffen werden könnten. „Wir bieten viel mehr historischen, politischen und gesellschaftlichen Kontext als andere ukrainische Medien, weil wir nicht voraussetzen können, dass unsere Leserschaft diesen kennt“, ergänzt Schewtschenko.

Sie betont, dass der Kyiv Independent in den meisten Sozialen Medien präsent sei, die von westlichen Leser:innen genutzt würden. „Wir sind sehr aktiv bei Twitter, wo wir die meisten Follower haben, und von dort gelangen viele auf unsere Website. Aber wir arbeiten auf allen maßgeblichen Kanälen.“ Das Social-Media-Team komme sowohl aus der Ukraine als auch aus dem Ausland. „Bei uns arbeiten englische Muttersprachler:innen, die viel Positives einbringen: hohe journalistische Standards, gutes Storytelling, ein erstklassiges Englisch“, sagt Schewtschenko. „Ausländische Kolleg:innen bei uns zu haben, erlaubt es uns zudem, rund um die Uhr zu berichten, denn manche Teammitglieder leben in anderen Zeitzonen. Sie können also auch nachts neue Artikeln onlinebringen, wenn die meisten Journalist:innen in der Ukraine nicht zur Verfügung stehen.“

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