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Mail kommt rein. Der Cornelsen-Verlag schreibt. Er will eine Grafik von uns für seine Bücher verwenden. Das ist ja cool! Die kenne ich noch aus der Schule. Mal gucken, wie groß die sind. Oha, die haben 1.646 Mitarbeiter und 260 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Riesen Laden, dieser Cornelsen.
Eigentlich haben wir kein großes Interesse mehr, unsere Karten zu verkaufen. Wir wollen lieber KATAPULT stärken und unsere Grafiken ausschließlich bei uns veröffentlichen. Aber manchmal machen wir es trotzdem, gerade wenn wir die anderen cool finden. Das geht dann so: Jemand will eine Drucklizenz für eine Grafik von uns kaufen, wir nennen einen Preis, verhandeln und dann ist das Ding in trockenen Beuteln. So läuft das diesmal zuerst auch, aber irgendwie ist schon die Wortwahl bei den Cornelsens merkwürdig.
Eine Seniormanagerin des Cornelsen-Lizenzmanagements fordert eine sehr umfangreiche Lizenzvariante: Das Werk soll “in sämtlichen Lehr- und Lernprodukten” genutzt und auch an “Dritte” weitergegeben werden dürfen. Pipapo, das rechtliche Palaver geht unendlich lang. Nebenbei schreibt die Cornelsen-Seniormanagerin noch: “Wir hoffen sehr, dass Sie uns unterstützen können.” Unterstützen? Das hört sich an, als ob die bettelarm sind und im Lotto verloren haben, aber egal. Wir verlangen bei großen Firmen eigentlich viel mehr Geld für eine Grafik, aber weil es ein Schulbuch ist, fordern wir nur 400 Euro. Finden wir fair. Was passiert dann?
Die Seniormanagerin teilt uns mit, es tue ihr doch sehr leid, uns sagen zu müssen, dass 400 Euro leider über ihrem Budget lägen. Das tut ihr leid? Das liest sich ja so, als ob wir ihr die Grafik aufdrängen wollen. Die sind doch auf uns zugekommen, und nicht andersrum. Na egal.
Um diese Grafik gings.
Sie, die Seniormanagerin, verstehe zusätzlich auch nicht so ganz, woher denn jetzt eigentlich “die 400 Euro Honorar rühren”, die sie doch als “sehr hoch empfindet”. Sie bietet uns stattdessen 150 Euro an. Wow, das sind genau 37,5 Prozent unseres Angebots. Harter Sprung. Wir lehnen ab und bleiben bei den 400 Euro. Was dann passiert, ist an Respektlosigkeit schwer zu überbieten. Die Seniormanagerin schreibt uns:
“Sehr geehrte Frau Haensel [KATAPULT-Projektleiterin],
parallel zu meinem Entgegenkommen durch einen reduzierten Verwendungsumfang habe ich Ihre Grafik auf eine bestehende Schöpfungshöhe hin prüfen lassen.
Der Text enthält Fakten, die kostenlos und frei verfügbar sind. Darüber hinaus werden Ländergrenzen und Fahnen verwendet, die jede für sich auch keine Schöpfungshöhe haben. Schlussfolgernd könnten wir die Grafik ohne Ihr Einverständnis nutzen, da hier urheberrechtlich keine Ansprüche geltend gemacht werden können.
Da ich nun aber bereits angefragt habe, und die Katapult-Grafiken ansonsten immer sehr originell und für ihre hohe Schöpfungshöhe bekannt sind, möchte ich diesen Weg ungern gehen.
Wäre es nicht doch möglich, die Grafik mit Ihrem Einverständnis zu einem reduzierten Preis zu nutzen?”
Ohne unser Einverständnis?
Ich muss das jetzt kurz mal nachfragen, liebe Seniormanagerin von Cornelsen, sind Sie eigentlich komplett bescheuert? Ist nicht böse gemeint, nur so eine Frage, die mir grad in den Kopf kommt. Sie können uns doch nicht erst eine Lizenzanfrage stellen und am Ende sagen, wisst ihr, ist mir rotzegal, ob ihr unser beschissenes Angebot annehmt oder nicht, wir benutzen eure Grafik sowieso, die ist eh nicht originell, aber wir nehmen die trotzdem und drucken die in all unsere Schulbücher, weil wir der verschissene Cornelsen-Verlag sind.
Wie soll das denn jetzt nach außen wirken? Was für ein Bild sollen die Leute von Ihnen haben? Sollen die wirklich alle denken, der Cornelsen-Verlag ist mega unsympathisch? Das ist doch alles total rufschädigend, was Sie da mit Ihrer eigenen Person und auch mit Ihrem big fat Cornelsen-Verlag machen.
Zum Glück bekommen wir am Ende der Mail noch eine letzte Chance, den genialen 150-Euro-Deal zu retten. Was für ein großzügiges Angebot! Aus großer, großer Großzügigkeit bieten sie uns tatsächlich doch noch geradeso an, die Grafik nicht einfach ohne Bezahlung zu klauen und an Dritte weiterzugeben, sondern jetzt doch wieder zahlen zu wollen, weil wir von KATAPULT nämlich voll doll dafür bekannt sind, die dicksten Grafiken mit sauhohen Schöpfungshöhen zu bauen.
Ich fühle mich geehrt, sowas endlich mal von einer echten Seniormanagerin zu hören. Wahnsinn! Oder doch nicht? Nee. Doch nicht! So sehr Sie auch beim Cashy-Cornelsen-Konzern arbeiten und sicher auf hundert schlaue Anwältinnen zugreifen können, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Mail juristisch und moralisch leicht angreifbar ist.
Mir sind die 150 oder 400 Euro übrigens einigermaßen egal. Darum gehts überhaupt nicht. Es geht darum, dass wir bei KATAPULT hart arbeiten, starke Inhalte produzieren und kreative Karten erstellen, für deren Ideen wir manchmal Wochen brauchen. Ihre Mail ist respektlos, Ihre Drohgebärden sind nicht nur herablassend, sondern für kleine Verlage (ohne Rechtsbeistand) auch erpresserisch. Sie haben hier nun aber die falschen Leute adressiert. Vielleicht denken Sie, wir sind wirklich nur ein kleiner Verlag aus einer kleinen Stadt, aber Sie täuschen sich. Wir sind KATAPULT aus Greifswald und wir geben überheblichen Idiotenverlagen kompromisslos aufs Maul! Rechtlich und öffentlich - alles, was geht!
KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abonnements. Abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr.
Autor:innen
Der Herausgeber von KATAPULT und Chefredakteur von KATAPULTU ist einsprachig in Wusterhusen bei Lubmin in der Nähe von Spandowerhagen aufgewachsen, studierte Politikwissenschaft und gründete während seines Studiums das KATAPULT-Magazin.
Aktuell pausiert er erfolgreich eine Promotion im Bereich der Politischen Theorie zum Thema »Die Theorie der radikalen Demokratie und die Potentiale ihrer Instrumentalisierung durch Rechtspopulisten«.
Veröffentlichungen:
Die Redaktion (Roman)
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