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Wahlen im Kongo

Ausbeutung, Krieg und ein wenig Demokratie

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Die Wahl hätte eigentlich schon 2016 stattfinden sollen - in dem Jahr endete die zweite Amtszeit von Joseph Kabila. Allerdings verschleppte dieser die Abstimmung immer wieder. [Edit: Zuletzt wurde die für den 23. Dezember festgesetzte Wahl um eine Woche verschoben.] Nun musste er dem Druck der Opposition und der protestierenden Bevölkerung nachgeben. Kabila kündigte aber bereits an, politisch nicht kürzer treten zu wollen. Sein Wunschkandidat, der ehemalige Innenminister Ramazani Shadary, gilt als schwach genug, um Kabilas mögliche Rückkehr ins Präsidentenamt nach Ablauf der fünfjährigen Sperrzeit nicht zu gefährden.

Brennende Wahlmaschinen und Geisterwähler

Die Ausgangslage für demokratische Wahlen könnte kaum schlechter sein. Die Wahlkommission gestand bereits ein, dass unter den rund 40 Millionen registrierten Wählern viele sogenannte Geisterwähler sind - Menschen, die es nicht gibt und deren Stimme vermutlich der jetzigen Regierungspartei zugutekommen werden. Aktivisten schätzen ihre Zahl auf etwa zehn Millionen. Die Wahlkommission setzt zudem auf elektronische Wahlmaschinen. Über 7.000 Stück davon fielen Anfang Dezember jedoch einem Feuer zum Opfer. Darüber hinaus ist völlig unklar, ob die Maschinen in der Praxis tatsächlich genutzt werden können, denn in weiten Teilen des Landes gilt die Stromversorgung als unzuverlässig.

Derzeit sind rund 28.000 Blauhelmsoldaten im Kongo stationiert, das Land steckt in einer tiefen humanitären Krise. Rund 4,5 Millionen Menschen befinden sich innerhalb der Landesgrenzen auf der Flucht. Vor allem im Süden und Osten bedrohen Hungersnöte und wiederholte Ebola-Ausbrüche die Bevölkerung. In den gleichen Regionen kämpfen zudem seit mehreren Jahrzehnten über einhundert verschiedene Milizen um die Kontrolle der kongolesischen Rohstoffvorkommen. Neben Kobalt, Kupfer, Uran, Kohle, Gold und Diamanten befinden sich ungefähr 80 Prozent der weltweiten Coltan-Vorkommen im Osten des Landes - ein Rohstoff, der unter anderem für die Produktion von Smartphones unerlässlich ist. Seit dem Jahr 2000 sind vermutlich über sechs Millionen Menschen in diesem “vergessenen Konflikt” umgekommen.

130 Jahre Ausbeutung

Die systematische Ausbeutung der Ressourcen, von der die breite Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise profitieren konnte, und die Konflikte um deren Kontrolle ziehen sich wie ein roter Faden durch die jüngere Geschichte des Kongos. Diese lässt sich vereinfacht in drei Phasen unterteilen - die Herrschaft der Belgier, die Diktatur Mobutu Sese Sekos und die des Kabila-Clans.

Das Gebiet der heutigen Demokratischen Republik Kongo wurde 1885 auf der Berliner Kongokonferenz dem belgischen König zugesprochen. Dieser eroberte das Land mit brutalen Methoden, ließ tausende Kongolesen verstümmeln und hinrichten. Teile des Landes vergab er an Handelskompanien, die mit der industriellen Ausbeutung der Rohstoffvorkommen begannen.

1960 wurde der Staat - wie eine Reihe anderer afrikanischen Länder - unabhängig. Nach wenigen Jahren der Demokratie unter der Führung Patrice Lumumbas unterstützten Belgien und die USA die Abspaltung der rohstoffreichen Südprovinz Katanga, was zum erfolgreichen Putsch durch Mobutu Sese Seko führte. Dieser herrschte zwischen 1965 und 1997 über das Land, das er in “Zaire” umbenennen ließ. Er konnte sich auf die Unterstützung Frankreichs und der USA verlassen, die den Staat im Kalten Krieg als wichtigen Standort im Kampf gegen sozialistische Bewegungen in Afrika sahen. Während seiner Herrschaft ließ Mobutu Minen verstaatlichen, erkaufte sich die Loyalität von regionalen Machthabern und sicherte sich so die absolute Macht im Kongo - Korruption, Kleptokratie[1], Repressionen und Gewalt prägten das Land.

Nach Ende des Kalten Kriegs kühlten die Beziehungen zu den ehemaligen Schutzmächten ab und Mobutu verlor allmählich die Kontrolle über das Land. 1994 schwappte der ethnische Konflikt im Nachbarland Ruanda zwischen den Hutu und Tutsi auf den Kongo über. Laurent-Désiré Kabila, ein langjähriger Rivale Mobutus, nutzte die Chance und stürzte mit Hilfe einer Koalition aus kongolesischen Rebellen und Streitkräften der Nachbarstaaten Ruanda, Burundi und Uganda das Mobutu-Regime. 1997 wurde Laurent Kabila zum Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo ernannt. Mobutu flüchtete ins Exil und starb wenig später an den Folgen einer Krebserkrankung. Die Hoffnungen der Bevölkerung auf eine Stabilisierung der Sicherheitslage verwirklichten sich jedoch nicht. Kabila reihte sich fast nahtlos in die autoritäre Staatsführung seines Vorgängers ein und wandte sich zudem gegen seine ehemaligen Unterstützer in Ruanda, Burundi und Uganda, die seitdem Rebellen im Osten des Landes unterstützen.

Nach der Ermordung Laurent Kabilas im Jahr 2001 übernahm dessen Sohn Joseph das Präsidentenamt. Joseph Kabila, zum damaligen Zeitpunkt mit 29 Jahren der jüngste Machthaber Afrikas, baut seitdem das Familienimperium seines Vaters aus. Sein Privatvermögen wird heute auf 15 Milliarden Dollar geschätzt - einen Großteil davon erwirtschaftete er durch die Vergabe von Förderlizenzen an westliche Bergbauunternehmen.

Keine Hoffnung auf Besserung

In den Jahren 2006 und 2011 fanden die ersten freien Wahlen seit der Unabhängigkeit 1960 statt. Kabila konnte sie beide Male knapp für sich entscheiden. In der Folgezeit versuchte er jedoch immer wieder, die Verfassung zu umgehen und seine Regentschaft über die zwei maximal erlaubten Amtszeiten hinaus zu verlängern. Dass jetzt überhaupt Wahlen stattfinden, wenn auch mit Verzögerung, aber erstmals ohne internationale Beobachter, gilt schon als Erfolg für das Land. Doch kaum jemand glaubt, dass sich die Lage verbessert - zu instabil sind die lokalen Machtverhältnisse und zu hoch ist die weltweite Nachfrage nach den Ressourcen des Kongos.

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Autor:innen

Ehemaliger Redakteur bei KATAPULT. Er ist Chefredakteur von KATAPULT Kultur und für die Produktionsleitung des Magazins verantwortlich. Er hat Geographie an der Universität Augsburg und der Universitat de Barcelona studiert. Er ist zudem als freiberuflicher Fotograf tätig.

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