Netanjahu steht nicht erst seit dem Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober in der Kritik. Seit Jahren laufen verschiedene Verfahren wegen Korruption und Machtmissbrauch gegen ihn. Zuletzt strebte seine rechte Regierung eine breit kritisierte Justizreform an, die den Obersten Gerichtshof schwächen sollte. Dagegen gingen mindestens eine Million Israelis auf die Straße. Jetzt zeigt eine Umfrage aus der letzten Woche: Nur 18 Prozent der Israelis wollen, dass Netanjahu sein Amt weiter ausübt. Mehr als drei Viertel der Israelis forderten demnach seinen Rücktritt: 47 Prozent sagen, nach dem Krieg, und 29 Prozent sofort. In anderen Befragungen gaben 56 bis 80 Prozent an, dass sie erwarteten, dass er nach dem Krieg zurücktritt. Kaum Vertrauen in Netanjahus Kriegsführung Eine aktuelle Studie des Israel Democracy Institute (IDI) stellte außerdem die Frage, wem die Israelis die Leitung des Krieges im Gazastreifen und gegen die Hisbollah eher zutrauen, Premierminister Netanjahu oder den Befehlshabern der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF). Ergebnis: Nur sieben Prozent hätten demnach mehr Vertrauen in Netanjahu. Wohingegen sich etwa die Hälfte der Befragten für die IDF-Chefs aussprach. Zur Erinnerung: Als Regierungschef ist Netanjahu der Vorgesetzte des Verteidigungsministers und damit indirekt auch der Streitkräfte. Aufgeschlüsselt nach politischer Orientierung misstrauen Netanjahu sogar 41 Prozent der jüdischen Rechten hinsichtlich der Kriegsführung. Das ist eigentlich seine Wählerklientel. Bei den jüdischen Linken sind es doppelt so viele. Unter den arabischen Befragten ist das Misstrauen in die Kriegsführung insgesamt groß: Die Hälfte vertraut niemandem. Download Graphic Das große Aber Trotz all der Kritik an Netanjahu zeigt die IDI-Studie auch eine wesentliche Einschränkung, die dem gegenübersteht: Kaum jemand würde bei kommenden Wahlen für eine Partei eines anderen politischen Blocks stimmen als die, die er das letzte Mal gewählt hat (6%). Stattdessen würden 40 Prozent dieselbe Partei wählen, und 15 eine Partei desselben politischen Blocks. Von einem generellen Meinungswandel in der Bevölkerung kann der Studie zufolge also nicht ausgegangen werden. Allerdings stellen die Studienautor:innen heraus, dass der Anteil derjenigen, die noch unentschieden sind, sehr hoch ist (27%). Arabische Israelis sehen manches anders Ein großer Vorteil der IDI-Studie ist, dass einige Fragen auch nach arabischen und jüdischen Befragten unterteilt sind. Hier wird dann auch deutlich, dass die arabischen Israelis manches anders sehen. Eine Auswahl: 34 Prozent von ihnen würden bei kommenden Wahlen gar nicht abstimmen – vs. 6 Prozent bei den jüdischen Israelis8,4 Prozent von ihnen beschreiben das Verhältnis zwischen jüdischen und arabischen Israelis als sehr gut – vs. 0,3 Prozent bei den jüdischen Israelis40 Prozent von ihnen sehen der Zukunft hinsichtlich der demokratischen Regierungsführung in Israel pessimistisch entgegen – vs. 19 Prozent bei den jüdischen Israelis Das Israel Democracy Institute ist eine nichtstaatliche Forschungseinrichtung und befragt für seinen „Israeli Voice Index“ seit 2019 monatlich die israelische Bevölkerung zu aktuellen Themen. In der hier vorgestellten Oktober-Ausgabe wurden in einer repräsentativen Stichprobe 602 Männer und Frauen auf Hebräisch und 151 auf Arabisch interviewt. Erhebungszeitraum: 24. bis 26. Oktober 2023. Die gesamte Studie könnt ihr hier nachlesen: https://en.idi.org.il/articles/51198 Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abonnements. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr. KATAPULT abonnieren