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Kämpfe in der Ostukraine

Warum die Donbas-Einkesselung scheitern wird

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Das österreichische Bundesheer hat eine detaillierte Analyse des derzeitigen Stellungskriegs im Donbas veröffentlicht. Dieser Artikel nutzt vor allem die darin enthaltenen Informationen.

Die derzeitige Kampflage im Donbas ist dem Stellungskrieg im ersten Weltkrieg ähnlich. Militärexperten gehen davon aus, dass es die russische Armee nicht schaffen wird, den Donbas einzukesseln. Warum?

1. Das Kräfteverhältnis

Die ukrainische Armee agiert vor allem aus Schützengräben heraus. Die russische Seite versucht diese mit Artillerie zu zersprengen. Ukrainische Soldaten warten diese Angriffe ab und gehen erst danach in die Gräben – „Mobile Verteidigung“. Die ukrainische Armee hat sich mindestens drei Verteidigungsringe mit Schützengräben gebaut. Das ist in dieser Phase entscheidend.

Für einen Angriff auf eine solche Verteidigungsanlage gehen Militärs davon aus, dass die angreifende Seite etwa vier mal mehr Soldaten und Ausrüstung braucht als die verteidigende Seite. Derzeit befinden sich aber 48 ukrainische und 68 russische Bataillone im Kessel von Donbas. Heißt: Die 68 russischen Bataillone sind deutlich zu schwach. Russland bräuchte eher 192, um im Stellungskrieg Erfolge zu erzielen. Deshalb: Die Ukraine ist militärisch derzeit überlegen.

2. Die Zeit
Die russische Arme hatte offen angekündigt, die Kräfte bei Kyjiw abzuziehen und im Osten zu versammeln. Die Ukraine hatte durch diese Information die Möglichkeit, sich auf den Angriff im Osten vorzubereiten. Ein Überraschungsangriff ist nicht mehr möglich gewesen. Das stärkt vor allem die verteidigende Seite. Die ukrainische Armee hat ihre Verteidigungslinien, die sie seit 2014 immer weiter ausbaut, nochmals verstärken können. Auch die Waffenlieferungen aus dem Westen sind innerhalb dieser Zeit an die Front gelangt.

3. Das Gelände
Das Gelände im Donbas ist nicht frei von Hindernissen. Wälder und Flüsse machen es der russischen Seite schwer, ihre Angriffe an einer beliebigen Stelle durchzuführen. Zudem ist während des Krieges immer wieder ersichtlich geworden, dass das russische Kommando mit dem Gelände deutlich weniger vertraut ist, als angenommen.

4. Panzerabwehrwaffen
Der ukrainischen Armee fehlt es eigentlich an schwerem Gerät, um dem Angriff standzuhalten. Nach vorangehendem Artilleriefeuer setzt die russische Armee Panzer und Infanterie ein, um eine Stellung zu erobern. Das gelingt vor allem deshalb nicht, weil die Ukraine ihre fehlenden Panzer mit effektiven Panzerabwehrraketen kompensieren konnte. Die vielen aus dem Westen gelieferten Javelin-Raketen gelten als eine der modernsten Panzerabwehrraketen der Welt. Sie können auch über eine große Distanz ihr Ziel treffen und sind bis jetzt technisch betrachtet der Hauptgrund, warum Russland seine Panzerüberlegenheit nicht ausspielen kann.

5. Information
Russland hat im Donbas die Lufthoheit. Das ist eigentlich ein entscheidender Vorteil. Dennoch gelingt es der ukrainischen Armee immer wieder, russische Drohnen abzuschießen. Drohnen sind besonders deshalb wichtig, weil sie der Artillerie zeigen, wo sich gegnerische Einheiten befinden. So scheint bisher die Lufthoheit der russischen Seite keine besonderen Vorteile zu bringen.

Fazit
Derzeit spricht alles gegen eine Einkesselung des Donbas, jedenfalls solange, bis Russland keine Massenvernichtungswaffen einsetzt oder die Generalmobilmachung ausruft. Die russische Seite wird mit den derzeitigen Kräften scheitern. Genau in dieser Region gab es im Zweiten Weltkrieg schon mal einen Versuch der Einkesselung. Damals versuchte die deutsche Wehrmacht, die rote Armee einzukesseln und scheiterte an fast genau den gleichen Gründen, wegen denen auch die russische Armee scheitern wird. Zu wenig Soldaten, zu wenig Ausrüstung, zu wenig Wissen über das schwierige Gelände im Donbas.

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Footnotes

  1. Markus Reisner/Österreichs Bundesheer: „Krieg in der Ukraine: Die Schlacht um den Donbass“, auf:  youtube.com (6.5.2022).

Authors

ist einsprachig in Wusterhusen bei Lubmin in der Nähe von Spandowerhagen aufgewachsen, studierte Politikwissenschaft und gründete während seines Studiums das KATAPULT-Magazin.

Aktuell pausiert er erfolgreich eine Promotion im Bereich der Politischen Theorie zum Thema »Die Theorie der radikalen Demokratie und die Potentiale ihrer Instrumentalisierung durch Rechtspopulisten«.

Veröffentlichungen:

Die Redaktion (Roman)

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