Aljaksandr Lukaschenka wurde am 9. August 2020 zum sechsten Mal zum Präsidenten gewählt. Er regiert seit 26 Jahren “die letzte Diktatur Europas”. Schon bei den letzten Wahlen wurde ihm Wahlfälschung vorgeworfen. Jetzt hat er es etwas übertrieben: 80,2 Prozent der Stimmen zu erhalten ist völlig unrealistisch. Zwar war der Zulauf groß, teilweise bildeten sich lange Schlangen vor den Wahlurnen. Allerdings beklagten viele, nicht bis zur Wahlurne durchgekommen zu sein. Auch seien teilweise zu wenig Stimmzettel verfügbar gewesen. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag, dass Mindeststandards für demokratische Wahlen nicht eingehalten worden seien. Russland und China gratulierten zum Wahlergebnis. Swetlana Tichanowskaja war die einzige zugelassene oppositionelle Gegenkandidatin. Ihr wurden ernstzunehmende Chancen auf den Wahlsieg zugerechnet. Lukaschenka hat ihr im Wahlkampf vorgeworfen, aus dem Ausland fremdgesteuert zu sein. Insgesamt sind fünf Kandidaten bei der Wahl angetreten. Vier davon wurden jedoch erst gar nicht zur Wahl zugelassen und verhaftet. Darunter auch Tichanowskajas Ehemann Sergej Tichanowski. Er ist ein regierungskritischer Blogger und sitzt seit Mai in Untersuchungshaft. Tichanowskaja soll in einigen Wahllokalen Lukaschenka überlegen gewesen sein. Sie befindet sich seit Dienstag in Litauen - freiwillig, wie sie selbst beteuert, auf Druck der Weißrussischen Behörden, wie ihr eigenes Wahlkampfteam sagt. Als Protest gegen die Wahlfälschungen gehen seit Sonntag bis zu 100.000 Demonstrierende im ganzen Land auf die Straße. Sie werden brutal von der Polizei niedergeschlagen - mit Wasserwerfern, Gummigeschossen, Blendgranaten,Tränengas. Bilder und Videos auf sozialen Netzwerken zeigen Menschen mit blutüberströmten Gesichtern. Mindestens ein Demonstrant kam ums Leben. In seiner Hand soll ein Sprengsatz explodiert sein, den er auf die Polizei werfen wollte - so lautet zumindest die offizielle Erklärung der Regierung. Mehr als 6.000 Menschen sind bislang festgenommen worden. Lukaschenka muss mit Protesten gerechnet haben: Am Wahltag rollten Kolonnen von Militärfahrzeugen und Polizei durch Minsks Straßen. Vor dem Regierungsgebäude sind Absperrgitter aufgestellt worden.Landesweit ging das Internet zeitweise nicht - eine beliebte Taktik autokratischer Regime, um die Verbreitung von Informationen zu behindern. Einige Korrespondenten sind verhaftet worden. Auch Mitarbeiter von Mitstreiterin Tichanowskaja sind festgenommen worden. Lukaschenka drohte, dass er einen “Maidan”, also einen erfolgreichen Aufstand wie in der Ukraine 2014, nicht zulassen werde. Und wie geht es weiter? Ein Ende der Ausschreitungen ist derzeit nicht in Sicht. (Stand 12.8.2020) Lukaschenka ist zu keinen Kompromissen bereit und lässt die Sicherheitskräfte weiter hart durchgreifen. Es ist bereits die dritte Nacht voller Polizeigewalt in Belarus. Die Straßen sind verbarrikadiert, die Polizei greift härter ein als die Tage zuvor, berichten Augenzeugen. Im Süden des Landes sollen Schusswaffen zum Einsatz gekommen sein. Besonders brutal ging die Polizei in der Nacht auf Mittwoch auch gegen Journalistinnen und Fotografinnen vor. Kameras wurden versucht zu zerstören. Die EU droht mit Sanktionen und kritisiert die »unverhältnismäßige und nicht hinnehmbare staatliche Gewalt gegen friedliche Demonstranten«. Sie fordert zudem eine sofortige Freilassung der Inhaftierten. Das Außenministerium in Minsk wies jede Kritik von sich. Die schnellen Erklärungen der europäischen Politik seien inakzeptabel, hieß es aus dem Ministerium Lukaschenkas. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abonnements. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr. KATAPULT abonnieren