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Verhütung

Sterilisation schlägt Kondom

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In weiten Teilen der Welt ist Verhütung beim Sex noch immer Frauensache. Nur in sehr wenigen Staaten werden mehrheitlich Verhütungsmittel für den Mann verwendet. 2019 war die weibliche Sterilisation die weltweit verbreitetste moderne Verhütungsmethode - die Vereinten Nationen schätzen, dass rund ein Viertel der verhütenden Frauen zwischen 15 und 49 Jahren auf diese Methode zurückgriffen. Neben der Sterilisation sind die Spirale und die Pille die weltweit am häufigsten genutzten Verhütungsmittel für Frauen.

Dass die Sterilisation einen derart großen Anteil ausmacht, ist teilweise auf zahlenmäßig gewichtige Fälle wie China zurückzuführen. Bis 2015 verordnete die chinesische Regierung eine Ein-Kind-Politik. Frauen sollten also nicht mehr als ein Kind gebären. Der Grund? Die politische Führung fürchtete ein zu schnelles Bevölkerungswachstum. Um dem entgegenzuwirken, setzte Peking in Teilen des Landes unter anderem auf Sterilisationsskampagnen.

Die mit Abstand am weitesten verbreitete Verhütungsmethode für Männer ist das Kondom. Vor allem in Europa und Nordamerika sowie im asiatischen und südostasiatischen Raum wird es oft verwendet. Im Unterschied zu anderen Verhütungsmethoden schützt das Kondom nicht nur vor ungewollten Schwangerschaften. Es beugt auch der sexuellen Übertragung von Krankheiten vor.

Ungleicher Zugang zu Verhütungsmitteln

Wie viele Menschen in einem Land verhüten, ist weltweit sehr unterschiedlich. Der Anteil verhütender Frauen zwischen 15 und 49 Jahren liegt in Nordamerika und Europa bei knapp 60 Prozent. In weiten Teilen Afrikas beträgt der entsprechende Wert nicht einmal 30 Prozent. Einigermaßen absurd: Im Bericht der Vereinten Nationen wird für die Berechnung des Anteil verhütender Frauen auch das Kondom und die männliche Sterilisationen einbezogen. Streng genommen liegt der Wert also um rund ein Fünftel niedriger. In vielen Fällen ist Verhütung für beide Geschlechter jedoch nicht ausschließlich eine Frage des persönlichen Wollens.

Schätzungen zufolge haben weltweit zehn Prozent der Frauen keinen Zugang zu modernen Verhütungsmitteln. Und auch wenn in Teilen des östlichen und südlichen Afrikas die Bereitstellungsquoten erhöht werden konnten, kann mit Blick auf die ärmsten Regionen in West- und Zentralafrika von flächendeckender Versorgung keine Rede sein. In manchen Staaten können lediglich 33 Prozent der betroffenen Frauen mit modernen Verhütungsmitteln versorgt werden. Für Hilfsorganisationen hat sich die Situation in den letzten Jahren verschlechtert. Unter Präsident Donald Trump stellten die USA alle Zahlungen an Einrichtungen ein, die im Ausland im Bereich Schwangerschaftsberatung und -abbruch tätig waren. Diese Organisationen sind in vielen Fällen auch in Sachen Aufklärung und der Bereitstellung von Verhütungsmitteln aktiv.

Problemfall Polen

Auch in Europa ist der Zugang zu Verhütungsmitteln nicht überall zufriedenstellend. Dass etwa Belarus und Polen zu den wenigen Staaten gehören, in denen der Mann die Hauptlast der Verhütung trägt, ist kein Ausweis für die Fortschrittlichkeit der dort lebenden Männer. Es ist vielmehr auf den mangelhaften Zugang zu modernen Verhütungsmethoden für Frauen zurückzuführen. Darüber hinaus ist die Verhütung in Teilen dieser Länder vor allem aus religiösen Gründen nach wie vor verpönt. Der Schutz des (ungeborenen) Lebens wird in konservativen Kreisen als wichtiger erachtet als das Recht auf Selbstbestimmung für Frauen. Für Letztere macht es das noch schwieriger, an verschreibungspflichtige Verhütungsmittel zu kommen.

Polen hat in den vergangenen vier Jahren hinsichtlich der Verfügbarkeit von und der öffentlich zugänglichen Information zu modernen Verhütungsmethoden Rückschritte gemacht. Und das als einziger Staat in Europa. Auch in der Slowakei, der Tschechischen Republik, Ungarn und Litauen sind die Zustände problematisch. Zum einen ist dort für viele Menschen die Verfügbarkeit moderner Verhütungsmittel aus finanziellen Gründen nicht gegegeben. Zum anderen werden die Informationen zu Verhütungsmethoden und Bezugsmöglichkeiten nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung gestellt. Hierunter leiden vor allem die verwundbarsten Bevölkerungsgruppen, etwa Arbeitslose. In Polen beispielsweise werden diese in Sachen Verhütung finanziell nicht unterstützt. Darüber hinaus ist die Notfallverhütung, die Pille danach ohne Verschreibung nicht erhältlich.

Am besten ist die Versorgungs- und Informationslage in Belgien, Frankreich und Großbritannien. Dort werden Aufklärungs- und Informationskampagnen mit öffentlichen Geldern unterstützt und der Zugang zu modernen Verhütungsmitteln für die gesamte Bevölkerung erleichtert.

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Footnotes

  1. Seager, Joni: Der Frauen Atlas. Ungleichheit verstehen: 164 Infografiken und Karten. München 2020, S. 63.
  2. United Nations. Department of Economic and Social Affairs, Population Division (Hg.): Contraceptive Use by Method 2019. Data Booklet. New York 2019, S. 3.
  3. Lietsch, Jutta: Sterilisation nach Plansoll, auf: taz.de (20.4.2010); Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Vor 5 Jahren: Ende der Ein-Kind-Politik in China, auf: bpb.de (28.10.2020).
  4. United Nations. Department of Economic and Social Affairs, Population Division (Hg.): Contraceptive Use by Method 2019. Data Booklet. New York 2019, S. 3.
  5. Ebd.
  6. Ebd., S. 2. Für Männer sind vergleichbare Daten nicht verfügbar.
  7. FP2020 (Hg.): FP2020. Women at the Center. 2018-2019. Washington, D.C. 2019, S. 5; Ratcliffe, Rebecca: Millions of women still don't have access to contraceptives - report, auf: theguardian.com (12.11.2019).
  8. Blumenberg, Cauane et al.: Socio-demographic and economic inequalities in modern contraception in 11 low- and middle-income countries: an analysis of the PMA2020 surveys, auf: reproductive-health-journal.biomedcentral.com (1.6.2020).
  9. Planned Parenthood (Hg.): What Is the Global Gag Rule?, auf: plannedparenthoodaction.org (ohne Datum).
  10. European Parliamentary Forum for Sexual and Reproductive Rights (Hg.): European Contraception Policy Atlas 2020, auf: epfweb.org (ohne Datum).
  11. European Consortium for Emergency Contraception (Hg.): Poland, auf: ec-ec.org (11.2017).
  12. European Parliamentary Forum for Sexual and Reproductive Rights (Hg.): European Contraception Policy Atlas 2020. Brüssel 2020, S. 2.

Authors


Tobias Müller
geboren 1986, ist seit 2020 Redakteur bei KATAPULT. Er hat Politikwissenschaft und Geschichte in Freiburg und Greifswald studiert und wurde mit einer Arbeit im Bereich politische Ideengeschichte promoviert. Zu seinen Schwerpunkten zählen die deutsche Innenpolitik sowie Zustand und Entwicklung demokratischer Regierungssysteme.

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