Funkstille am Persischen Golf – Saudi-Arabien hat die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran abgebrochen. Der Flugverkehr zwischen beiden Staaten wurde eingestellt und saudi-arabischen Staatsbürgern ist es verboten, in den Iran einzureisen. Bahrain, der Sudan und die Vereinigten Arabischen Emirate solidarisieren sich mit dem saudischen Königreich. Das ist vorläufige Bilanz der Hinrichtung von insgesamt 47 Menschen, unter ihnen der schiitische Geistliche Nimr Baqir al-Nimr, in verschiedenen Städten Saudi-Arabiens am vergangenen Samstag. In deren Folge kam es zu Aufständen von Schiiten, vor allem im Iran, und zu Brandanschlägen auf die saudische Botschaft in Teheran. Vorwürfe gibt es von beiden Seiten – Menschenrechte spielen dabei keine Rolle. Welche Konsequenzen zieht der Westen? Die Routine der Tagespolitik verlangt eine Positionierung angesichts der größten »Massenhinrichtung« in Saudi-Arabien seit 1980. Ein erster Impuls aus Deutschland – drei Tage nach den Exekutionen – ist die Prüfung ausstehender Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Doch die schlechte Menschenrechtslage und die hohe Zahl an Hinrichtungen in Saudi-Arabien ist seit Langem bekannt: 2014 lag das Königreich weltweit auf dem dritten Platz in der Liste der Länder, die die Todesstrafe vollzogen (mind. 90 Exekutionen). Davor lagen nur China (geschätzt werden tausende) und der Iran (mind. 289). Sowohl Saudi-Arabien (102) als auch der Iran (694) haben diese Zahlen bereits im ersten Halbjahr 2015 übertroffen. Download Graphic Das Einzige, das die Heftigkeit dieser Zahlen dann noch einmal übertrifft, ist die Tatsache, dass sowohl China als auch Saudi-Arabien dem UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) angehören – und zwar seit dessen Gründung im Jahre 2006 (jeweils mit Ausnahme des Jahres 2013) und auch noch bis Ende 2016. Dabei hatte der Rat bei seiner Einrichtung beschlossen, dass seine »Mitglieder den höchsten Ansprüchen auf dem Gebiet der Förderung und des Schutzes der Menschenrechte gerecht werden müssen«. Auch wurden weder Saudi-Arabien noch China seit 2006 vom UNHRC wegen einer Menschenrechtsverletzung verurteilt. Menschenrechtsrat mit fragwürdigen Maßstäben Dementsprechend steht der UNHRC schon lange in der Kritik – wurde er doch gegründet, um den Ruf der Vereinten Nationen angesichts der Defizite der Menschenrechtskommission, der Vorgängerinstitution des Rats, wiederherzustellen. Bemängelt wird so einerseits die Zusammensetzung eines Menschenrechtsrats, der in der Mehrheit aus Autokratien besteht. Dem entgegnet Joachim Rücker, ehemaliger Präsident des Rats: »[W]as wäre denn, wenn wir uns auf internationaler Ebene ausschließlich mit anderen westlichen Demokratien über Menschenrechte unterhalten würden?« Schon allein, weil Demokratien in der Minderheit seien, hätten sie keine Entscheidungsmehrheit. Andererseits können auch die Urteile des UNHRC hinterfragt werden. Kritik an seinen Mitgliedsstaaten ist selten und scheint als »unzulässige Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten« gehalten zu werden. In der Folge kommt es zu Kompromissen zugunsten eines Konsens – jedoch auf Kosten der Menschenrechte. Das macht den Einfluss des UNHRC fragwürdig. Auch die Bundesrepublik lässt eine konsequente Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen vermissen. Stattdessen werden immer wieder Rüstungsexporte an Länder wie Saudi-Arabien genehmigt.