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Italien

Rechts wie nie?

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Nach dem Erfolg der rechtspopulistischen Schwedendemokraten bei den schwedischen Parlamentswahlen zeichnet sich demnach eine weitere europaskeptische bis -feindliche Regierung in einem EU-Mitgliedstaat ab. Zwar heißt es aus den Reihen der FdI, dass sie als europäischer Partner agieren wolle. Vom Vorrang des europäischen gegenüber dem nationalen Recht hält sie aber beispielsweise nichts. Für die Europäische Union würde eine FdI-Regierung mit großer Wahrscheinlichkeit neue Probleme mit sich bringen.

Die zentrale Figur der FdI ist die Spitzenkandidatin und Vorsitzende Giorgia Meloni. Meloni hat in den vergangenen Jahren versucht, sich gemäßigter zu geben, eine Strategie, die auch andere rechte Politiker:innen in Europa erfolgreich angewendet haben, etwa Marine Le Pen in Frankreich. Gleichzeitig  verfasste sie noch 2019 antisemitische Tweets und bezieht sich regelmäßig auf rechtsextreme Verschwörungsideologien, beispielsweise auf die These vom „großen Austausch“. Die besagt unter anderem, dass sich eine globale Elite verschworen habe, um einheimische Arbeitskräfte durch Migrant:innen zu ersetzen. Zivilgesellschaftliche Missionen zur Rettung Geflüchteter im Mittelmeer will sie ebenso verbieten wie sozialstaatliche Leistungen für Eingewanderte reduziert werden sollen. Nach Meinung des Politikwissenschaftlers Giovanni Orsina wäre eine FdI-Regierung die „am weitesten rechts außen stehende Regierung der [italienischen] Nachkriegszeit."

Die Rechte regiert, die Linke findet sich selbst

Die Regierungsbildung zwischen FdI und den anderen Parteien des rechten Blocks - Silvio Berlusconis Forza Italia und Matteo Salvinis Lega - könnte jedoch schwierig werden. So haben FI und Lega kostspielige Wahlgeschenke versprochen, etwa die Verdopplung der Mindestrente und eine Einheitssteuer von 15 Prozent. Die FdI pocht jedoch auf einen ausgeglichenen Haushalt. Trotz dieser Differenzen rechnet das politische Italien damit, eine rechte Regierung zu bekommen.

Das hat auch mit der Zersplitterung der Linken zu tun. Deren Zentrum bildet die sozialdemokratische PD. Links der PD findet sich ein Bündnis aus Grünen und Linkspartei (Allianza Verdi e Sinistra), rechts - zumindest mit Blick auf die Sozial- und Wirtschaftspolitik - die europafreundliche Più Europa. Ursprünglich gehörte dem Mitte-links-Block auch die Kleinstpartei Azione an, die aber nach internen Streitigkeiten aus dem Bündnis ausschied. Die Umfragen sehen das Mitte-links-Bündnis deutlich hinter dem rechten Block.

Von drei Polen zum Kampf der zwei Blöcke

Profitieren könnte die Linke von einer Eingliederung der Fünf Sterne-Bewegung. Diese liegt in den Umfragen mit 13 Prozent der Stimmen auf Platz 3 und hat sich in den vergangenen Jahren von ihrer einstigen Position jenseits von links und rechts verabschiedet und einen klaren Linksruck vollzogen. Teil des Mitte-links-Blocks ist die Partei trotzdem nicht geworden. Das liegt an der Weigerung der Fünf Sterne, die Einheitsregierung Mario Draghis zu stützen. Als Draghi im Sommer 2022 die Vertrauensfrage stellte, enthielten sich die Fünf Sterne. Die Neuwahlen sind eine Folge dieses Verhaltens, das die PD den Fünf Sternen nach wie vor übel nimmt. 

Während die Linke also uneins ist, dürfte die Rechte die nächste Regierung stellen und Giorgia Meloni in wenigen Wochen als Ministerpräsidentin vereidigt werden. Ein anderes Europa dürfte sie dann zwar trotz der Unterstützung aus Ländern wie Polen und Ungarn nicht errichten können. Italien könnte sich aber drastisch wandeln. Erst kürzlich wetterte Meloni gegen Abtreibungen und die LGBTQ-Gemeinschaft - und entschuldigte sich wenig später. Wie aufrichtig diese Entschuldigung gemeint war, werden die kommenden Monate zeigen.

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Footnotes

  1. Ventura, Sofia; Braun, Michael: “Sie strebt den Umbau rückwärts an”, auf: taz.de (18.9.2022).
  2. Wesel, Barbara: Marine Le Pen - die “entgiftete” Kandidatin, auf: dw.com (23.4.2022).
  3. Affaticati, Andrea: Was, wenn in Italien die Rechten regieren?, auf: n-tv.de (1.8.2022).
  4. Straub, Dominik: Ist Giorgia Meloni eine Faschistin? Die Chefin der rechtsextremen Fratelli d'Italia versetzt Teile Italiens in Angst, auf: tagesspiegel.de (28.8.2022).
  5. Apetz, Andreas: Rechtsruck in Italien: Giorgia Meloni kurz vor Machtübernahme – Europa in Sorge, auf fr.de (16.9.2022).
  6. Politico (Hg.): Italy - 2022 General Election, auf: politico.eu (9.9.2022); Ignazi, Piero: Die italienische Linke auf dem Weg zur Wahl. Rom 2022, S. 1.
  7. Straub, Dominik: Giorgia Meloni und ihr Problem mit den Frauen, auf: derstandard.de (12.9.2022); Meiler, Oliver: Was bedeutet das "Frausein" der Giorgia Meloni?, auf: sueddeutsche.de (20.9.2022).

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Tobias Müller
geboren 1986, ist seit 2020 Redakteur bei KATAPULT. Er hat Politikwissenschaft und Geschichte in Freiburg und Greifswald studiert und wurde mit einer Arbeit im Bereich politische Ideengeschichte promoviert. Zu seinen Schwerpunkten zählen die deutsche Innenpolitik sowie Zustand und Entwicklung demokratischer Regierungssysteme.

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