Die Unabhängigkeit der Justiz in Polen und Ungarn ist bedroht. Laut dem Rule of Law Index, den das World Justice Project jährlich herausgibt, nimmt die Politik dort zu viel Einfluss auf das Justizwesen. Der Index bildet ab, wie es um die Rechtsstaatlichkeit in den untersuchten Ländern bestellt ist. Für das Jahr 2021 analysierten die Forscher:innen insgesamt 139 Staaten.
Die besten Bewertungen erhielten die skandinavischen Länder. Dänemark, Norwegen, Finnland und Schweden belegen die ersten vier Plätze des Rankings. Auf dem fünften Rang folgt Deutschland. Unterdurchschnittlich sind Polen und Ungarn. Angesichts der autoritären Populisten, die in beiden Staaten seit Jahren Erfolge feiern, ist vor allem die schwindende Unabhängigkeit der Justiz bedenklich.
Der Index basiert auf zwei Grundlagen. Zum einen wurden Fachleute aus Wissenschaft und der juristischen Praxis befragt. Zum anderen nahmen die Forscher:innen aber auch die Perspektive gewöhnlicher Bürger:innen ein. So befragten sie repräsentative Stichproben von 1.000 Personen in jedem untersuchten Land. Hiermit möchte das World Justice Project sicherstellen, dass nicht lediglich wohlklingende Gesetzestexte in die Analyse eingehen, sondern auch die praktischen Erfahrungen der Menschen.
In die Befragung eingegangen sind acht Themenfelder, beispielsweise Grundrechte, Korruption und Beschränkung der Regierungsgewalt.
Polen und Ungarn gegen den Rest Europas
Diese sind in Polen und Ungarn offensichtlich nicht sonderlich gut. Die dortige Qualität des Rechtsstaats beschäftigt seit Jahren auch die Europäische Union. Mit Sanktionen gegen Warschau und Budapest tat sich die EU bislang aber schwer. Das liegt auch daran, dass auf europäischer Ebene Vieles einstimmig entschieden werden muss. Das ermöglichte es Ungarn und Polen, sich gegenseitig zu schützen. Sollten etwa Sanktionen gegen Polen verhängt werden, legte Ungarn sein Veto ein – und umgekehrt.
Nun hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs den Weg für einen strengeren Umgang mit den zunehmend autoritär regierten Staaten bereitet. In Zukunft kann die Europäische Kommission ein Verfahren in Gang setzen, um Verletzungen rechtsstaatlicher Prinzipien zu ahnden. Wenn die Verletzung einen direkten Einfluss auf die Verwendung von EU-Geldern hat, können die Zahlungen ausgesetzt werden. Dazu stimmt der Europäische Rat ab. Statt Einstimmigkeit reicht fortan aber schon eine einfache Mehrheit und die Unterstützung des Europäischen Parlaments, um die Sanktionen anzunehmen. Doch selbst wenn die Kommission den Meachanismus in Gang setzen sollte, würden bis zu einem endgültigen Beschluss noch Monate vergehen.
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