Studie: “The Medium and the Backlash: The Disparagement of the #metoo Movement in Online Public Discourse in South Korea” von Soo Young Bae, Taegyun Kim, Yu-I Ha, Meeyoung (Januar 2021) Unter dem Hashtag #MeToo twitterten Frauen im Jahr 2017 weltweit ihre Erfahrungen mit Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen. Als eine südkoreanische Staatsanwältin öffentlich von Übergriffen ihres Chefs berichtete, verbreitete sich der Hashtag auch in Südkorea. Einige prominente und einflussreiche Männer, darunter auch ein hochrangiger Politiker, traten infolgedessen von ihren Positionen zurück. #MeToo löste dort aber noch eine zusätzliche Debatte über die vorherrschenden patriarchalen Strukturen in der Arbeitswelt aus. Die anfängliche Solidarität und Unterstützung für die Opfer waren groß. Trotzdem passierte: nichts. Dafür sorgte vor allem die ablehnende und überhandnehmende Meinung auf Onlineplattformen, wie Forschende in einer Studie belegen konnten. In einer Studie wollten die Forschenden herausfinden, wie sich bestimmte “Frames”, also Muster von Meinungen, auf Twitter, in Onlinekommentarspalten und Artikeln traditioneller Medien unterschieden und wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelten. Dazu untersuchten sie über 23.000 Onlineartikel von Nachrichtenunternehmen, mehr als 1,5 Millionen Onlinekommentare und über eine halbe Million Tweets von Januar bis März 2018. Damals hatte #MeToo in Südkorea die größte Reichweite. Fünf Frames herrschten vor: Unterstützung für #MeToo, Verunglimpfung der Opfer, politische Auseinandersetzung, Forderung einer Verurteilung der Täter und Opferrolle. Als unterstützende Aussage galt etwa, wenn jemand die Worte “Mitgefühl”, “Zustimmung” oder “Partizipation” verwendete. Als ablehnende Haltung wurde gewertet, wenn beispielsweise die Worte “nur aufs Geld aus” oder “Verschwörung” genutzt wurden. Überraschenderweise sympathisierten auf den Onlineplattformen zunehmend mehr Menschen mit den Tätern. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch den Suizid eines bekannten südkoreanischen Schauspielers. Dieser war von mehreren Frauen beschuldigt worden, gegen sie sexuell übergriffig geworden zu sein. Für den Meinungswandel in Richtung einer Verunglimpfung der Opfer machen die Forschenden zwei Gründe aus. Zum einen führe die Anonymität in den Sozialen Medien dazu, dass die soziale Erwünschtheit bei Wortmeldungen an Bedeutung verliert, Menschen also eher ihre tatsächliche Meinung äußern. Zweitens fehlten auf den Onlineplattformen Filtermechanismen. Dies mache es einfacher, Erzählungen zu etablieren, die von der ursprünglichen Mehrheitsmeinung abweichen. #MeToo sollte auf sexualisierte Gewalt aufmerksam machen und deren Opfern eine Stimme geben. Durch ihre Verunglimpfung geschieht genau das Gegenteil. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abonnements. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr. KATAPULT abonnieren