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Antisemitismus

Ken Jebsen will Medien zum Schweigen bringen

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Ken Jebsen ist empört, wenn ihn jemand als Antisemiten bezeichnet. So empört, dass seine Anwälte automatisch gegen jeden juristisch vorgehen sollen, der behauptet, er habe seine Moderatorenstelle beim RBB im Zusammenhang mit Antisemitismusvorwürfen verloren. Das ist zwar korrekt, aber Jebsen möchte nicht, dass es jemand erfährt – oder zumindest ungehindert die Wahrheit sagen kann.

Sein Rauswurf beim RBB ist inzwischen fast ein Jahrzehnt her. Seitdem hat sich Jebsen vom Moderator zum einflussreichen Onlinepublizisten entwickelt. Er war 2014 und 2015 eine prägende Figur der »Montagsmahnwachen« und ist nun einer der Stichwortgeber der Corona-Proteste. Sein Format »KenFM« auf Youtube haben etwa eine halbe Million Nutzer abonniert. Eine Zeit lang galt es als ambitionierter Kanal mit unkonventionellen Perspektiven. Doch immer wieder stand Jebsen in der Kritik, weniger Journalismus als Meinungsmache zu betreiben und auch Populisten unkritisch ein Forum zu bieten. Inzwischen hat der Anteil an Halbwahrheiten und Verschwörungsmythen ein unübersehbares Ausmaß angenommen.

So auch während der Corona-Pandemie, wo Jebsen unter anderem die These verbreitet, Bill und Melinda Gates hätten mit ihrer Stiftung Medien und die WHO abhängig gemacht und die deutsche Politik »gekapert«. Faktenchecks widerlegen seine Behauptungen. Doch nicht nur das. Jebsen setzt in einem Video die Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Corona-Bekämpfung mit der diktatorischen Verwandlung der Weimarer Republik zum NS-Staat gleich. Er suggeriert eine Ähnlichkeit der Behandlung der Bevölkerung durch die Nationalsozialisten mit der durch die Regierung Merkel. Und er zieht Parallelen zwischen dem Befolgen der Corona-Maßnahmen und dem Schweigen der Großelterngeneration zu den Deportationen von Juden: »Und wenn ihr euch auch die Frage gestellt habt, wie hat sich das denn angefühlt: Das war so wie jetzt. Genau so.«

NS-Vergleiche zogen zuletzt viele, um ihren populistischen Warnungen vor einer »Corona-Diktatur« Nachdruck zu verleihen. Nicht bei allen aber ist der Bezug auf Nationalsozialismus, Holocaust und Juden so explizit und beständig wie bei Jebsen.

Wissenschaftler belegen Jebsens Antisemitismus

Der Holocaust als Vorlage für aktuelle Politik. Die USA von kriegslüsternen »Zionisten« zu Kriegen getrieben. Jüdische Investoren, die mit Kinderleichen Profit machen wollen. – Videos von Ken Jebsen beinhalten immer wieder Behauptungen wie diese.

Ist das, was er da behauptet, antisemitisch? Jebsen bestreitet das. Forscher beantworten die Frage hingegen ganz klar mit ja. So etwa Felix Schilk, Soziologe der Technischen Universität Dresden, im Gespräch mit KATAPULT. Er urteilt, dass Jebsen in der Vergangenheit immer wieder Gebrauch von antisemitischen Stereotypen und Verschwörungserzählungen gemacht habe. Zum Beispiel beim Thema Abtreibung. In einem Video aus dem Jahr 2017 vermutete Jebsen, die Proteste des weltweiten »Women’s March« gegen die frauenfeindlichen Äußerungen Donald Trumps seien vom jüdischstämmigen Investor George Soros mitgelenkt worden. Ihm gehörende Firmen verdienten angeblich mit dem Verkauf toter Embryonen an die Pharmaindustrie Geld.

Mit solchen Behauptungen ist Jebsen nicht allein. Gerade Soros ist eine Schlüsselfigur aktueller antisemitischer Erzählungen. Legenden um seine angeblichen finsteren Machenschaften finden sich in zahlreichen einschlägigen Internetforen und Blogs, weil er progressive Organisationen unterstützt, die sich für liberale Anliegen einsetzen. Sogar Staatschefs instrumentalisieren Soros, um politische Ziele durchzusetzen. Der autoritäre ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat ganze Kampagnen auf Zerrbildern des jüdischen Finanzinvestors aufgebaut. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan erklärte im Hinblick auf die Aktivitäten von Oppositionellen: »Und wer steht dahinter? Der berühmte ungarische Jude Soros.« Auch auf »Fox News« und in den engsten Kreisen um Donald Trump ist der Milliardär als steter Antagonist präsent. Und russische Staatspropagandamedien wie »Russia Today« streuen regelmäßig neue Thesen über Soros.

Komplexität reduzieren und Schuldige finden

Immer wieder Soros. Einigen Menschen, die jene Behauptungen über die sozialen Medien weiterverbreiten, sind sich womöglich nicht bewusst, dass es sich dabei um antisemitische Stereotype handelt. Denn viele denken bei Antisemitismus zunächst an die NS-Vergangenheit und den Holocaust. Doch Judenfeindlichkeit umfasst deutlich mehr Dimensionen als den nationalsozialistischen Rassenhass und wird auch von Leuten geschürt, die den Holocaust eigentlich verurteilen. Vielmehr gibt es Motive und Mechanismen, die bereits seit Jahrhunderten Grundlage für die Diskriminierung und Verfolgung von Juden sind. Der gemeinsame Kern: Immer geht es darum, einfache Welterklärungen zu liefern, indem vermeintliche Schuldige für Probleme oder Konflikte identifiziert werden. Die eigene Ohnmacht angesichts von Katastrophen oder der Komplexität der modernen Welt wird so scheinbar erklärbar. Mit Fakten oder der Wahrheit hat das in der Regel nichts zu tun.

Jahrhundertelang kursierte beispielsweise die Geschichte von Juden als vermeintlichen Brunnenvergiftern, die Seuchen auslösen würden. Zur Zeit der Großen Pest in Europa (1347-1352) diente diese falsche Behauptung zur Legitimierung zahlreicher Pogrome und Morde – etwa in Genf, Basel, Freiburg, Straßburg, Speyer, Worms, Mainz, Koblenz, Köln, Brüssel oder Trier. Ganze Gemeinden wurden ausgelöscht. Weitere Narrative haben ebenfalls eine lange Historie: Juden als Ritualmörder, die Kinder töten; als sogenannte Wucherer, die Christen finanziell ausbeuten wollen; oder als heimliche Weltherrscher, die für alle möglichen Katastrophen verantwortlich gemacht werden.

Ihre moderne Variante finden diese Anfeindungen in den Erzählungen angeblicher Weltverschwörungen oder der vermeintlichen Unterwanderung von UNO, US-Regierung oder internationalem Bankensystem durch Juden. Der Inhalt der Erzählung ist anders, der Mechanismus jedoch der gleiche: Eine kleine, abweichende Minderheit schade absichtlich und auf geheimen Wegen der Mehrheit, um selbst zu profitieren.

Nicht immer sprechen Populisten direkt von Juden, sondern finden andere Formulierungen – eine Art »Umwegkommunikation«. So verwendet auch Jebsen vorwiegend Begriffe wie »Zionisten« oder »Personen mit jüdischen Roots«. Diese Art, historisch etablierte Erzählungen zu nutzen, ohne Juden unmittelbar zu nennen, diskutiert die Forschung unter dem Begriff »Kommunikationslatenz« oder gelegentlich auch »struktureller Antisemitismus«. Bilder, Personen oder Berufsgruppen, die mit vermeintlich typischen Eigenschaften oder antijüdischen Hintergründen aufgeladen sind, dienen als Grundlage für Feindbilder. So schließt beispielsweise die Erzählung einer geheimen, internationalen Finanzelite unmittelbar an das Zerrbild des »Geldjuden« der Vergangenheit an. Namen wie Rothschild oder George Soros funktionieren dabei als Chiffre, selbst wenn die Zuordnung zum Judentum nicht explizit auftaucht.

Judenfeindliche Erzählungen funktionieren als Zweifel, nicht als Wahrheit

Ähnliche Erklärungsmuster bezieht Jebsen auch auf die militärischen Engagements der USA. In einem inzwischen gelöschten Video von 2012 führt er die US-Außenpolitik unmittelbar auf die Macht einer zionistischen Lobby zurück. Diese kontrolliere die US-Medien ebenso wie Hollywood und manipuliere die Öffentlichkeit, um Kriege anzuzetteln, die – so Jebsen im Video – den USA und seinen Bürgern schadeten. Verantwortlich seien »allen voran radikale Zionisten mit US-Pass, deren Hobby Israel ist und deren Lieblingssport im Schlachten von Arabern besteht«.

Der Trick auch dieser Darstellung: Die Welt erscheint nicht komplex und krisenhaft, sondern lediglich durch das böswillige Handeln einer verschwörerischen Minderheit gefährdet. Mit den Widersprüchen von Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen, unterschiedlichen außenpolitischen Traditionen oder Bruchlinien innerhalb der Gesellschaft setze er sich nicht auseinander. Statt Analysen liefere er Sündenböcke, fasst Schilk diese Art des Denkens zusammen.

Belege für seine Thesen liefert Jebsen hingegen nicht, lediglich den Verweis auf angebliche zionistische Führungsspitzen der »Washington Post« und der »New York Times«. Doch wie andere Verschwörungsmythen auch funktionieren antisemitische Erzählungen nicht als Wahrheit, sondern als Zweifel. Dabei ist weniger relevant, dass die Thesen konsistent zu belegen sind, sondern dass sie an verbreitete Feindbilder und Stereotype anknüpfen können.

Verschwörungsgläubige sind gewaltbereiter

Wie populär diese Narrative auch in Deutschland immer noch sind, verdeutlichen regelmäßig Umfragen. Etwa jeder vierte Deutsche hegt antisemitische Vorurteile, wie eine Studie aus dem Jahr 2019 ergab. Der Aussage, Juden hätten zu viel Macht in der Wirtschaft, stimmten 26 Prozent der Befragten zu. Rund ein Viertel meinte außerdem, Juden hätten zu viel Einfluss in der Weltpolitik, und jeder Fünfte gab an, Juden hätten zu viel Kontrolle über die weltweite Medienlandschaft. Der Behauptung, Juden seien verantwortlich für die meisten Kriege in der Welt, stimmten in der gleichen Befragung zwölf Prozent der Teilnehmer zu.

Einige Forscher und Institutionen warnen, dass antisemitische Straftaten sowie Anfeindungen in der Bundesrepublik wieder zunähmen. Das Internet wirkt dabei als Brandbeschleuniger, wie die Linguistin Monika Schwarz-Friesel zeigt: Im Elfjahresvergleich zwischen 2007 und 2017 stellt sie etwa in den Kommentarbereichen von Onlinequalitätsmedien eine erhebliche Zunahme des Anteils antisemitischer Äußerungen fest. Zugleich hätten sich diese radikalisiert. So belegen ihre Daten eine Verdopplung von NS-Vergleichen, Gewaltfantasien und entmenschlichenden Sprachbildern (»Pest«, »Krebs«, »Unrat«) seit 2009. Die Wissenschaftlerin der TU Berlin warnt vor einer Enttabuisierung drastischer Antisemitismen. Außerdem untersuchte sie Tausende Zuschriften an den Zentralrat der Juden und die israelische Botschaft in Berlin. Schwarz-Friesel urteilt, dass das Problem weder eine Frage der Bildung noch der Gesellschaftsschicht sei: »Es zeigt sich, dass trotz aller Aufklärungsarbeit nach dem Holocaust immer noch seit Jahrhunderten tradierte judeophobe Sprach- und Argumentationsmuster reproduziert werden – und zwar gesamtgesellschaftlich in allen sozialen Schichten und politischen Gruppierungen der Bevölkerung.«

Der Weg zur Gewalt ist bei Anhängern antisemitischer Verschwörungsmythen nicht lang: Wer sich in einem Kampf gegen eine finstere, auf Vernichtung gesinnte Macht wähnt, der kann eine Bereitschaft zu drastischen Gewalttaten entwickeln. Stephan B. versuchte an Jom Kippur 2019, eine Synagoge in Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Er glaubt an eine jüdische Weltverschwörung. Ende 2018 erschoss ein Terrorist elf Menschen in der Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh und verletzte sechs weitere. Auch bei ihm bildeten antisemitische Überzeugungen den Hintergrund. Wer eine sogenannte Verschwörungsmentalität aufweist, neigt eher zu Gewaltbereitschaft und Gewaltbilligung. Auch viele Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sind unter Verschwörungsgläubigen häufiger vorhanden – darunter natürlich auch israelbezogener Antisemitismus, wie die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt.

Gleichsetzung von Israel mit dem NS-Staat

Israelbezogener Antisemitismus ist auch bei Jebsen nachzuweisen, der unter anderem 2012 in einem Video den Staat Israel mit der NS-Diktatur gleichsetzte. Der israelische Staat bediene sich ihm zufolge ähnlicher Methoden, Zionismus und NS-Ideologie liefen ihrem Wesen nach auf das Gleiche hinaus. Er behauptet: »Das Volk ohne Raum, das ausgewählte Volk, agiert mittels Mossad, der sich, welche Ironie, auch mit ss schreibt, nach den Methoden der Nazis. [...] Wo ist der Unterschied in der Ideologie und dem Grundanspruch zwischen auserwähltem Volk und Herrenrasse?«

Dabei bedient sich Jebsen einer Argumentationsweise, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem in Deutschland und Österreich entwickelte, des sekundären Antisemitismus. Juden werden nicht trotz, sondern gerade wegen des Holocausts angefeindet. Das Hauptelement ist eine Täter-Opfer-Umkehr. Juden oder Israelis wird unterstellt, dass sie ihre Vergangenheit instrumentalisierten, um rücksichtslos eigene Interessen durchzusetzen.

Jebsen behauptet, Israel betreibe seit 40 Jahren einen Genozid und habe die internationale Kritik zum Schweigen gebracht. »Was Adolf Hitler während der Shoa mit den Juden nicht gelungen ist, hätten radikale Zionisten mit den Palästinensern dann erreicht: die Endlösung.« Der Nazivergleich hat dabei eine spezifische Funktion: Radikal vereinfachen, um einen klaren Schuldigen zu benennen. Jebsen und viele, die ähnlich argumentieren, suggerieren dabei, ihre Kritik an der israelischen Politik solle mit dem Vorwurf des Antisemitismus unterdrückt werden.

Doch zu fundierter Kritik gibt es entscheidende Unterschiede. Bei Jebsen fehlt eine differenzierte Argumentation, die sich gegen konkrete Akteure und Zusammenhänge richtet. Stattdessen handelt es sich um eine einseitige Schuldzuschreibung mit dämonisierenden Metaphern und teils unbewiesenen Behauptungen. Er vernachlässigt die Historie Israels ebenso wie die Sicherheitslage des Landes. Israel erscheint nicht als vielfältiger Staat mit unterschiedlichen Interessen und widerstreitenden politischen Parteien, sondern als von radikalen Zionisten beherrscht, mit dem Ziel, die Palästinenser auszurotten. Die Mitverantwortlichkeit palästinensischer Parteien wie der Hamas für die Zustände vor Ort thematisiert er in dem Video nicht. 2014 entschuldigte sich Jebsen zwar dafür, in der Vergangenheit die israelische Palästina-Politik in der Sprache des Holocausts beschrieben zu haben. Eine inhaltliche Distanzierung war das jedoch nicht, wie er selbst klarstellte.

Angstmache gegen »die da oben«

Auch für seine Beurteilung der Politik während der Corona-Pandemie nutzt er den Vergleich mit Naziverbrechen. Indem er Patienten mit KZ-Insassen oder den Lockdown mit der Zerschlagung der demokratischen Öffentlichkeit in der Weimarer Republik assoziiert, deutet er die Shoa als wiederholbares Ereignis, an dessen Umsetzung gegenwärtig schon gearbeitet werde – nur mit anderen Opfern. Wegen ähnlicher Ausführungen haben ihn Kommentatoren in der Vergangenheit mitunter als Holocaustleugner bezeichnet – auch KATAPULT. Andere sprechen in diesem Fall eher von Holocaustrelativierung. Tatsächlich ist die Verwendung beider Begriffe in der öffentlichen Debatte nicht ganz trennscharf und der Begriff des Leugners möglicherweise missverständlich, weil Jebsen nicht die Existenz des Holocausts bestreitet – er instrumentalisiert ihn vielmehr zur moralischen Überhöhung des eigenen Widerstands. Doch damit leugnet er die beispiellose historische Dimension des Holocausts und nutzt den millionenfachen industriellen Massenmord als Metapher, um seiner Position eine besondere Dramatik zu verleihen. Unaussprechliches Leid verkommt zum stilistischen Mittel.

Seine Thesen finden indes Anklang quer über politische Grundorientierungen hinweg. Das Bindeglied ist die Annahme, eine kleine, elitäre Gruppe handle gegen die Interessen eines als homogen verstandenen Volkes. Diese Frontstellung bezeichnen Medien und Forscher als Querfront.

Ein Volk ohne Interessengegensätze steht Verschwörern oder der Elite »da oben« gegenüber, so die Behauptung. Legitimes Zweifeln wird überlagert von Elitenverachtung, Untergangserzählungen und offensichtlichen Falschinformationen. Mit seiner Agitation in der Pandemie ist Jebsen nach den Montagsmahnwachen wieder stärker in den Fokus der Wahrnehmung getreten. Das Muster seiner damaligen Auftritte fasst der Berliner Antisemitismusforscher Niklas Lämmel folgendermaßen zusammen: »Grundlage der Agitation sind vage negative Emotionen der Zuhörer, die Jebsen aufgreift und zu einem kohärenten Bild radikalisiert: Die einfache Bevölkerung sei feindlichen Mächten und ihren Verschwörungen gnadenlos ausgeliefert.« Als Gegenmittel suggeriere Jebsen das gemeinsame Handeln gegen den konstruierten Feind unter seiner Anleitung. Lämmle folgert, dass »Jebsens Agitation damit bereits in ihrer Funktionsweise mit der Struktur des Antisemitismus verwandt ist und folglich immer wieder in offene Judenfeinschaft umschlägt«.

Wie sich Jebsen gegen die Wahrheit wehrt

Trotz aller Belege wehrt sich Jebsen gegen Darstellungen, die ihm antisemitische Argumente nachweisen. Auch rechtlich. Insbesondere bestreitet er, dass der RBB die Zusammenarbeit mit ihm nach antisemitischen Äußerungen beendet habe. Wer das behauptet, wird abgemahnt oder verklagt, gab Jebsen gegenüber dem Interviewportal »Planet Interview« an. Dass sich mit dieser Strategie durchaus Geld verdienen lässt, räumt er ebenfalls ein. Er führte unter anderem Rechtsstreite gegen »Spiegel Online«, die Band »Antilopen Gang« und die »taz« – allerdings erfolglos. Im Fall von KATAPULT drohten seine Anwälte mit einer Schmerzensgeldforderung von 20.000 Euro.

Die Fakten: Seiner Kündigung beim RBB 2011 ging die Veröffentlichung einer Mail an einen Hörer voraus, in der er nach Meinung von Kritikern den Holocaust relativiert und der israelischen Politik das Ausnutzen des Holocausts unterstellt hatte. Der Publizist Henryk M. Broder erhielt Kenntnis von der Mail und publizierte sie auf seinem Blog. Der RBB verständigte sich nachfolgend mit Jebsen auf gemeinsame Richtlinien zur Weiterarbeit. Da Jebsen diese brach, folgte die Trennung.

Dass dies mit Vorwürfen zu antisemitischen Äußerungen zu tun hatte, bestreitet Jebsen zwar. KATAPULT liegen jedoch Zeugenaussagen von RBB-Verantwortlichen vor, die das Gegenteil belegen. Demnach schätzte die Redaktionsleitung seine Äußerungen, anders als Jebsen behauptet, als antisemitistisch ein. Sie habe mit ihm jedoch eine Sprachregelung nach außen vereinbart, die das nicht thematisierte, um ihm eine weitere Tätigkeit als Moderator zu ermöglichen.

Auch das Urteil eines Gerichtsverfahrens, mit dem Jebsen die mediale Berichterstattung darüber unterdrücken wollte und das KATAPULT vorliegt, bestätigt: Zwischen Antisemitismusvorwürfen und der Beendigung der Zusammenarbeit mit dem RBB kann von einem kausalen Zusammenhang gesprochen werden.

Dennoch versucht Jebsen weiter, Medien und Blogs zum Schweigen zu bringen, die fehlende Klarheit des RBB in dieser Angelegenheit hilft ihm dabei. Jebsen spekuliert darauf, dass Journalisten und Zeitungen nur eine begrenzte »Kriegskasse« hätten und sich deshalb aus finanziellen Gründen einschüchtern lassen.

KATAPULT wird das nicht tun und bietet allen Medien und Blogs seine Hilfe an, denen er verbieten will, die Wahrheit zu berichten.

Aktuelle Ausgabe

Dieser Text erschien in der 19. Ausgabe von KATAPULT. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr.

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Footnotes

  1. Editorial dieser Ausg.; Buhre, Jakob; Arab, Adrian: Die Leute sollen politisiert werden. Interview mit Ken Jebsen, auf: planet-inverview.de (6.10.2016).
  2. KenFM: Gates kapert Deutschland!, auf: youtube.com (3.5.2020), Min. 4:15, 19:43.
  3. Metzger, Nils: Warum Sie Ken Jebsen nicht vertrauen sollten, auf: zdf.de (8.5.2020).
  4. KenFM: Corona-Diktatur? Machtergreifung im Deckmantel der Volksgesundheit?, auf: youtube.com (26.3.2020), Min. 1:07.
  5. Ebd.
  6. KenFM: Me, Myself and Media 31 – Goebbels goes Global!, auf: youtube.com (26.2.2017), Min. 1:45-3:15.
  7. Plenta, Peter: Conspiracy theories as a political instrument. Utilization of anti-Soros narratives in Central Europe, in: Contemporary Politics, (26)2020.
  8. Pabst, Volker: George Soros fällt auch in der Türkei in Ungnade, auf: nzz.ch (28.11.2018).
  9. Mackey, Robert: The Plot Against George Soros Didn’t Start in Hungary. It Started on Fox News, auf: theintercept.com (23.1.2019).
  10. Koester, Elsa; Bähr, Sebastian: »Jebsen entmündigt sein Publikum«, Interview mit Felix Schilk, auf: neues-deutschland.de (17.12.2017).
  11. Jebsen hat das Video später gelöscht, sich aber inhaltlich nicht distanziert.- KenFM: Zionistischer Rassismus Opfer Guenter Grass, abrufbar auf: archive.org (9.4.2012).
  12. Koester/Bähr 2017.
  13. 1.300 Befragte (davon 300 aus der »deutschen Führungselite«) via Festnetz-, Mobiltelefon, Internet, durchgeführt vom Jüdischen Weltkongress.- Kornelius, Stefan: Jeder vierte Deutsche denkt antisemitisch, auf: sueddeutsche.de (23.10.2019).
  14. Schwarz-Friesel, Monika: Antisemitismus 2.0 und die Netzkultur des Hasses, Berlin 2018, S. 7f.
  15. Schwarz-Friesel, Monika: Aktueller Antisemitismus, auf: bpb.de (7.9.2015).
  16. O.A.: Halle-Attentäter glaubt an jüdische Weltverschwörung, auf: spiegel.de (25.10.2019).
  17. Katz, Rita: Inside the Online Cesspool of Anti-Semitism That Housed Robert Bowers, auf: politico.com (29.10.2018).
  18. Zick, Andreas; Küpper, Beate; Berghan, Wilhelm: Verlorene Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19, Berlin 2019.
  19. KenFM 2012, Min. 25:49.
  20. Ebd.
  21. Koester/Bähr 2017.
  22. Lämmel, Niklas: Falsche Propheten 2014. Antisemitische Agitation auf den »Montagsmahnwachen für den Frieden«, in: Salzborn, Samuel (Hg.): Antisemitismus seit 9/11, Baden-Baden 2019, S. 217-236. (Interdisziplinäre Antisemitismusforschung, Bd. 11).
  23. Buhre/Arab 2016.
  24. Wie er die Formulierung »Holocaust als PR« verstanden wissen will, klärte er erst 2017 in einem Interview.- Bröckers, Mathias: PR mit dem »Holocaust als PR«, auf: rubikon.news (24.11.2017).
  25. Urteil Landgericht Köln, 28 O 264/15, 9.3.2016, S. 8.
  26. Buhre/Arab 2016.

Authors

Sebastian Haupt, geboren 1988, ist seit 2017 bei KATAPULT und Chefredakteur des KNICKER, dem Katapult-Faltmagazin. Er hat Politik- und Musikwissenschaft in Halle und Berlin studiert und lehrt als Dozent für GIS-Analysen.

Zu seinen Schwerpunkten zählen Geoinformatik sowie vergleichende Politik- und Medienanalysen.

Jan-Niklas Kniewel
KATAPULT

Translators

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