Rund 50.000 Ferkel und 9.000 Sauen befanden sich zum Zeitpunkt des Brandes in den 18 Stallanlagen in Alt Tellin. Nach Angaben des Landkreises konnten nur 1.500 Tiere gerettet werden. Der Rest der Tiere verbrannte zwischen den Kunststoffteilen der in leichtbauweise angelegten Stallanlagen. Ein Mensch wurde leicht verletzt. Feuerwehren und Rettungskräfte waren den ganzen Tag über im Einsatz. Aktuell ist die Kriminalpolizei auf dem Gelände und untersucht die Brandursache. Bestürzung ja, Überraschung nein Was in vielen Berichten mitschwingt: Die Menschen vor Ort und im Land sind bestürzt, aber keineswegs überrascht. Seitdem die Anlage 2010 genehmigt wurde, kam es immer wieder zu Zwischenfällen. Die Anlage, welche „rund 10.500 Muttersauen und jährlich rund 250.000 Ferkel“ fassen kann, stand von Anfang an in der Kritik. Wie sich zeigte, zurecht: Skandale um fehlende oder nicht erteilte Genehmigungen, ein Tierhaltungsverbot für die ursprüngliche Betreiberfirma, der Austritt großer Mengen Schwefelsäure im Jahr 2019 sowie der Tod von mehr als 1.000 Ferkeln aufgrund einer defekten Lüftungsanlage sind nur einige der negativen Schlagzeilen rund um die Anlage. Auch baulich gab es Fragezeichen: Es soll nur einen Ausgang aus dem Komplex gegeben haben. Außerdem hatten viele Tiere wohl aufgrund ihrer Fixierung keine Chance die Flucht zu ergreifen. Die Sau soll sich nicht drehen Der BUND weist schon länger auf die Unterbringung der Sauen in Kastenständen hin. So seien die Kastenstände „2,06 Meter lang und nur 68,5 bis 81,9 cm breit. Die Sauen werden darin wochenlang gehalten.“ Die eingesetzten Ferkelschutzbügel erschweren die Lage für die Sauen zusätzlich. Die fixieren die Tiere so, dass sie sich bei Geburt und Säugung der Ferkel nicht drehen können. Damit soll verhindert werden, dass die Jungtiere erdrückt werden. Artspezifische Grundbedürfnisse, beispielsweise Wühlen, Laufen und Nestbau, sind dadurch quasi unmöglich. Laut eines Fachgutachtens der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft verstößt dies unter anderem gegen die Grundpflichten Paragraf 2 Nr. 1 des deutschen Tierschutzgesetzes. Am Ende bedeutete es wohl auch den Tod für über 57.000 Tiere. Landwirtschaftsminister Backhaus in der Kritik Nun kommt die Frage auf, wer die Schuld für die unhaltbare Situation trägt. Genehmigt wurde die Anlage 2010 vom damaligen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Neubrandenburg. Damaliger Wirtschaftsminister und damit auch oberster Dienstherr: Jürgen Seidel (CDU). Der BUND hatte bereits 2012 unter anderem wegen Mängeln in der Tierhaltung und beim Brandschutz Klage eingereicht. Nach einer ergebnislosen Verhandlung wurde das Verfahren vom Verwaltungsgericht Greifswald vertagt - eine Klärung steht bis heute aus. Beim Amt für Landwirtschaft und Umwelt sah man vor Ort alle rechtlichen Normen erfüllt. Daran gab es in den letzten Tagen auch Kritik aus den umliegenden Gemeinden. Im Fokus steht auch Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD). Er betonte zwar immer wieder, dass die Genehmigung der Anlage nicht in seine Amtszeit gefallen sei und er derartige Anlagen ablehne. Dennoch führte die Landesgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern Planungsleistungen für die Anlage in Alt Tellin durch. Deren Aufsichtsratsvorsitzender bis zum heutigen Tag? Till Backhaus. Dieser weist jegliche Schuld von sich und verweist auf die Bundespolitik. Hier sei wiederholt die Initiative des Bundesrates, unter anderem Kastenstände zu verbieten, blockiert worden, zuletzt von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Was aber feststeht: Über ein Jahrzehnt lang ist nichts passiert, ungeachtet der vielen Klagen oder Proteste vor Ort. Man hat Handlungsbereitschaft signalisiert, doch geändert hat sich in all der Zeit nichts. Das Unternehmen konnte immer geschickt an den Grenzen des Machbaren manövrieren und kam immer mit Strafzahlungen davon. Der vorerst letzte Akt in der Geschichte war nun der Großbrand mit Tausenden toten Tieren.

Anmerkung vom 18.05.2021: Der Betreiber gibt die offizielle Zahl der verendeten Tiere mit 49.700 an. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abonnements. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr. KATAPULT abonnieren