In Deutschland versucht jeden Tag ein Mann, seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten. Jeden dritten Tag vollzieht einer von ihnen eine solche Tat. Ein “Femizid” ist nicht einfach nur ein Mord an einer Frau. Es ist die “von privaten und öffentlichen Akteuren begangene oder tolerierte Tötung von Frauen und Mädchen wegen ihres Geschlechts”. Der Begriff deckt laut dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen eine Vielzahl gewaltsamer Verbrechen gegen Frauen ab. Darunter sind beispielsweise der Mord an einer Frau durch ihren Partner, aufgrund von Frauenhass oder im Namen der »Ehre«. Frauen als Besitz Im Jahr 2008 verhandelte der Bundesgerichtshof einen Femizid. Angeklagt war ein Mann, der seine Ex-Partnerin erstach, weil er sich nicht mit der vorangegangenen Trennung abfinden wollte. Im Urteil heißt es, er habe dem Opfer kein selbstbestimmtes Leben zugestanden. Der Tat zugrunde lag also ein Besitzdenken des Mannes. Solche Taten sind keine Einzelfälle. Polizeistatistiken erfassen Gewalt an Frauen jedoch nicht gesondert. Das hat eine Umfrage des »Spiegel« beim Bundeskriminalamt (BKA) und den Landeskriminalämtern (LKA) ergeben: Gewalttaten, die an Frauen verübt werden, registriert die Polizei meistens in der Rubrik Partnerschaftsgewalt. Anfeindungen und Drohungen gegenüber Frauen im Internet unter Onlinehass. Frauenfeindliche Taten werden statistisch nicht explizit erfasst Die Bundesregierung verwendet den Begriff bisher nicht. Cornelia Möhring, die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, forderte im November 2020 zum wiederholten Male, die “Tötung einer Frau aufgrund eines hierarchischen Geschlechterverhältnisses und eines tiefgehenden Frauenhasses” als Femizid zu benennen. Morde von Männern an Frauen sind sehr oft die Folge gesellschaftlicher Abwertung von Frauen in einem System, in dem Männer mehr Macht haben als Frauen. Hinter Femiziden steht die gesellschaftliche Vorstellung, dass Frauen weniger wert sind. Um die tatsächliche Zahl der Fälle zu ermitteln, müssten Femizide systematisch erfasst werden, so Möhring. Geht es nach Digitalstaatsministerin Dorothee Bär, soll das nun geschehen. Gewalt an Frauen soll zukünftig in einer eigenen Rubrik erfasst werden, um besser sichtbar zu machen, wie viele Taten aus frauenfeindlichen Motiven verübt werden. Doch nicht nur die Sichtbarkeit der Taten steht in der Kritik, auch ihre strafrechtliche Verfolgung. Vor Gericht werden die Männer, die ihre Frau getötet haben, häufig wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt. So auch in dem Fall von 2008, in dem der Mann seine Ex-Partnerin erstach. Der Bundesgerichtshof bewertete die Eifersucht und Verzweiflung des Angeklagten nach der Trennung, die von der Frau ausging, als mildernden Umstand. Die Richter*innen stellten weder Heimtücke noch niedere Beweggründe fest. Beides muss gegeben sein, damit der Tatbestand des Mordes erfüllt ist. Der Deutsche Juristinnenbund erklärt, so werde suggeriert, dass die Opfer eine Mitschuld trügen. Gewalttaten, die Männer an Frauen verüben, seien aber vielmehr die Folge von männlichen Besitzansprüchen und der grundsätzlichen Herabwürdigung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Die Juristinnen fordern, dass Tötungen innerhalb einer Partnerschaft genauso hart bestraft werden wie solche außerhalb. 76 Prozent der Tötungen in Paarbeziehungen begehen Männer In Partnerschaften werden auch Männer Opfer von Gewalt - jedoch viel seltener als Frauen. Lediglich 24 Prozent der Mordopfer im Jahr 2019 waren männlich. Vergewaltigungen durch ihren Partner erlebten zu 98 Prozent Frauen, Körperverletzungen wurden in 80 Prozent der Fälle an Frauen verübt. Offizielle Zahlen vom BKA für das Jahr 2020 liegen noch nicht vor. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abonnements. Abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr. KATAPULT abonnieren