Bei den Wahlen in Sri Lanka konnte die Volksfront (SLPP) am Mittwoch 145 der 225 Sitze im Parlament gewinnen und ist damit nur knapp an einer Zweidrittelmehrheit vorbeigeschrammt. Diese war das erklärte Ziel der Parteistrategen, weil sie so die Verfassung ändern könnten. Die fehlenden fünf Sitze zu organisieren, dürfte jedoch eine machbare Aufgabe sein. Die SLPP ist die Partei von Premierminister Mahinda Rajapaksa und dessen Bruder Gotabaya, dem Präsident des Inselstaates. Beide sind seit 2019 im Amt. Kritiker fürchten, dass sie Sri Lanka in eine autoritär-populistische Richtung steuern. Die Opposition ist schwach und gespalten. Die Brüder waren schon einmal an der Macht. Von 2005 bis 2015 amtierte Mahinda Rajapaksa als Präsident des Landes, sein Bruder Gotabaya besetzte in dieser Zeit den Posten des Verteidigungsministers. Brutal gingen sie gegen den bewaffneten Aufstand der separatistischen „Tamil Tigers“ vor, die sich terroristischer Methoden bedienten. Etwa 75 Prozent der Bevölkerung Sri Lankas sind ethnische Singhalesen, die meist dem Buddhismus anhängen. Viele Jahre lang sah sich die Minderheit der Tamilen, die überwiegend Hindus sind, Diskriminierung ausgesetzt, es kam zu mehreren Pogromen. 26 Jahre lang befand sich das Land schließlich – unterbrochen durch einen mehrjährigen Waffenstillstand – im Bürgerkriegszustand, bis die Rajapaksas 2009 die Separatisten niederzwangen. Wenig Hoffnung auf Vergangenheitsbewältigung Den Brüdern werden Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Zehntausende Menschen verschwanden während des Bürgerkriegs. Anfang 2020 erklärte Gotabaya die Vermissten für tot. Es ist zu befürchten, dass mit einer Aufarbeitung der staatlichen Verbrechen von damals ebenso wenig zu rechnen ist wie mit einer Bestrafung der Täter. Er werde keine Angriffe auf „Kriegshelden“ tolerieren, sagte Gotabaya im Mai. Wenige Monate zuvor hatte er einen Soldaten begnadigt, der wegen der Ermordung von acht tamilischen Zivilisten, darunter drei Kinder, im Gefängnis saß. Die Rajapaksa-Brüder sind singhalesische Nationalisten und regierten zum Ende ihrer ersten Amtszeit zunehmend autoritär. Menschenrechtler, Journalisten und Dissidenten lebten gefährlich. Diese Repressalien und die allgegenwärtigen Korruptionsvorwürfe kostete die Brüder 2015 überraschend die Macht. Die neue sri-lankische Regierung unter Staatsoberhaupt Maithripala Sirisena trieb demokratische Reformen voran. Eine Verfassungsänderung schränkte die Macht des Präsidenten ein, Vertreter der Vereinten Nationen lobten die Maßnahmen. Repressalien gegen Menschenrechtler Doch die Rajapaksa-Brüder arbeiteten an ihrer Rückkehr an die Spitze des Staates. 2018 ging ihre SLPP als deutlicher Gewinner aus den Regionalwahlen hervor. Die Regierungsallianz scheiterte derweil mit vielen ihrer ehrgeizigen Reformvorhaben an internen Auseinandersetzungen. Präsident Sirisena versuchte, die Kontrolle zu bewahren, indem er den Premierminister absetze und das Amt an Mahinda Rajapaksa gab. Es folgte eine monatelange Verfassungskrise. Mahinda trat schließlich zurück und Sirisena ging geschwächt aus der Affäre hervor.

Die dschihadistischen Terroranschläge vom Ostersonntag 2019 bedeuteten für Sirisena das endgültige politische Aus. Bei den Attentaten auf Kirchen und Hotels starben mehr als 250 Menschen. Mit einer auf Antiterrorismus-Rhetorik basierenden Kampagne gelang es dem ehemaligen Militär und Verteidigungsminister Gotabaya, die Präsidentschaftswahlen im darauffolgenden November zu gewinnen. Prompt begann er mit der Monopolisierung der Macht und setzte Mahinda als Premierminister ein. Als Präsident hätte dieser aufgrund der in der Verfassungsreform von 2015 festgeschriebenen Amtszeitbegrenzung nicht mehr kandidieren dürfen. Zwei weitere Brüder, Basil und Chamal, agieren als Chefstratege beziehungsweise als Agrarminister. Darüber hinaus umgeben sich die Rajapaksas mit singhalesischen Militärs und stärken die Rolle der Armee im Staat. Mit den Rajapaksas ist auch das Klima der Angst zurückgekehrt. Human Rights Watch wirft der Regierung Repressalien gegen Journalisten, Oppositionelle und Menschenrechtler vor. Die Kommunistische Partei Chinas als Vorbild Lange dienten den singhalesischen Nationalisten die Tamilen als Sündenböcke. Heute richtet sich die Rhetorik zunehmend gegen die Muslime im Land, die etwa neun Prozent der Bevölkerung ausmachen. Der Mönch Galagoda Aththe Gnasara, Anführer einer radikalen buddhistisch-nationalistischen Organisation, erklärte nach der Präsidentschaftswahl: „Wir haben eine Ideologie aufgebaut, derzufolge das Land einen singhalesischen Führer braucht, der sich vor Minderheiten nicht beugt. Jetzt hat diese Ideologie gesiegt.“

Die Pandemie half Gotabaya Rajapaksa, sich weiterhin als starker Mann zu inszenieren. Außenpolitisch wendet sich der Inselstaat China zu. Sein Bruder Basil, der Chefstratege, stellte in einem Interview vor der Wahl klar: Die Vorbilder seiner Partei seien Indiens rechtskonservative Regierungspartei BJP und die Kommunistische Partei Chinas. Zwei autoritäre nationalistische Organisationen. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abonnements. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr. KATAPULT abonnieren