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Die zahlenmäßig größte Gruppe unter den nicht Wahlberechtigten sind die Minderjährigen. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren machen etwa 13 Millionen der gesamtdeutschen Bevölkerung aus. Hinzu kommen knapp zehn Millionen Menschen, die in der Bundesrepublik leben, aber keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Eine deutlich kleinere Gruppe bilden diejenigen, denen das Wahlrecht per Gerichtsbeschluss entzogen wurde, etwa weil sie schwere Straftaten begangen haben - beispielsweise Landesverrat in Form von Spionagetätigkeit. Ebenfalls nicht wahlberechtigt sind einige psychiatrisch auffällige Straftäter:innen.
Unreife Kinder und vernünftige Verschwörungsideolog:innen
Umstritten sind alle diese Ausschlussmechanismen. Besonders heftig diskutiert, wird jedoch immer wieder die Herabsetzung des Wahlalters. Gegner:innen eines Wahlrechts für Kinder und Jugendliche verweisen darauf, dass es zum Ausüben des Wahlrechts eines bestimmten “Grades an Reife und Vernunft” bedürfe. Befürworter:innen halten entgegen, dass es nicht das Alter ist, dass politische Urteilskraft bestimmt.
Wie auch immer diese Frage im Einzelfall zu beantworten sein mag: Kindern das Wahlrecht vorzuenthalten, ist problematisch. Warum? Ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie ist die gemeinschaftliche Selbstregierung. Menschen geben sich also Gesetze, unter denen sie dann als Kollektiv leben. In der modernen, repräsentativen Demokratie geschieht dies durch die Wahl von Abgeordneten, die im Namen des gesamten Volkes Regeln und Gesetze ausarbeiten und verabschieden. Auch Kinder sind den vom Parlament auf den Weg gebrachten Gesetzen unterworfen. Sicher, straffähig sind sie erst mit dem 14. Geburtstag und auch hiernach wird im Falle eines Gesetzesbruchs vorerst nach Jugendstrafmaß geurteilt. Aber: tun und lassen, was sie wollen, können auch Kinder nicht. Darüber mitbestimmen, was sie tun und lassen dürfen, können sie jedoch nicht. Sie sind also von Regeln betroffen, ohne in irgendeiner Form an deren Zustandekommen mitgewirkt zu haben. Eines der offensichtlichsten Beispiele ist die Schulpflicht. Wird dieser nicht nachgekommen, werden zwar die Erziehungsberechtigten belangt, aber: von der Pflicht direkt betroffen sind vor allem die Kinder, die Tag für Tag in der Schule sitzen.
Kinder an die Urne! Oder doch die Eltern?
Eine mögliche Lösung, die in der Demokratietheorie diskutiert wird: Das Stellvertreterwahlrecht für Eltern. Ihnen würde dann das Stimmrecht beziehungsweise die Stimmrechte ihrer Kinder übertragen werden. Sie hätten also je nach Anzahl ihrer Kinder mehrere Stimmen. Bemerkenswert: Die politische Linke hat diesen Vorschlag erst spät für sich entdeckt, erste Anhänger fand er in rechten und nationalkonservativen Kreisen während der Weimarer Republik. Auch in der jüngeren Vergangenheit wurde das Thema häufig - aber keineswegs ausschließlich - in rechtsradikalen Kreisen aufgegriffen, etwa von der ungarischen Fidesz oder Marine Le Pens Front National.
Eine Alternative zum Stellvertreterwahlrecht ist das “Wahlrecht durch Eintragung”. Prinzipiell würde gemäß diesem Vorschlag jedem Menschen bei der Geburt das Wahlrecht verliehen, nicht erst mit Erreichen eines bestimmten Alters. Vor Erreichen eines bestimmten Alters müsste die Person jedoch selbst aktiv werden, um von diesem Gebrauch machen zu können. Sie müsste sich beispielsweise selbst ins Wahlregister eintragen lassen.
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Authors
Tobias Müller
geboren 1986, ist seit 2020 Redakteur bei KATAPULT. Er hat Politikwissenschaft und Geschichte in Freiburg und Greifswald studiert und wurde mit einer Arbeit im Bereich politische Ideengeschichte promoviert. Zu seinen Schwerpunkten zählen die deutsche Innenpolitik sowie Zustand und Entwicklung demokratischer Regierungssysteme.