Tagtäglich sind wir Opfer von Korruption. Wir zahlen teilweise überhöhte Preise, erhalten minderqualitative Produkte und Dienstleistungen, oder unsere Steuergelder werden nicht sachgerecht verwendet. Beispiele für Korruption gibt es zahlreiche: Steueroasen, Korruption im Sport, Schmiergeldzahlungen, systematische Geldwäsche, Lobbyismus und so weiter. Auch wenn Korruption immer mal wieder als Randphänomen dargestellt wird, so scheint es doch ein wesentlicher Teil unseres Wirtschaftssystems zu sein. Unter anderem durch Steueroasen vermischen sich die meist als getrennt wahrgenommenen legalen und illegalen Geldflüsse und sind somit untrennbar miteinander verwoben. Korruption berücksichtigt nur die Interessen Weniger. Der Allgemeinheit wird dadurch viel Geld vorenthalten, das für Staatsausgaben gut verwendet werden könnte. Die ständigen Meldungen über Korruptions-skandale in den Medien führen zu der Frage: Warum machen Menschen das? Die Psychologie unterscheidet drei Typen der Korruption: die situative Korruption sowie zwei Arten der strukturellen Korruption (kontraproduktive und organisationale Korruption). Allen drei Arten ist gemein, dass dabei Menschen ihre Macht, Autorität oder ihren Handlungsspielraum ausnutzen, um sich selbst oder eine Organisation (wie Vereine, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Verwaltungen) in einer illegalen oder zumindest illegitimen Weise zu bereichern. Von situativer Korruption wird gesprochen, wenn man in einer Alltagssituation neben dem Güterpreis einen zusätzlichen Bestechungspreis zahlen muss. Die Korruptionsteilnehmer sowie die Korruptionssituation sind beliebig austauschbar, weil Korruption ein immanenter Bestandteil des Alltags ist. Beispiele hierfür sind Schmiergelder für ein Visum, die Post oder den Arzt. In diesen Fällen befindet man sich in einem Korruptionssystem und ist so irgendwann gezwungen, auch zwei Preise (legal und illegal) für die eigene Leistung zu verlangen, um die Preisdopplung weiterhin selbst zahlen zu können. Bisher gibt es keine allgemein anerkannte Theorie, die die Gründe dafür beschreibt, warum so viele Menschen die situative Korruption mittragen. Sicherlich spielen dabei Aspekte wie Gruppendruck, Existenzbedrohung sowie soziale Normen eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zur situativen Korruption bilden sich bei der strukturellen Korruption langjährige Beziehungen zwischen verschiedenen Korruptionsteilnehmern. Man könnte sagen, dass es etwas »?exklusiver?« wird - nicht jeder darf mitmachen. Ein Beispiel hierfür sind die immer wiederkehrenden Skandale bei der FIFA. Wenn sich einzelne Mitarbeiter oder eine kleine Gruppe von Mitarbeitern (Führungskräfte) an ihrer eigenen Organisation bereichern, spricht man von kontraproduktiver Korruption, als Unterart der strukturellen Korruption. Einige wenige Studien haben sich in Deutschland mit der Dauer von solchen korrupten Beziehungen beschäftigt und nennen um die drei bis fünf Jahre als Durchschnittszeitraum. Gleichzeitig fanden sich aber auch korrupte Beziehungen, die bis zu 30 Jahre anhielten. Dabei muss jedoch eingegrenzt werden, dass hier nur die verurteilten Täter analysiert werden konnten. Download Graphic Ausschlaggebend für die Entstehung von kontraproduktiver Korruption ist sowohl die Persönlichkeit des Mitarbeiters als auch die Situation, in der er oder sie sich befindet. Eine Studie dazu ergab, dass 95 Prozent der überführten Korruptionstäter in Deutschland unauffällige, langjährige Mitarbeiter waren. Die Betrügerpersönlichkeit des eher auffälligen »?Mein Haus, mein Auto, meine Goldkette sind alle viel zu teuer, um sie mir leisten zu können, aber schau dir mal die Fotos davon an?«-Typs kommt hingegen selten vor. Eigenschaften wie Machiavellismus, ein starkes Machtmotiv und eine geringe Integrität können Risikofaktoren sein. Doch heißt das nicht, dass alle Menschen mit diesen Eigenschaften zwangsläufig zu Tätern werden. Auch die Situation ist dafür von Bedeutung, wie eine niederländische Studie zeigt: Bereicherte sich der Vorgesetzte, steigerte das sogar bei Polizisten die Wahrscheinlichkeit, selbst korrupt zu werden. Weitere Risikofaktoren innerhalb der Organisation sind unzufriedene Mitarbeiter, unfaire Behandlungen, wenig Kontrollen hinsichtlich Korruption oder eine schwache Verknüpfung zwischen dem Verhaltenskodex und der Belohnungs- und Sanktionsstruktur. Eine Kombination aus den genannten Persönlichkeitseigenschaften und der Situation kann demnach die Wahrscheinlichkeit steigern, dass Mitarbeiter korrupt werden (kontraproduktive Korruption). Die zweite Form der strukturellen Korruption ist die organisationale Korruption. Einige Organisationen nutzten Korruption als Teil ihrer Strategie und bereichern sich am gesellschaftlichen Allgemeingut. Prominente Beispiele sind hier die Siemens AG oder der Energiekonzern Enron. Es tauchen aber auch viele andere Konzerne immer wieder in den Schlagzeilen auf. Durch einen Perspektivwechsel wird Korruption als etwas Positives angesehen, das einerseits der Organisation hilft, Probleme zu lösen, und andererseits den Mitarbeitern selbst hilft, ihren eigenen Job zu behalten Der amerikanische Pharmakonzern Pfizer beispielsweise musste schon des Öfteren hohe Strafen wegen Schmiergeldzahlungen entrichten. Diese Bestechungsgelder wurden möglicherweise auf den Preis der Medikamente aufgeschlagen, sodass die Endverbraucher letztendlich dafür aufkommen mussten. In diesen Organisationen wird Korruption oft von oben nach unten weitergegeben, indem beispielsweise Ziele vorgegeben werden, die nur mithilfe von Korruption erreicht werden können. So findet ein Prozess der Normalisierung von Korruption statt. Durch einen Perspektivwechsel wird Korruption als etwas Positives angesehen, das einerseits der Organisation hilft, Probleme zu lösen, und andererseits den Mitarbeitern selbst hilft, ihren eigenen Job zu behalten. Wenn wir uns überlegen, dass laut den deutschen Medien in den letzten fünf Jahren bei mehr als 100 Unternehmen zumindest Ermittlungen wegen des begründeten Verdachts auf organisationale Korruption eingeleitet wurden, wird leicht erkennbar, dass hier sehr viele Mitarbeiter die Korruption auf irgendeine Art mittragen mussten. Diese Mitarbeiter werden sehr unterschiedliche Persönlichkeiten haben. Dementsprechend geht man zurzeit davon aus, dass die Situation in einer Organisation der Hauptauslöser für korruptes Verhalten (organisationale Korruption) ist. Es zeigt sich also, dass es zum einen verschiedene Korruptionstypen gibt und zum anderen ebenso verschiedene psychologische Gründe dafür, dass Mitarbeiter korrupt werden. Die meisten Mittäter der Korruption gibt es im Bereich der situativen sowie der organisationalen Korruption. Hier ist jeweils die Situation, in der sich die Menschen befinden, von besonderer Bedeutung. Im Bereich der kontraproduktiven Korruption sind darüber hinaus zusätzlich die Persönlichkeiten der Täter relevant. Aus diesem Grund ist es wichtig, einen genaueren Blick auf die Umstände und Milieus, in denen Korruption geschieht, zu werfen. Welche Gesetze und Strafen gibt es national und international, um Korruption zu ahnden? Gerade bei organisationaler Korruption ist dies schwierig, da es sich hier oft um Schmiergeldzahlungen multinationaler Unternehmen handelt. Welche politischen Regelungen gibt es? Erst Ende 2014 trat in Deutschland das völkerrechtlich bindende Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption aus dem Jahr 2005 in Kraft. Damit ist die Bundesrepublik definitiv eines der Schlusslichter.Dieser Beitrag erschien in der ersten Ausgabe von KATAPULT. Lesen Sie weitere spannende Artikel und unterstützen Sie unsere Arbeit, indem Sie Abonnent werden. Aktuelle Ausgabe Dieser Beitrag erschien in der ersten Ausgabe von KATAPULT. Lesen Sie weitere spannende Artikel und unterstützen Sie unsere Arbeit, indem Sie Abonnent werden. KATAPULT abonnieren