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Donald Trump sagt, er übernehme “absolut keine Verantwortung” für den schlecht auf die Pandemie vorbereiteten US-amerikanischen Gesundheitsapparat. Gleichzeitig bestehe er jedoch auf die “absolute Autorität” beim Umgang mit der Krise. Nichts fasst die aktuelle Strategie des US-Präsidenten besser zusammen als diese beiden Zitate. Denn seine Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus beschränken sich auf das Minimum: Er verhängt Einreisebeschränkungen, lässt medizinisches Equipment aufkaufen und verteilt es ohne Voraussicht an die am schlimmsten betroffenen Bundesstaaten, deren Gouverneure ihn teils öffentlich um Hilfe bitten müssen. Schließlich sei ihre schlechte Vorbereitung auf das neue Coronavirus ihre eigene Schuld, so Trump. Ausgangssperren, Einschränkung des Einzelhandels, Schulschließungen und Verbote von Massenveranstaltungen dagegen werden von den Bundesstaaten veranlasst.
Auch Trumps Empfehlungen an die Bevölkerung sind gefährlich: Er hat Corona-Infizierten dazu geraten, den Wirkstoff Hydroxychloroquin einzunehmen. Damit werden normalerweise Malaria-Patienten behandelt. Regierungsmitarbeiter wie der Immunologe Anthony Fauci widersprechen Trump öffentlich: Es gäbe lediglich “anekdotische Hinweise” auf die Wirksamkeit des Medikaments. Einige US-Amerikanerinnen und -Amerikaner mussten mittlerweile nach der Einnahme im Krankenhaus versorgt werden, ein Mensch soll daran verstorben sein.
In keinem Land gibt es bisher mehr Todesfälle durch das Virus als in den USA - und das obwohl dort zwei Wochen länger Zeit war, sich auf den Ausbruch der Pandemie vorzubereiten, als in Europa. Trump verharmlost, gibt der Presse die Schuld und lobt öffentlich seine eigene Leistung. Diese Strategie hat gute Gründe: Der Wahlkampf zur Präsidentschaftswahl im November hat bereits begonnen. Das erklärt auch, wieso er die Bereitstellung der lange angekündigten “Stimulus Checks” noch kurzfristig verschieben ließ, mit denen ein Großteil der Bevölkerung Direktzahlungen zur Überbrückung der Krise erhalten sollte: Es soll unbedingt seine Unterschrift auf den Schecks stehen- ein weiterer Versuch, seine Beliebtheit zu steigern. Mit Erfolg: Seine Zustimmungswerte sind höher als noch zum Jahreswechsel.
US-Bundesstaaten machen eigene Politik
Besonders während dieser Krise misstrauen jedoch viele Gouverneure Trumps Führungsqualitäten. Das zeigt sich zum Beispiel in der gemeinsamen Presseerklärung der Westküsten-Staaten Kalifornien, Oregon und Washington als Antwort auf Trumps Vorstellung des “Councils to Reopen America”. Die Aufgabe dieses Rats soll es sein, die Wirtschaft der USA möglichst schnell wieder anzukurbeln. Im Team sind neben seiner Tochter Ivanka, seinem Schwiegersohn Jared Kushner unter anderem wissenschaftsferne Trump-Günstlinge wie sein aktueller Stabschef Mark Meadows, der davon überzeugt ist, dass die Erde nur 6.000 Jahre alt ist und dass die Dinosaurier ausstarben, weil Noah sie nicht mit auf seine Arche nahm. Die drei Westküsten-Staaten verkündeten daraufhin, dass sie bei der Öffnung der Wirtschaft gemeinsam ein Konzept erstellen werden. Entscheidungen würden jedoch vom Gesundheitszustand der Bürger abhängig gemacht und auf der Basis wissenschaftlicher Daten getroffen.
Bolsonaro war früher Athlet und hat keine Angst vor einer Grippe
Auch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro nutzt die Pandemie für politische Zwecke. Seine Aussage: Das Virus sei eine Verschwörung seiner politischen Feinde gegen ihn. Außerdem sei das Virus entweder eine “Fantasie” oder nur eine “kleine Erkältung” - ihm könne es jedenfalls nichts anhaben, da er früher ein Athlet gewesen sei. Viele Medien mutmaßen, dass Bolsonaro bereits infiziert war. Darauf deuten zwei Tatsachen hin: geschwärzte Namen auf Krankenhauslisten und dass mehrere ihm nahestehende Regierungsmitarbeiter bereits positiv auf Covid-19 getestet wurden. In der Bevölkerung ist Bolsonaro teilweise immer noch sehr beliebt. Seine Anhängerschaft demonstriert immer wieder für die Öffnung der Wirtschaft. Das ist auch Bolsonaros aktuell wichtigstes Ziel: “Ein paar [Menschen] werden sterben. So ist das Leben”, so Bolsonaro.
Politisch ist er allerdings größtenteils isoliert. Die Mehrheit der Gouverneure der 26 brasilianischen Bundesstaaten und sein eigener, mittlerweile gefeuerter Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta distanzieren sich von Bolsonaros Politik. Daher versucht er, über Präsidialdekrete zu regieren, die jedoch immer wieder vom Obersten Gerichtshof unterbunden werden. Auch ehemalige politische Verbündete wie die ebenfalls ultrarechten Gouverneure von São Paulo und Rio de Janeiro gaben bekannt, sie würden die Anordnungen von Bolsonaro schlichtweg ignorieren. Zwischenzeitlich kursierten in den brasilianischen Medien sogar Gerüchte über einen bevorstehenden Militärputsch, die sich jedoch als Falschmeldungen herausstellten.
In fast allen brasilianischen Städten ist das öffentliche Leben zum Erliegen gekommen - auf Anordnung der jeweiligen Gouverneure. In den Favelas haben Drogengangs Ausgangssperren verordnet. Niklas Franzen, ein deutscher Journalist vor Ort, befürchtet eine wirtschaftliche Katastrophe, von der die ärmere Bevölkerung besonders betroffen sein wird. Die meisten armen Brasilianer können nicht auf Ersparnisse zurückgreifen und soziale Sicherungssysteme wie in Europa gibt es nicht.
Boris Johnson schüttelt weiter Hände und handelt spät
Auch Großbritanniens Premierminister Boris Johnson spielte die Pandemie lange herunter. Die Bürger sollen ihre Hände waschen, aber sich nicht verrückt machen lassen: “Business as usual”, so sein Ratschlag am 5. März, als es den ersten Todesfall in Großbritannien gab. Er betonte volksnah, dass er trotz des Ansteckungsrisikos weiter Händeschütteln würde: Während eines Krankenhausbesuchs hätte er allen die Hand gegeben - auch infizierten Patienten, sagte er während einer Pressekonferenz. Eine Woche später bezeichnete er die aktuelle Lage schließlich als die schlimmste Gesundheitskrise dieser Generation und begann Vorsichtsmaßnahmen nach dem Vorbild anderer europäischer Staaten umsetzen zu lassen. Am 27. März wurde er selbst positiv auf Covid-19 getestet und musste einige Tage im Krankenhaus verbringen.
Großbritannien ist der beste Beweis, dass vor allem in dieser Krise die Inkompetenz und Ignoranz vieler populistischer Machthaber durch funktionierende rechtsstaatliche und teils föderale Strukturen gebremst werden kann - auch in den USA und Brasilien ist das mit Abstrichen der Fall. Einzelne Experten in den Beraterkreisen der Populisten ermahnen teils gegen den Willen ihrer Vorgesetzten öffentlich zur Vorsicht. So werden der US-amerikanische Immunologe Fauci und auch der umstrittene ehemalige brasilianische Gesundheitsminister Mandetta immer wieder als Gegenparts zu Trump und Bolsonaro wahrgenommen.
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Authors
Julius Gabele, geboren 1993, ist seit 2017 Redakteur bei KATAPULT und vor allem für die Berichterstattung internationaler Politik zuständig. Er hat Geographie an der Universität Augsburg und der Universitat de Barcelona studiert. Er ist zudem als freiberuflicher Fotograf tätig.
Zu seinen Schwerpunkten zählen geopolitische Konflikte und Entwicklungspolitik.