WELLINGTON, Neuseeland — Jedes Jahr besuchen zehntausende Touristen die makellosen Strände und türkisfarbenen Lagunen der Cookinseln im Südpazifik. Ihre Ausgaben sichern das Auskommen des kleinen Inselstaates, der aus 15 Inseln und Atollen besteht – und auf dem kein Gebäude höher als eine Kokospalme ist. Die meisten Besucher kommen aus Neuseeland, zu dem die Inseln einst als Kolonie gehörten. Lange verband beide Länder enge Beziehungen. Doch in den vergangenen Monaten hat sich das Verhältnis deutlich abgekühlt. Auslöser ist ein umfassendes Partnerschaftsabkommen, das die Cookinseln in diesem Jahr mit China unterzeichneten. In Neuseeland wird der Vertrag mit Sorge betrachtet: Er gilt als jüngstes Zeichen für Pekings wachsenden Einfluss im Pazifik. Abkommen ohne Absprachen  Neuseeland setzte daraufhin Hilfsgelder in Millionenhöhe vorerst aus. Dieser Schritt hinterlässt ein deutliches Loch im Finanzhaushalt der Cookinseln. Deren Premierminister Mark Brown drohte, sich für künftige Infrastrukturprojekte „woanders“ umzusehen. Auf den Cookinseln wird Neuseeland vorgeworfen, die Hilfsgelder als Druckmittel einzusetzen. Auf der Hauptinsel Rarotonga protestierten besorgte Bürger gegen die Verschlechterung der bilateralen Beziehungen. Ein persönliches Treffen der beiden Staatschefs im Rahmen eines regionalen Forums Mitte August brachte keine Annäherung. „Dass sie solche Abkommen mit China geschlossen haben, war ein bedeutender Schritt. Und wir erfuhren erst im Nachhinein davon“, erklärte Neuseelands Außenminister Winston Peters in einem Interview im August. Die Cookinseln kritisieren doppelte Standards Neuseeland vertritt die Auffassung, die Cookinseln hätten vor der Unterzeichnung des Abkommens Rücksprache halten müssen. Hilfsgelder werde es erst wieder geben, wenn das Verhältnis „repariert und Vertrauen wiederhergestellt“ sei, so Peters. Premierminister Brown hält dagegen: Auch Neuseeland habe 2014 ein Partnerschaftsabkommen mit China ohne vorherige Absprache geschlossen. Dieser Deal habe mehrere Dutzend Milliarden Dollar an Investitionen gesichert. Allerdings wuchs im darauffolgenden Jahrzehnt in Neuseeland das Misstrauen gegenüber Chinas Absichten. Wellington beobachtet Pekings Vorgehen im Südpazifik zunehmend skeptisch. So verhängte China Strafzölle gegen Australien, testete eine Interkontinentalrakete im Pazifik und entsandte Kriegsschiffe für Schussübungen in die Gewässer zwischen Australien und Neuseeland. Chinas Abkommen mit den Cookinseln fügt sich laut Cook in ein „jüngst zu beobachtendes Entwicklungsmuster“ von Pekings regionalen Ambitionen ein.  Keine Gelder für die Gesundheitsversorgung Diplomaten der Cookinseln und Neuseelands prüfen das Abkommen derzeit Punkt für Punkt. Dabei sollen mögliche Streitpunkte identifiziert werden, teilten neuseeländische Regierungsvertreter mit. Die eingefrorenen Hilfsgelder in Höhe von umgerechnet rund elf Millionen US-Dollar sollten eigentlich in Gesundheitsversorgung, Bildung und Tourismus fließen. Von dem Zahlungsstopp unberührt bleibt jedoch die Unterstützung im Bereich Cybersicherheit: Drei Millionen Dollar würden weiterhin ausgezahlt, erklärte das neuseeländische Außenministerium. Politische Analysten bewerten Neuseelands Aussetzung der Hilfszahlungen als ungewöhnlichen Schritt. Dieser steht in deutlichem Gegensatz zur Politik Australiens, das seine Hilfszahlungen in der Region zuletzt deutlich erhöhte. Seit 1965 verwalten sich die Cookinseln selbst, sind in Verteidigungsfragen jedoch auf Neuseeland angewiesen. Die Einwohner besitzen neuseeländische Pässe, fast 85.000 von ihnen leben dauerhaft in Neuseeland. Chinas wachsende Präsenz im Pazifik setzt die engen bilateralen Beziehungen zunehmend unter Druck.    Chinas Ambitionen sorgen für Spannungen  Bereits 2022 unterzeichnete China ein Sicherheitsabkommen mit den Salomonen. Dieses nährte Befürchtungen, Peking könnte bald Truppen in dem kleinen Inselstaat stationieren und seine Präsenz in der Region ausweiten. Im Fall der Cookinseln bemühen sich beide Seiten um Beruhigung: Das Abkommen verfüge über keine sicherheitspolitischen oder militärischen Komponenten. China baue eigene wirtschaftliche und sicherheitspolitische Strukturen auf, um die bestehende Ordnung im Pazifik unter Druck zu setzen, warnte der neuseeländische Geheimdienstchef in einer Rede in diesem Jahr. Chinas Botschaft in Wellington wies die Vorwürfe als Desinformation zurück. Das Abkommen mit den Cookinseln verfolge keine „geheime Agenda“. Neuseelands Bedenken seien vor allem eine Reaktion auf Pekings militärische Ambitionen in der Region, analysiert der Politikwissenschaflter David Capie. Der Leiter des Zentrums für Strategische Studien an der Victoria University of Wellington erklärte: „In einem anderen sicherheitspolitischen Kontext wäre das sicher akzeptabel gewesen – mit anderen Partnern womöglich auch. Aber der Kontext hat sich verändert.“ Rohstoff aus der Tiefe, Druck von außen Auch im Bereich des Tiefseebergbaus rücken die Cookinseln zunehmend in den Fokus internationaler Interessen. Das Abkommen mit China sieht eine Zusammenarbeit bei der Erkundung von Rohstoffen am Meeresboden vor. Nur wenige Wochen zuvor hatten die Vereinigten Staaten ein ähnliches Abkommen mit dem Inselstaat geschlossen. Wie viele Pazifikstaaten sei sein Land angesichts des Klimawandels und wirtschaftlicher Probleme auf jede erdenkliche Unterstützung angewiesen, erklärt Rashneel Kumar, Chefredakteur der Cook Island News. Seine Zeitung berichtete als erste über das Einfrieren der neuseeländischen Hilfsgelder. In der Hauptstadt Avarua zeugen zahlreiche Gebäude von dieser Abhängigkeit: Das Gerichtsgebäude, das Polizeihauptquartier und das Nationalstadium wurden allesamt von China gebaut.   „Man hat das Gefühl, dass China uns in einigen Bereichen unterstützt hat. Dafür sind wir dankbar“, sagte er. „Gleichzeitig besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass wir genau hinschauen sollten, mit wem wir künftig zusammenarbeiten.“ Dieser Artikel erschien ursprünglich in The New York Times ©2025 The New York Times Company
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