Anfang Dezember druckt die Bild drei Forschende auf ihr Cover, darüber der Titel: "die Lockdown-Macher". Damit machte das Boulevardblatt gezielt Wissenschaftler:innen für die 2G-Maßnahmen der Regierung verantwortlich. Dagegen wehrt sich nun eine Allianz der Wissenschaftsorganisationen. Sie reichte eine Sammelbeschwerde beim Deutschen Presserat ein, die aktuell geprüft wird. Der Verbund bezeichnet die Berichterstattung als zu "einseitig" und "diffamierend". Sie führe dazu, “[...] dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sahen oder mit ihr bedroht wurden [...]”, so der Verbund in seiner Stellungnahme. Tatsächlich berichten Wissenschaftler:innen seit der Coronapandemie immer häufiger von Übergriffen und Drohungen. Das zeigt eine im Oktober erschienene, nicht repräsentative, Studie des internationalen Journals Nature. Forschende untersuchten die Erfahrungen von Wissenschaftler:innen weltweit bei Corona-bezogenen Medienauftritte und deren Auswirkungen. Von 321 Befragten, berichteten 70 Prozent von negativen Erfahrungen nach ihren öffentlichen Äußerungen. Unter den Wissenschaftler:innen befinden sich 62 Deutsche. Sechs Wissenschaftler berichteten sogar von physischen Attacken. Mehr als zehn Prozent bekamen Morddrohungen. Bei sechs von zehn der Betroffenen wurde ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt. Frauen bekamen des öfteren sexuelle Gewalt angedroht. Je stärker die Attacken, desto eher ziehen sich Wissenschaftler:innen aus der Öffentlichkeit zurück Neben der Impfung war die Aufklärung über das Entwurmungsmittel Ivermectin der stärkste Auslöser für negative Reaktionen auf die Medienpräsenz der Wissenschaftler:innen. Gideon Meyerowitz-Katz, ein Epidemiologe der University of Wollongong in Australien, berichtete, dass er “mehr Todesdrohungen wegen Ivermectin bekommen hat, als wegen irgendwas bevor”. Auch in Brasilien, wo die Regierung das Beruhigungsmittel sogar selbst bewarb, wurden Wissenschaftler:innen angegriffen und sogar verklagt. Die Klage ist inzwischen abgewiesen worden. 83 Prozent berichteten aber auch, dass sie positiv empfunden haben, ihr Wissen an die Öffentlichkeit weitergeben zu können. Allerdings wollen Wissenschaftler:innen weniger gerne in die Öffentlichkeit treten, wenn sie negative Erfahrungen gemacht haben. Die Studie zeigt: Je stärker die Attacken waren, desto wahrscheinlicher sei es, dass sich die Person nicht nochmal in die Öffentlichkeit traut. Viele Wissenschaftler:innen beklagen sich über die mangelnde Unterstützung durch ihre Arbeitgeber. Ein Problem ist aber auch, dass vor allem Arbeitgeber:innen nicht gut mit der Situation umgehen. 20 Prozent der Betroffenen erhielten nach den Bedrohungen keine Unterstützung von ihren Vorgesetzten. Die Studie zeigt, dass viele Institutionen überhaupt nicht auf Drohungen gegen Mitarbeitende vorbereitet sind. Die Befragten wünschen sich mehr Schutz und Unterstützung. Vor allem muss die Gefahr für Wissenschaftler:innen, die in die Öffentlichkeit gehen, ernst genommen und offen angesprochen werden: Denn fast die Hälfte der Betroffenen erzählten ihren Vorgesetzten nichts von den Drohungen.  Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abos. Unterstütze unsere Arbeit und abonniere das Magazin gedruckt oder als E-Paper ab 19,90 Euro im Jahr! KATAPULT abonnieren