Wieso das niemanden schockt? Es lässt sich damit kaum Stimmung erzeugen. Und: 75 Prozent aller Tatverdächtigen sind Männer. Das ist jedem bewusst, aber problematisiert wird das in der öffentlichen Debatte trotzdem nicht. Warum werden eher Männer straffällig als Frauen? Und ist das tatsächlich so? Aber auch: Warum steigt die Zahl der weiblichen Tatverdächtigen aktuell stärker als die der Männer?. Tatsächlich wird seit über 100 Jahren daran geforscht, warum Frauen seltener kriminell sind und Männer eher gewaltbereit. Viele der frühen Ansätze sind vor allem von männlichen Perspektiven geprägt und heute, sage wir mal: umstritten. Etwa die "Prostitutionsthese" (um 1900), nach der sich die Frau aufgrund ihrer biologisch gegebenen Schwäche eher prostituieren würde, als kriminell zu werden. Oder die Annahme, dass die Unbeweglichkeit der weiblichen Eizelle im Vergleich zur beweglichen männlichen Samenzelle dazu führe, dass Frauen passiver und daher weniger gewaltbereit seien. Oder die "Ritterlichkeitstheorie" (1950), die davon ausgeht, dass männliche Justizbeamte gegenüber weiblichen Angeklagten Milde walten ließen und häufiger mal ein Auge zudrücken würden. Ein aktuelles Erklärungsmodell stammt von Heidelberger Kriminologen. Es basiert auf Elementen aus Handlungs-, Sozialisations- und Kulturtheorien. Demnach führt die geschlechtsspezifische Sozialisierung dazu, dass Mädchen und Jungen unterschiedliche Wertvorstellungen entwickeln. Der bedeutendste Unterschied betrifft idealistische Werte wie soziale Verantwortung und politische Toleranz: Laut Studien messen Frauen diesen Werten größere Bedeutung bei als Männer. In der Folge können sie Rechtsnormen besser akzeptieren und besitzen eine bessere Selbstkontrolle. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abos. Unterstütze unsere Arbeit und abonniere das Magazin gedruckt oder als E-Paper ab 19,90 Euro im Jahr! KATAPULT abonnieren