Spätestens seit Fridays for Future zur weltweiten Massenbewegung geworden ist, hat der Umweltschutz ein neues Image bekommen: grün, links und modern. Doch Naturschutz geht auch anders. Ganz anders. Seit über einem Jahrhundert ist er auch stark mit rechter Weltanschauung verbunden, vor allem in Deutschland. Völkische Siedler im ländlichen Raum, die Verknüpfung von Blut-und-Boden-Ideologie mit Natur- und Umweltschutz bis hin zu rassistischen Anthroposophen wie Rudolf Steiner aus dem Umfeld der Waldorfpädagogik. Und mittendrin: heimische Vogelarten. Landschaftsplanung in Auschwitz Persönlichkeiten wie Werner Bauch (1902-1983), Heinrich Wiepking-Jürgensmann (1891-1973) oder Alwin Seifert (1890-1972) stehen für die Entwicklung des nationalsozialistischen Naturschutzes und dessen Verflechtung mit der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Seifert war sogenannter Reichslandschaftsanwalt und unter anderem beim Bau der Autobahnen für den Naturschutz zuständig. Bauch und Wiepking-Jürgensmann sollten für den Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz, Rudolf Höß, die Landschaftsplanung vor Ort verwirklichen. Genauso wie das wohl größte Landschaftsplanungsprojekt der Nationalsozialisten: die Begrünung des »Westwalls«, einer rund 630 Kilometer langen Verteidigungsanlage im Westen Deutschlands. So sollten Gefechtsstellungen und Bunker für feindliche Flugzeuge getarnt werden.  Um das Unternehmen umzusetzen, wurden auch Zwangsarbeiter eingesetzt. Auch am »Generalplan Ost«, der Kolonisierung der eroberten osteuropäischen Gebiete, waren die Naturschützer aktiv beteiligt.  Der Naturschutz wurde 1935 sogar mit dem Reichsnaturschutzgesetz erstmals juristisch einheitlich festgehalten, und galt in der Bundesrepublik noch bis in die Siebzigerjahre. Verändert hatte sich dadurch aber recht wenig. Viele Naturschutzgebiete bestanden bereits, teilweise seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Große Flächen unberührter Natur bewirtschaftete aber neuerdings der Reichsarbeitsdienst: Flüsse wurden begradigt, Moore und Sümpfe trockengelegt und neue landwirtschaftliche Flächen erschlossen. Erste Ansätze, die Schadstoffemissionen von Kraftwerken zu reduzieren, wurden von der NS-Regierung verworfen. Die chemische Industrie wurde sogar ausgebaut und die Verschmutzung der Gewässer nahm zu; Naturräume wurden in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt. Wirtschaftspolitische Interessen waren dann doch wichtiger als der Naturschutz. Grafik herunterladen Viele Namen wurden noch nicht geändert Auch im Bereich der Naturforschung hinterließen die Nazis ihre Spuren. Das »Handbuch der deutschen Vogelkunde« etwa, ein einflussreiches Standardwerk aus der NS-Zeit, stammt vom späteren Waffen-SS-Mitglied Günther Niethammer (1908-1974). Zeitweilig war er in Auschwitz stationiert, veröffentlichte 1941 gar seine Beobachtungen über die Vogelwelt von Auschwitz. Jonas Voß von der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (Farn) verweist auf den Einfluss Niethammers und die Rolle nationalsozialistischer Weltanschauung im Naturschutz. 1937 benannte der Vogelkundler beispielsweise den Schmalschnäbligen und den Plattschnäbligen Wassertreter in Odins- und Thorshühnchen um. Die Namen gelten bis heute, obwohl sie durch das Tilgen der Eigenschaften die schlechteren Bezeichnungen sind und ein klarer Verweis auf die von den Nationalsozialisten verklärte nordische Mythologie. Derartige Namensgebungen sind aber bei Weitem kein Einzelfall. Die Schwedische Orninthologische Gesellschaft hat schon vor einigen Jahren zehn Vogelarten aufgrund ihrer diskriminierenden Namen umbenannt. Zuvor gab es auch schon in Norwegen und Dänemark ähnliche Vorhaben. In den USA gibt es die Initiative »Bird Names for Birds« (»Vogelnamen für Vögel«), die sich gegen unpassende und rassistische Namen einsetzt. Dass Bezeichnungen wie Hottentotten, Mohr und Ähnliche im gesellschaftlichen Rahmen nicht mehr zeitgemäß sind, steht außer Frage. Bei den Vogelnamen hingegen ist die Diskussion aber noch ganz am Anfang. In Schweden gab es hingegen schon Umbenennungen. Aus dem in Südamerika lebenden Zigeunervogel (zigenarfågel) wurde der Hoatzin. Kaffernsegler (Kafferseglaren) und Weißbrust-Negerfink (vitbröstad negerfink) heißen übersetzt jetzt Weißbürzelsegler und Weißbrust-Nigrita – im Deutschen auch als Mantelschwärzling bekannt. In Deutschland wurde aus der Mohrenlerche die Schwarzsteppenlerche. Ihre ursprünglichen Bezeichnungen gehen zum Teil weit zurück in die Zeit der europäischen »Entdecker«. Die Debatte ist zwar angestoßen, doch viele Namen, auch bei anderen Tierarten, bestehen weiterhin. Grafik herunterladen Vogel des Jahres 2021: Nazis stimmen für den Goldregenpfeifer Jonas Voß von der Farn verweist noch auf ein weiteres Problem: die historische Kontinuität der verantwortlichen Umwelt- und Naturschutzakteure. Denn was haben Niethammer, Seifert, Bauch und Wiepking-Jürgensmann gemeinsam? Sie alle waren im Bereich des Naturschutzes im Dienste der Nationalsozialisten tätig – und das keineswegs als Mitläufer – und konnten ihre Karrieren nach Ende des Zweiten Weltkrieges problemlos fortsetzen. Niethammer wurde 1957 von der Universität Bonn zum Professor für Ornithologie ernannt, 1968 bis 1973 war er Präsident der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft. Alwin Seifert kehrte an die TU München zurück und war 1958 bis 1963 Bundesleiter beim BUND Naturschutz in Bayern. Wiepking-Jürgensmann, neben Seifert einer der bedeutendsten Landschaftsplaner der NS-Zeit, übernahm 1948 einen Lehrauftrag an der neu gegründeten Hochschule für Gartenbau und Landeskultur in Hannover, die später Teil der TU Hannover wurde. 1949 folgte die Professur, 1959 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen. Werner Bauch war 1952 bis 1968 Professor für Landschaftsarchitektur an der TU Dresden. Die Beispiele ließen sich mit vielen weiteren Namen fortführen.  Heute gibt es verschiedene Stoßrichtungen rechtsgrüner Bewegungen innerhalb des Naturschutzdiskurses. Bei den »Bauernprotesten« in diesem und im vergangen Jahr etwa sah man auf den Demonstrationen die »Landvolk«-Flagge, im Sommer letzten Jahres formten gar über 200 Traktoren ein riesiges Landvolksymbol auf einem nordfriesischen Acker. Die Landvolkbewegung stand in den 1920er-Jahren in Schleswig-Holstein vor allem für völkische Ideologie sowie antisemitische und republikfeindliche Positionen. Spätestens seit Anfang der 2000er stehen auch die völkischen Siedler im medialen Fokus. Vor allem, aber nicht nur, in den ostdeutschen Bundesländern erschaffen sie sich eine Art Parallelgesellschaft nach nationalsozialistischem Vorbild – inklusive Bio und Naturschutz. Besonders absurd aber wurde es, als der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zur Wahl des Vogels 2021 aufrief. Unzählige alte und neue Rechte beteiligten sich in den sozialen Netzwerken und forderten ihre Anhänger auf, für den Goldregenpfeifer zu stimmen. Wieso? Der Schweizer Schriftsteller Armin Mohler, ein Vordenker der Neuen Rechten, hatte den Regenpfeifer zum neurechten Wappentier erklärt. Die Vögel gelten als besonders aufmerksam und sollen kommenden Regen ankündigen. Darauf Bezug nehmend nannte Mohler jene für ihn einflussreiche Denker Regenpfeifer, die »drohendes Unheil« ankündigen. »Selbstverständlich hat diese mystische Projektion nichts mit der biologischen Realität von Regenpfeifern zu tun«, so Jonas Voß. Diese Perspektive ergibt aus ornithologischer Sicht also wenig Sinn, unterstreicht aber, wie ideologisch aufgeladen Vogelnamen sein können. Gewonnen hat am Ende übrigens das Rotkehlchen – es galt früher unter anderem als Überbringer der Sonne. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abos. Unterstütze unsere Arbeit und abonniere das Magazin gedruckt oder als E-Paper ab 19,90 Euro im Jahr! KATAPULT abonnieren