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Mülltrennung

Schlechter als gedacht

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Den größten Anteil am Restmüll hat der Biomüll. Um das herauszufinden, ließ das Umweltbundesamt von 2017 bis 2019 den Inhalt von umgerechnet mehr als 2.800 Restmülltonnen von Hand sortieren. Durch die Stichprobe weiß es nun sehr gut, wo in Deutschland was in der Tonne landet. 39,3 Prozent des untersuchten Mülls – gemessen am Gewicht – könnte in die Biotonne. Der eigentliche Restmüll macht nur 32,6 Prozent aus. Warum das Bundesamt das wissen wollte? Je besser die verschiedenen Inhaltsstoffe voneinander getrennt werden, desto einfacher ist ihre Aufbereitung. Mischungen eignen sich oft nur noch für die Müllverbrennungsanlage. Fast ein Drittel des Mülls aus deutschen Haushalten wird verbrannt.

An der mangelhaften Sortierung sind nicht unbedingt Mülltrennungsverweigerer oder Falschsortierer schuld. An vielen Orten haben die Bürger gar keine andere Wahl, als ihre Küchenabfälle in den Restmüll zu werfen. Nicht alle Kommunen bieten ihren Bürgern eine Biotonne an, obwohl es seit 2015 Gesetz ist, Biomüll getrennt zu sammeln. Von den 402 Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland haben 48 gar keine Biotonnen. In weiteren acht Kreisen gibt es zwar welche, aber nicht für alle, sondern nur für ausgewählte Gemeinden oder Siedlungen. In diesen Kommunen können Bürger ihren Biomüll zu Sammelstellen der Entsorgungsbetriebe bringen. Den Aufwand macht sich aber kaum jemand. Ein Bringsystem oder ein freiwilliges Aufstellen von Biotonnen hält das Umweltbundesamt für nicht ausreichend und empfiehlt stattdessen eine bundesweite Biotonnenpflicht. Wo der Biomüll getrennt gesammelt wird, wirft eine Person jährlich etwa 19 Kilogramm weniger Bioabfälle in den Restmüll.

Die Menschen scheinen bereit zu sein, ihren Müll zu trennen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Das zeigt sich auch bei anderen Materialien. Das Umweltbundesamt untersuchte 1985 schon einmal die Inhalte deutscher Mülltonnen. Seitdem hat sich die Masse des Abfalls in den Restmülltonnen fast halbiert: von damals 239 Kilogramm pro Einwohner auf 128 im Jahr 2018. Der Grund dafür ist nicht weniger Müll, sondern die bessere Mülltrennung. Glas, Papier, Biomüll, Verpackungen aus Plastik und Metall werden im- mer noch weggeworfen. Sie werden aber in an- deren Tonnen getrennt gesammelt. Die Menge all dieser Stoffe im Restmüll ist seit 1985 gesunken. Die Masse an tatsächlichem Restmüll pro Kopf liegt heute aber höher als 1985: Sie ist um knapp 4 Kilogramm pro Person und Jahr gestiegen.

Jedes Jahr verursacht ein Deutscher über 600 Kilogramm Müll im Haushalt und lag damit im EU-Vergleich zuletzt auf Platz vier. Der EU-Durchschnitt liegt bei etwa 490 Kilogramm pro Kopf. Nur Malteser, Zyprer und Dänen warfen 2017 noch mehr weg als Deutsche. In den Inselstaaten tragen aber auch die Touristen einen merklichen Teil dazu bei. Vor allem die wohlhabenden EU-Staaten liegen über dem Durchschnitt.

Vermeiden, recyceln, verbrennen

Damit von dem Müll in der EU mehr recycelt wird, hat das Europäische Parlament die »Hierarchie für die Abfallbewirtschaftung« festgelegt. Sie besagt: Müll am besten vermeiden, sonst recyceln. Wenn das nicht geht: zur Stromerzeugung verbrennen und schlimmstenfalls deponieren. Mülldeponien sind die umweltschädlichste Form der Entsorgung, aber oft auch die billigste.

Im besten Fall fällt Müll gar nicht erst an. Reparaturen, langlebige Produkte und Mehrwegverpackungen vermeiden Müll, ebenso wie Verzicht. Davon ist in Deutschland jedoch nicht viel zu erkennen. Zwar sinkt derzeit die Menge des Mülls, die ein Einwohner in Deutschland verursacht, aber nur langsam. Seit dem Höchststand 2016 ist die Menge bis 2018 wieder etwas gesunken.

Die nächstbeste Option ist Recycling. Damit Müll noch für etwas zu gebrauchen ist, muss er möglichst streng nach Material getrennt werden. Altpapier, das schon in nassen Abfällen aufgeweicht ist, kann nur noch schwer zu neuem Papier gemacht werden. Und Biomüll, der Plastik enthält, eignet sich nicht für den Kompost.

Seit 30 Jahren Streitthema

Die Verbraucher sollen sortieren, um die Entsorgung zu erleichtern und sogar Wiederverwertbares zu finden. Dass man in seiner eigenen Küche überhaupt Abfall auf mehrere Behälter verteilt, ist eine recht neue Idee. Mülltrennung kam erst in den 1990ern so richtig in Mode. Seitdem wird darüber gestritten. Ökologisch sinnvoll, sagen die einen. Übertriebener Aufwand, sagen die anderen. Kritiker bemängeln, es lohne sich nicht, bei Privathaushalten anzusetzen, denn dort fallen weniger als ein Zehntel des Mülls in der EU an. Bau und Industrie verursachen viel mehr. Befürworter wollen wenigstens das Zehntel ordentlich sortieren. Jeder Bürger könne seinen Teil beitragen, denn auf den Abfall im eigenen Haushalt hat jeder direkten Einfluss.

Sauber getrennt, können die einzelnen Materialien weiterverarbeitet werden. Biomüll kann zum Beispiel als Kompost statt Kunstdünger oder Torf verwendet oder in Biogasanlagen durch Vergärung in Strom und Wärme umgewandelt werden. Das ersetzt fossile Energieträger. Laut Berechnungen des Umweltbundesamts kompensiert die Vergärung einer Tonne Biomüll so viel fossile Energieträger, dass zwischen 100 und 200 Kilogramm CO2-Äquivalent eingespart werden, je nach Stand der Technik der Biogasanlage. Kompostierung spart ungefähr 40 Kilogramm CO2-Äquivalent pro Tonne Biomüll.

Auch die Wiederverwendung von Glas, Papier und Kunststoff schont Ressourcen. Den größten Teil des Plastikmülls machen Einwegprodukte und Verpackungen aus. Doch Plastik zu sortieren, ist gar nicht so einfach. Es gibt über einhundert verschiedene Arten Kunststoff und viele Verpackungen sind gleich aus mehreren davon zusammengesetzt.

Immer mehr Plastik

Seit den 90ern nimmt die Menge an Verpackungsmüll zu. Nur 2009, im Jahr der Wirtschaftskrise, gab es einen kurzen Rückgang: Wer wenig kauft, kauf auch wenig Verpackungen. Seitdem ist der Konsum jedoch wieder gestiegen und die Produktion von Verpackungsmüll auf einem Rekordhoch. 2017 fielen insgesamt 18,7 Millionen Tonnen davon an. Etwa 6,1 Millionen davon waren Plastik. Das Umweltbundesamt nennt Gründe für die Zunahme des Verpackungsmülls: Es gibt immer mehr kleine Haushalte, und die kaufen kleinere Packungen. Je kleiner die Packung, desto mehr Verpackungsmüll pro Inhalt fällt an. Weitere Faktoren sind der stark wachsende Onlinehandel, To-go-Essen, Fertiggerichte und der steigende Nahrungsmittelverbrauch pro Kopf.

Mehrwegverpackungen sind ökologisch sinnvoll, aber unbeliebt. Die Mehrwegquote nimmt in Deutschland ab. Daran hat auch das 2003 eingeführte »Dosenpfand« nichts geändert. 1997 waren noch 72 Prozent der Getränke in Mehrwegbehälter verpackt, 20 Jahre später waren es nur noch rund 42 Prozent. Vier von zehn Verbrauchern haben zudem Schwierigkeiten, Einweg- und Mehrwegverpackungen auseinanderzuhalten.

Und nicht überall haben Kunden die Wahl: Einige große Discounter bieten gar keine Mehrwegverpackungen an und auch Getränke zum Mitnehmen sind meist in Einwegverpackungen abgefüllt. Über die Hälfte aller Getränke wird in Einwegplastikflaschen verkauft. Andere Einwegverpackungen wie Dosen und Einwegglasflaschen machen weniger als vier Prozent der Getränkeverpackungen aus. PET-Flaschen werden in Pfandautomaten getrennt von anderem Müll gesammelt. Sorten- rein, nennen das die Fachleute. Diese saubere Sammlung aus reinem PET können Recyclingfirmen besser wiederverwerten als den gemischten Plastikmüll aus der Gelben Tonne oder dem Restmüll.

Bei seiner Untersuchung des Restmülls fand das Umweltbundesamt rund sieben Gewichtsprozent Kunststoff. Ob der besser in die Gelbe Tonne gepasst hätte, weiß man nicht. Für die Gelbe Tonne müssen Verbraucher ihren Müll nicht nach Material, sondern nach Funktion trennen. Nur Verpackungen gehören dort hinein. Selbst wenn ein Gebrauchsgegenstand aus typischem Verpackungsmaterial besteht, darf er nicht in die Gelbe Tonne. Denn die wird von Verpackungsherstellern über das Duale System finanziert. Wer Müll in Umlauf bringt, soll ihn auch wieder entsorgen – oder zumindest die Entsorgung bezahlen. Deshalb wurden Anfang der Neunzigerjahre die Hersteller zur Rücknahme von Verpackungen verpflichtet. Statt eigene Mülltonnen aufzustellen, bezahlen Hersteller Entsorgungsbetriebe dafür, dass sie Gelbe Tonnen für Verpackungsmüll aufstellen und leeren.

Plastik nach Asien

Wie bei der Biotonne gibt es auch hier regionale Unterschiede. In manchen Regionen stellen Einwohner gelbe Säcke statt Tonnen vor die Tür. Und in manchen süddeutschen Kommunen gibt es weder das eine noch das andere, hier müssen Bürger ihren Verpackungsmüll zu Containern bringen. In anderen Gemeinden hat man die Trennung von Müll nach Funktion abgeschafft und statt der Gelben eine Wertstofftonne eingeführt. Darin darf auch alles gesammelt werden, was zwar keine Verpackung ist, aber trotzdem aus typischem Verpackungsmaterial wie Blech oder Kunststoff besteht. Das erleichtert das Sortieren als Vorbereitung für das Recycling.

Bei Plastikabfall ist die Recyclingquote noch niedriger als beim Müll insgesamt. Nur 15,6 Prozent des deutschen Plastikmülls werden zu neuen Produkten, rund 67 Prozent werden verbrannt. Dabei hätte Recycling die bessere Energiebilanz. Immerhin: Beim Deponieren, der schlechtesten Form der Abfallbehandlung, hat Deutschland eine relativ gute Quote. Weniger als ein Prozent des Haushaltsmülls endet auf Deponien. Es gibt aber noch eine weitere Art, mit Müll um- zugehen, die in der Abfallhierarchie der EU gar nicht genannt wird: Export. Europäische Länder exportieren Abfälle zur Wiederverwertung ins Ausland. Aus Deutschland verließen 2018 über 740.606 Tonnen Plastikmüll das Land. Das sind etwa 14.812 Container.

Bis 2018 haben wohlhabende Staaten ihre Abfälle in großem Stil nach China exportiert. Dort will man den Müll aber nicht mehr und verhängte strenge Regeln für die Einfuhr. Seitdem geht er vor allem nach Malaysia. 2018 schickte Deutschland 132.106 Tonnen Plastikmüll dorthin. Ob der exportierte Abfall anderswo aufbereitet, verbrannt oder eingelagert wird, ist nicht bekannt. Eine bessere Mülltrennung könnte helfen, das Problem vor Ort selbst zu lösen, statt es in andere Länder zu exportieren.

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Fußnoten

  1. Umweltbundesamt (UBA, Hg.): »Vergleichende Analyse von Siedlungsrestabfällen aus repräsentativen Regionen in Deutschland zur Bestimmung des Anteils an Problemstoffen und verwertbaren Materialien«. Factsheet zur UBA-Studie, 2020.
  2. UBA (Hg.): Vergleichende Analyse von Siedlungsrestabfällen aus repräsentativen Regionen in Deutschland zur Bestimmung des Anteils an Problemstoffen und verwertbaren Materialien. Abschlussbericht, Dessau-Roßlau 2020, S. 104.
  3. Destatis (Hg.): Abfallbilanz 2018, 2020.
  4. Naturschutzbund Deutschland (NABU, Hg.): Mehr Biotonnen braucht das Land, auf: nabu.de (Juli 2018).
  5. UBA Factsheet 2020.
  6. UBA Abschlussbericht 2020, S. 125.
  7. Ebd., S. 106f.
  8. Eurostat (Hg.): Siedlungsabfälle nach Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen, auf: ec.europa.eu (3.7.2020, neueste Daten 2018).
  9. Europäisches Parlament (EP, Hg.): Abfallwirtschaft in der EU: Zahlen und Fakten, auf: europarl.europa.eu (9.4.2018).
  10. Ebd.
  11. Eurostat 2020.
  12. Via Textanalysetool »Google Ngram Viewer«, Begriff »Mülltrennung« (1900-2019, deutsch).
  13. EP 2018.
  14. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; UBA (Hg.): Ökologisch sinnvolle Verwertung von Bioabfällen. Anregungen für kommunale Entscheidungsträger, Berlin/Dessau-Roßlau 2012, S. 38.
  15. UBA (Hg.): Verpackungsabfälle, auf: umweltbundesamt. de (23.12.2019).
  16. UBA (Hg.): Kunststoffabfälle, auf: umweltbundesamt.de (20.12.2018).
  17. UBA 2019.
  18. NABU: Der NABU-Mehrweg-Guide, auf: nabu.de.
  19. PricewaterhouseCoopers (Hg.): Deutsche Verbraucher fordern weniger Verpackungsmüll, auf: pwc.de (11.2.2018).
  20. Arbeitskreis Mehrweg (Hg.): 91 % aller Verbraucher halten Mehrweg für die nachhaltigste Verpackung, auf: mehrweg.org (19.11.2018).
  21. UBA 2019.
  22. UBA Abschlussbericht 2020, S. 93.
  23. Ebd, S. 41.
  24. BUND/Böll- Stiftung 2020, S. 36.

Autor:innen

Seit 2020 als Redakteurin bei KATAPULT vor allem für aktuelle Berichterstattung zuständig. Sie ist ausgebildete Fotografin und studierte Technikjournalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

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