Entgegen den Prognosen entschied Politikneuling Wolodymyr Selenskyj den ersten Wahlgang klar für sich. Er brachte es auf 30,2 Prozent der abgegebenen Stimmen, während seine Kontrahenten Poroschenko mit 16 Prozent und Tymoschenko mit lediglich 13,4 Prozent das Nachsehen hatten. Somit erreichte keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit und es kommt zur Stichwahl zwischen Poroschenko und Selenskyj, die voraussichtlich am 21. April stattfinden wird. Einem TV-Duell vor der Stichwahl stimmte Medienunternehmer Selenskyj nur unter seinen Bedingungen zu: Die Debatte solle live von allen Sendern aus Kiews Olympiastadion übertragen werden und allen Journalisten müsse Zutritt gewährt werden. Vorher müssen sich beide Kandidaten einem Drogentest unterziehen und Poroschenko solle sich zudem für die Anschuldigungen gegen Selenskyj während des Wahlkampfs entschuldigen. Poroschenko hatte diesem immer wieder vorgeworfen, nur eine »Marionette« des Oligarchen Ihor Kolomojskyj zu sein. Neuer Präsident ohne Agenda? Poroschenko ist amtierender Präsident der Ukraine und erfolgreicher Geschäftsmann, der sein Vermögen in der Süßwarenindustrie machte. Seine Partei »Block Petro Poroschenko 'Solidarität'« verfolgt einen nationalkonservativen Kurs. Sie bildet ein Wahlbündnis mit Vitali Klitschkos »Ukrainische demokratische Allianz für Reformen« (UDAR) und setzt sich für ein Ende des bewaffneten Konflikts im Donbass bei gleichzeitiger Annäherung an die EU ein. Die konkurrierenden Parteien unterstellen Poroschenko Wahlmanipulation und Stimmenkauf. Sein Herausforderer Selenskyj ist vor allem als TV-Comedian bekannt. In seiner Show »Diener des Volkes« (»Sluga Naroda«) – die auch namensgebend für seine politische Partei ist – spielt er einen Lehrer, der unverhofft zum Präsidenten der Ukraine wird und dabei das Ideal eines Politikers mit einem hohen Maß an Integrität verkörpert. In der Realität gilt Selenskyj als politisch unerfahren; er hat keine politische Agenda und nur ein lückenhaftes Wahlprogramm, spricht sich allerdings offen gegen Korruption aus und unterstützte die Euromaidan-Bewegung. Seine Kritiker sehen in ihm jedoch niemanden, der in der Lage wäre, sich gegen eine mächtige Person wie Putin zu behaupten. Zwölf Prozent der Bevölkerung von Wahl ausgeschlossen Der blutige Euromaidan in Kiew führte 2014 zur Absetzung der pro-russischen Regierung unter Wiktor Janukowytsch. Zugleich war dies der Ausgangspunkt für den Krieg in der Ost-Ukraine und die Annexion der Krim-Halbinsel durch Russland. Im Laufe der Kampfhandlungen zwischen ukrainischer Armee und pro-russischen Separatisten wurden seit Beginn des Krieges Schätzungen der UNO zufolge bereits 13.000 Menschen getötet – darunter 3.300 Zivilisten. Nach den Protesten von 2014 ist die Einstellung der Ukrainer überwiegend pro-europäisch. Die politische Agenda der aktuellen Präsidentschaftskandidaten spiegelt diese Linie wieder. Die Auswirkungen des Konflikts auf die Präsidentschaftswahl sind offensichtlich: Laut Angaben der EU-Kommission sind ungefähr zwölf Prozent der Bevölkerung nicht wahlberechtigt – dabei handelt es sich vor allem um die Ukrainer in Russland, den umkämpften Gebieten und der annektierten Krim. Die Ukraine ist per Definition des Internationalen Währungsfonds ein Entwicklungsland. In der ehemaligen »Kornkammer« der Sowjetunion entspricht das Durchschnittseinkommen pro Person mit monatlich 300 Euro nur einem Zehntel deutscher Verhältnisse. Neun Millionen Menschen (rund ein Fünftel der Bevölkerung) verdienen ihr Geld zeitweise oder dauerhaft im Ausland. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abonnements. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr. KATAPULT abonnieren