Die neu veröffentlichten Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität des Bundesinnenministeriums erscheinen erschreckend. Grund: Die politisch motivierte Kriminalität hat im Jahr 2020 einen Höchststand erreicht. Vor allem die Hasskriminalität hat zugenommen. Dazu zählen alle Straftaten, die aufgrund von Vorurteilen gegenüber Gruppen begangen werden, beispielsweise antisemitische oder ausländerfeindliche Straftaten. Mehr als die Hälfte der Straftaten seien rechtsextrem motiviert gewesen. Insgesamt habe es 23.604 rechtsextrem motivierte Straftaten gegeben, also 5,7 Prozent mehr als 2019. Der Rechtsextremismus bleibt die größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland, so Bundesinnenminister Horst Seehofer.  Doch auch die politisch links motivierten Straftaten stiegen von 2019 auf 2020 an - um 11,4 Prozent. Im Vorjahr waren es 23 Prozent. In den Medien ist dann von stark steigender linker und rechter Kriminalität die Rede, die ohne Blick auf die Hintergründe der Statistik ein verzerrtes Bild liefern können. Um die Zahlen richtig einzuordnen, muss man verstehen, wie die Statistik zustande kommt. Polizei entscheidet über politisch motivierte Kriminalität Die Statistik dokumentiert polizeiliche Tätigkeiten. Sie ist eine sogenannte Eingangsstatistik. Beamte entscheiden bereits zum Tatzeitpunkt, ob ein extremistischer Tathintergrund besteht. Diese Einschätzungen müssen aber durch genauerer Ermittlung des jeweiligen Falles bestätigt werden. Sie sind damit nur bedingt verlässlich und hängen unter anderem auch von den jeweiligen Beamt:innen ab, die den Fall aufnehmen. Dass Polizeikräfte nicht alle politisch motivierten Straftaten sofort erkennen, zeigt sich etwa beim Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Die Straftat wurde direkt nach der Tat nicht als politisch rechts eingestuft, sondern erst ein halbes Jahr danach. Die Gesamtzahl an politisch motivierten Straftaten zu vergleichen, liefert kein Bild des Ausmaßes der Kriminalität. So zeigt sich etwa, dass 2020 ein Tötungsdelikt als rechts eingestuft wurde. Das war der Anschlag in Hanau, bei dem zehn Menschen starben. Gleichzeitig werden über 3.000 rechte Straftaten als “andere Straftaten” kategorisiert. Was das ist? Darüber gibt die Statistik keine Auskunft. Die meisten rechten Straftaten wurden als Propagandadelikte eingestuft, dem folgen Volksverhetzung und Sachbeschädigungen. Die meisten Fälle von linker Kriminalität sind Sachbeschädigungen, dazu zählen etwa auch Verunstaltungen von Wahlplakaten.  Neu in der Statistik: die Auswirkungen der Corona-Pandemie. In Zusammenhang mit Corona-Protesten seien 3.500 Straftaten verzeichnet worden, heißt es. Darunter habe es 500 Gewalttaten gegeben. Das zeigt sich auch in einem Anstieg von Gewalt gegenüber Amtsträger:innen und Polizeikräften. 2.900 links motivierte Straftaten gab es gegenüber der Polizei. Dem gegenüber stehen 1.466 rechte Straftaten, die sich gegen die Polizeikräfte richteten. Die Aufklärungsquote der politisch motivierten Straftaten liegt 2020 bundesweit bei knapp über 43 Prozent. Dazu kommen noch jene Straftaten, die gar nicht erfasst werden. Schätzungen gehen von einer sehr hohen Dunkelziffer aus. Die Erhebung dieser Zahlen ist relevant, denn “politisch motivierte Straftaten stellen eine besondere Bedrohung für unsere Gesellschaft dar”. So beschreibt es das Innenministerium. Mit diesen Zahlen wolle man möglichst früh gefährliche politische Entwicklungen und Tendenzen erkennen. Trotzdem habe das Innenministerium versäumt, auch was gegen die steigende Kriminalität zu tun, kritisieren Grüne und FDP. Erneut steigen die Zahlen, effektive Maßnahmen bietet Seehofer aber nicht. Es brauche mehr Schulungen für Polizei und Staatsanwälte, um politisch motivierte Kriminalität besser analysieren zu können, so Benjamin Strasser von der FDP. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abos. Unterstütze unsere Arbeit und abonniere das Magazin gedruckt oder als E-Paper ab 19,90 Euro im Jahr! KATAPULT abonnieren