Bundeskanzler Olaf Scholz engagiert Mario Barth als Witzeschreiber! Okay, das stimmt nicht, ist aber weniger abwegig, als es auf den ersten Blick erscheint. Die US-Präsidenten John F. Kennedy und Bill Clinton beispielsweise beschäftigten Menschen, die ihre Reden an geeigneten Stellen lustiger machen sollten. Heute kann ein Tweet mehr bewirken als zwanzig Reden. Grund genug, sich anzuschauen, ob und wie Politiker:innen auf Twitter Witze reißen. Das taten Forscher:innen aus Chile, den USA und Spanien und untersuchten die Twitter-­Profile von 27 chilenischen Politiker:innen. Anhand von insgesamt 6.443 Tweets aus dem Jahr 2016 analysierten sie, welche Art von Humor besonders häufig verwendet wurde und ob etwa landesweite Beliebtheitswerte einen Einfluss darauf hatten. Zudem schauten sie sich an, ob es Unterschiede hinsichtlich des Alters, des Geschlechts oder der politischen Orientierung gab. Berücksichtigt wurden ausschließlich Beiträge, in denen die Politiker:innen selbst Inhalte verfasst hatten. Re­tweets ohne Kommentar wurden nicht bewertet, ebenso wenig wie Nachrichten, die lediglich aus einem »hahaha« oder Ähnlichem bestanden. Die Forscher:innen fanden heraus, dass die Mehrzahl der lustig gemeinten Tweets einen aggressiven Humor nutzten, der sich gegen andere Nutzer:innen richtete. Über sich selbst machten die Politiker:innen hingegen nur sehr selten Witze. Etwas häufiger nahmen ihre mehr oder weniger humorvollen Kurznachrichten Bezug auf politische oder gesellschaftliche Zustände, etwa das Gesundheitssystem. Zwischen linken und rechten Politiker:innen konnten die Forschenden keinen Unterschied feststellen. Wichtig war aber, ob es sich um Mitglieder der Regierung handelte oder ob Oppositionelle in die Tasten hauten. Aus der Opposition heraus wurde deutlich mehr aggressiver Humor verwendet als von Regierungsseite. Insgesamt weniger Witze gab es nach der Veröffentlichung nationaler Beliebtheitsrankings, vor allem aggressiver Humor nahm dann ab. Ob die Umfragen hierfür ausschlaggebend waren, konnten die Forscher:innen nicht zweifelsfrei belegen. Sicher ist hingegen, dass Männer in der Politik mehr aggressiv-humoristische Tweets verfassen als Frauen. Das, so die Forschenden, hänge mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zusammen, dass Männer einen Hang zu aggressivem oder sexuell aufgeladenem Witz haben. Dass aus der Opposition heraus härter gewitzelt wird als von der Regierungsbank, führen die Forschenden auf zwei Gründe zurück. Zum einen ist der Ton vonseiten der Opposition häufig rauer, weil eine ihrer Aufgaben das Kritisieren der Regierung ist. Und zum anderen können besonders harte Angriffe in Form humoristischer Nachrichten geäußert werden. Im Zweifelsfall könnten sich die Attackierenden nämlich oftmals mit einem »war doch nur ein Witz« aus der Affäre ziehen. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abos. Unterstütze unsere Arbeit und abonniere das Magazin gedruckt oder als E-Paper ab 19,90 Euro im Jahr! KATAPULT abonnieren