Sand ist seit der Erfindung von Stahlbeton vor 150 Jahren zum Star unter den natürlichen Ressourcen aufgestiegen: ohne Sand kein Stahlbeton, ohne Stahlbeton keine Häuser, Brücken und Straßen. Baustellen überall auf der Welt würden ohne den unscheinbaren Rohstoff stillstehen. Aber auch in Alltagsprodukten wie Elektronik oder Kosmetik stecken die kleinen Körnchen. Sand entsteht zwar durch natürliche Erosion, dieser Prozess dauert aber bis zu Tausende Jahre. Eine Zeitspanne, die den Bedürfnissen der Menschen nicht wirklich entspricht. Die Sandvorkommen sind begrenzt – der Sand wird knapp. Die UN haben 2014 zum ersten Mal auf die weltweite Sandknappheit aufmerksam gemacht. Laut ihrem Bericht werden jährlich weltweit 40 Milliarden Tonnen Sand abgebaut. Der größte Sandfresser ist die Bauindustrie: Beton besteht neben Zement und Wasser zu zwei Dritteln aus Sand. Für ein Einfamilienhaus werden etwa 200 Tonnen Sand benötigt, für einen Kilometer Autobahn unvorstellbare 30.000 Tonnen. In den letzten 30 Jahren ist die Nachfrage stetig gestiegen und sie wird – angetrieben von Bevölkerungswachstum und Verstädterung – weiterhin wachsen. Grafik herunterladen Was Sand ist, entscheidet die Korngröße: Alles, was zwischen 0,063 und zwei Millimetern groß ist, bezeichnen Geologen als Sand. Außerdem wird nach Zusammensetzung unterschieden. Je nachdem, ob es sich um Kalksteinbruchstücke, Schieferfragmente, Glimmer, Quarz oder sogar Diamanten handelt, ist die mineralogische Zusammensetzung verschieden. Die Bauindustrie braucht Meeressand. Wüstensand ist aufgrund der vom Wind rund geschliffenen Körner zu glatt, als dass er sich mit dem Zement verbindet. Sand entsteht durch die Verwitterung und Abtragung von Gesteinen in den Bergen und wird dann in Flüssen Richtung Meer transportiert. Auf dem Weg sind die Körner mit Hindernissen konfrontiert: 845.000 Staudämme weltweit halten einen Teil des Sandes davon ab, die Meere zu erreichen. 25 Prozent des Sandes werden schon an Flussufern abgebaut. Der Weg vom Gebirge ins Meer dauert zwischen 100 und 1.000 Jahre. Immer mehr Schwimmbagger, die bis zu 600.000 Tonnen Sand am Tag fördern können, werden in den Meeren positioniert, um den Sand anschließend verkaufen zu können. Obwohl die Sandförderraten in Europa und Nordamerika hoch sind, verbrauchen die schnell wachsenden asiatischen Länder derzeit die größten Sandmengen. Dort entstehen die Megastädte der Zukunft. Aus Sand. So auch das globale Finanzzentrum Singapur mit den glitzernden Fassaden seiner Shoppingcenter und Hochhäuser. Singapur ist eines der am dichtesten besiedelten Länder der Welt. Und nicht nur hier führt der Inselstaat die Rangliste an: Auch beim Pro-Kopf-Sandverbrauch liegt Singapur auf Platz eins. Pro Einwohner werden jährlich 5,4 Tonnen Sand verbraucht. Sand wird sowohl zur Landgewinnung als auch für den Bau von Wohnraum und infrastruktureller Einrichtung benötigt. Seit seiner Zeit als britische Kolonie in den 1950er-Jahren ist Singapurs Fläche um 20 Prozent gewachsen. Die Regierung unterstützt weitere Landgewinnungspläne, für die gigantische Mengen Sand importiert werden müssen. Bis 2030 möchte es um weitere 100 Quadratkilometer wachsen. Das entspricht einer Fläche von 14.000 Fußballfeldern. Durch die hohe Nachfrage sind die Preise für Sand gestiegen: Vor 20 Jahren kostete der Sand gerade mal drei US-Dollar pro Tonne. Inzwischen kauft Singapur den Rohstoff von Vietnam bis Myanmar für über 200 Dollar ein. Die Behörden des Stadtstaats können oder wollen die deutliche Diskrepanz in den Statistiken nicht erklären. Die Landgewinnung wird vor allem durch den massiven Import aus Malaysia, Kambodscha und Vietnam ermöglicht, die jedoch offiziell den Export wegen eigener Sandknappheit verboten haben. Während beispielsweise Kambodscha 2011 offiziell noch 377.000 Tonnen nach Singapur exportierte, reduzierte sich diese Menge bis 2015 auf 11.000. Singapurs Behörden melden jedoch weiterhin einen enormen Sandimport aus Kambodscha. 2015 wiesen sie fast elf Millionen Tonnen importierten Sand aus. Offenbar wird er illegal weiterhin nach Singapur verkauft. In einer Region mit allgegenwärtigen weißen Sandstränden verschwinden so ganze Inseln und Küstenlinien – sodass sich selbst Grenzverläufe ändern. Demgegenüber entstehen dort Städte, wo einst nur Wasser war. Umweltschützer gehen davon aus, dass in den letzten sieben Jahren mehr als 500 Millionen Tonnen Sand aus den Mündungen der kambodschanischen Provinz Koh Kong nach Singapur verschifft wurden. Zurück bleiben zerstörte Mangrovenwälder und gefährdete Fischerdörfer. Aktuelle Ausgabe Dieser Text erschien in der elften Ausgabe von KATAPULT. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 19,90 Euro im Jahr. KATAPULT abonnieren