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Studie

Linke Fremdenfeindlichkeit in Europa

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Studie: „Left-Wing Xenophobia in Europe“ von Svenja Kopyciok und Hilary Silver (Juni 2021).

Wer xenophob ist, lehnt Personen ab, die als fremd oder andersartig wahrgenommen werden. Diese Haltung ist vor allem im rechten politischen Spektrum anzutreffen. In den vergangenen Jahren haben sich jedoch auch linkspopulistische Parteien derart positioniert. Warum? Sie bedienen damit die eigene Wählerschaft. Den Soziologinnen Svenja Kopyciok und Hilary Silver zufolge ist Fremdenfeindlichkeit nicht nur bei Menschen verbreitet, die sich als politisch rechts bezeichnen. Zu diesem Ergebnis kamen die Forscherinnen bei der Auswertung europaweiter Umfragedaten der Jahre 2002 bis 2018. Demnach vertraten zehn Prozent der Befragten mit extrem linken Einstellungen xenophobe Einstellungen – der zweithöchste Wert hinter der Personengruppe, die der extremen Rechten zuzuordnen ist. Befragt wurden Menschen in 15 Ländern ab einem Alter von 14 Jahren.

Xenophobie ist allerdings nicht gleich Xenophobie. Bei den befragten Personen, die sich als extrem links bezeichnen, spielen vor allem sozioökonomische Faktoren eine Rolle für ihre feindselige Haltung: Je unsicherer etwa ihre Arbeitsverhältnisse waren, desto eher neigten sie zu einer fremdenfeindlichen Haltung. Im rechten Spektrum waren diese Faktoren hingegen nicht ausschlaggebend: Rechte Personen vertreten unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation xenophobe Positionen. Ähnliches lässt sich in Hinblick auf das Bildungsniveau der extremen Rechten und Linken sagen. Unter den Linken verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit fremdenfeindlicher Einstellungen mit sinkendem Bildungsniveau, wohingegen Letzteres bei den Rechten keine Rolle spielt. Mit anderen Worten: Sehr gut gebildete Rechte sind mit derselben Wahrscheinlichkeit xenophob wie Rechte mit niedrigem Bildungsgrad.

Aber: Auch bei Linken ist die Wertschätzung kultureller Traditionen und Eigenheiten verbreitet. Sie lehnen Einwanderung also nicht nur ab, weil sie die eingewanderten Menschen als Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt oder für sozialstaatliche Zuwendungen begreifen. Sondern auch, weil sie die kulturellen Eigenheiten des Heimatlandes vermeintlich bedroht. Gemeinschaftlichen Traditionen und Gewohnheiten zu folgen, halten gut 30 Prozent der extrem Linken für sehr wichtig. Bei der extremen Rechten liegt der entsprechende Wert bei knapp 40 Prozent – in der Gesamtbevölkerung hingegen nur bei rund 17. Das ist überraschend, denn: Die politische Linke steht eigentlich für universelle Werte, die auf nationale Eigenheiten gerade keinen Wert legen. Warum diese Wertvorstellungen fremdenfeindliche Haltungen unter Linken nicht stärker verringern, können die Forscherinnen jedoch nicht erklären.

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