Briefwahlen können dafür sorgen, dass mehr Menschen wählen. Das betrifft zum Beispiel Menschen, die am Wahltag im Ausland sind oder aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Urne wählen können oder wollen. Während der Corona-Pandemie wird auch in Hinblick auf den Infektionsschutz immer wieder über Briefwahlen diskutiert. Doch viele sind skeptisch gegenüber dieser Wahltechnik. Eine Übersicht. Wahlberechtigte in Frankreich brauchen Person des Vertrauens 1975 wurde in Frankreich die Briefwahl durch die Vertretungsregelung ersetzt. Das heißt, dass Menschen, die nicht wählen gehen können oder wollen, jemanden beauftragen müssen, stellvertretend für sie eine Stimme abzugeben. Hierzu muss ein Formular ausgefüllt und von einem Polizeiamt bestätigt werden.  Grund für Wahlrechtsänderung 1975 war Wahlbetrug auf der Insel Korsika. Briefwahlen können leichter gefälscht werden, da beispielsweise Walbeobachtungen schwieriger sind. Deshalb sind sie nicht nur in Frankreich umstritten.  Auch bei den Kommunalwahlen im März konnte auf diese Weise gewählt werden. Zuvor gab es eine Debatte darüber, ob die Briefwahl in der Pandemie nicht doch wieder eingeführt werden sollte. Stattdessen wurde die Vertretungsregelung ausgeweitet Drive-In-Wahlen in Tschechien  Auch in Tschechien fand im Oktober 2020 die Kreis- und Senatswahlen unter schwierigen Pandemie-Bedingungen statt. Briefwahlen gab es in Tschechien auch bei dieser Wahl nicht. Stattdessen wurden Drive-In-Wahllokale eingerichtet, bei denen die Stimmen abgegeben werden konnten. Doch viele gingen gar nicht wählen. Die Wahlbeteiligung lag bei nur knapp 38 Prozent. Staatskrise in Polen  In Polen hatte die rechtskonservative Regierung vorgeschlagen, die Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2020 am bisher vereinbarten Termin als reine Briefwahl durchzuführen. Die Opposition warf der Regierung einen Staatsstreich vor. Durch den Lockdown war ein Wahlkampf für die Opposition kaum möglich, während der Präsidentschaftskandidat und Amtsinhaber Andrzej Duda von der PiS-Partei im staatlichen Fernsehen viel Sendezeit erhielt. Die PiS-Partei hatte kurz zuvor das Recht auf Briefwahlen eingeschränkt. 2011 wurden Briefwahlen erstmals ins polnische Wahlgesetz aufgenommen. Per Brief wählen durften Menschen mit Behinderung und Wählerinnen und Wähler im Ausland. Unter der liberal-konservativen Regierung von Donald Tusk wurde das Recht auf alle polnischen Wahlberechtigten im In- und Ausland ausgeweitet. 2019 schränkte die rechtskonservative PiS-Regierung dieses Recht wieder ein. Auch hier lautete die Begründung: mögliche Wahlmanipulation. Per Brief durften ab 2019 nur Menschen mit Behinderung im Inland wählen. Nach langen Diskussionen wurde bei den Präsidentschaftswahlen 2020 entschieden, dass die Wählerinnen und Wähler sowohl vor Ort als auch per Brief abstimmen dürfen. Dieser Entschluss ist durch einen sehr umstrittenen Trick entstanden. Der Wahltermin am 10. Mai letzten Jahres wurde formal beibehalten, die Wahl aber nicht durchgeführt. Die Wahlkommission erklärte die Wahl für ungültig, ein neuer Termin wurde festgesetzt. Das Parlament erließ das Gesetz, das den Wählerinnen und Wählern sowohl Urnen- als auch Briefwahl ermöglichte. Am Ende wurden nur 593.022 der 20.458.911 Stimmen per Brief abgegeben. Das sind weniger als drei Prozent. Deutsche lieben Briefwahlen In Deutschland fanden in im Frühjahr 2020 bayerische Kommunalwahlen statt - ohne großes Medienecho als reine Briefwahlen. Deutschland ist eines der wenigen EU-Länder, in denen Wahlberechtigte sowohl im In- als auch im Ausland per Briefwahl abstimmen dürfen. Dieses Recht gibt es seit 1957. Die Zahl der Briefwählenden ist seitdem nahezu kontinuierlich gestiegen. Bei der letzten Bundestagswahl 2017 wählte mehr als jeder vierte Wahlberechtigten per Brief.  Wahlberechtigte mussten früher einen Grund angeben, warum sie nicht zur Urne gehen konnten. Seit 2009 gilt diese Regelung nicht mehr. Dagegen wurde sogar geklagt. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte in einem Urteil 2013 aber, dass der allgemeine Zugang zu Briefwahlen verfassungsgemäß ist. Zwar könnte der Wahlrechtsgrundsatz der geheimen Wahl verletzt werden, gleichzeitig könnte aber ein anderer Wahlrechtsgrundsatz besser eingehalten werden, nämlich, dass alle wählen dürfen. Aber auch in Deutschland sind Briefwahlen nicht unumstritten. Der Bundeswahlleiter Georg Thiel sagte in Bezug auf die hohe Briefwahlquote bei der Europawahl 2019, dass die Briefwahl die Prinzipien der gleichen und geheimen Wahl beeinflussen könnte. Sie sollte daher nur als Ausnahmeregelung verstanden werden. Außerdem ist es auch in Deutschland zu Wahlmanipulation gekommen, zum Beispiel bei den niedersächsischen Kommunalwahlen 2016 oder den Kommunalwahlen 2014 in Sachsen-Anhalt. In beiden Fällen wurden Briefwahlunterlagen von anderen Personen ausgefüllt als den Wahlberechtigten, zum Beispiel von den Politikern selbst. Die Daten: Briefwahlen in EU-Ländern Laut einem Bericht der Europäischen Kommission waren 2018 in den meisten EU-Ländern Briefwahlen für Wahlberechtigte erlaubt, die sich während der Wahlen im Ausland befinden. Für 2020 liegen noch keine neuen Daten vor. KATAPULT hat deshalb die Innen- oder Wahlministerien der einzelnen EU-Länder nach dem neuesten Stand gefragt. Von mehr als der Hälfte der Länder konnte KATAPULT die Daten so bestätigen. Von einigen weiteren Ländern konnten die Daten durch weitere Recherchen ergänzt werden.  Die Daten zeigen: Briefwahlen im Inland sind in der EU eher die Ausnahme. Nur in sieben Ländern gibt es dieses Wahlinstrument. In den Ländern, in denen Briefwahl im Inland nicht möglich ist, können die Wahlberechtigten beispielsweise in Vertretung wählen, also eine Person des Vertrauens zur Wahl schicken. Eine andere Möglichkeit ist, die Stimmen an mobilen Wahlurnen abzugeben. Diese können an Orten aufgestellt werden, an denen viele Menschen nicht zur Wahl gehen können, zum Beispiel in Altenheimen oder Gefängnissen. In Estland kann auch online gewählt werden. Aktuelle Ausgabe KATAPULT ist gemeinnützig und unabhängig. Wir finanzieren uns durch Spenden und Abos. Unterstütze unsere Arbeit und abonniere das Magazin gedruckt oder als E-Paper ab 19,90 Euro im Jahr! KATAPULT abonnieren