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Im Jahr 2019 starben in Burkina Faso, Mali und Niger fast 90 Prozent mehr Menschen bei Kämpfen und Anschlägen als im Vorjahr. In Burkina Faso könnte die Zahl der Toten siebenmal so hoch sein wie 2018, mehr als eine halbe Million Menschen ist den Vereinten Nationen zufolge vertrieben worden. In Mali und Niger sind je fast 200.000 Menschen auf der Flucht. Tausende Schulen wurden geschlossen, Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das neue Jahr startete nicht minder dramatisch: Am 9. Januar attackierten Bewaffnete ein Militärlager im Niger und töteten 89 Soldaten.
„Die Bedrohung wird immer intensiver und breitet sich aus“, sagte Nigers Präsident Mahamadou Issoufou Ende Dezember in einem Interview über die Islamisten. „Die Situation ist besorgniserregend. Nicht nur für den Niger, auch für die anderen Staaten in der Sahelzone und für andere westafrikanische Staaten.“
Al-Qaida und der „Islamische Staat“ sind im Sahel aktiv
Die Eskalation der Gewalt ist das Ergebnis erstarkender dschihadistischer Terrorgruppen und sich verschärfender ethnischer Konflikte. Ihnen liegen komplexe politische und sozioökonomische Ursachen zugrunde – und das Kalkül der Extremisten.
Im Sahel gehören dazu die al-Qaida-nahe „Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime“, der „Islamische Staat in der größeren Sahara“ und Ansar ul-Islam. In einem aktuellen Bericht dokumentiert Human Rights Watch Kriegsverbrechen der beiden letztgenannten Gruppen in Burkina Faso und spricht von „ungehemmter Grausamkeit und völliger Missachtung menschlichen Lebens“. Auch den staatlichen Sicherheitskräften warf die Organisation schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vor.
Der momentane Konflikt im westlichen Sahel begann 2012 mit dem Vormarsch von Tuareg-Separatisten und islamistischen Kämpfern im Norden Malis. 2013 intervenierte die französische Armee und drängte die Extremisten zurück. Zudem sind die UN-Blauhelme seither mit rund 15.000 Mann in Mali stationiert, darunter deutsche Soldaten. Fortschritte hin zu einem nachhaltigen Frieden gab es jedoch nicht. Die Zahl der Konflikttoten in Mali könnte letztes Jahr einen neuen Höchststand erreicht haben. Zudem erstarkten die Dschihadisten ab 2016 auch in Burkina Faso, wo sich mit Ansar ul-Islam eine einheimische dschihadistische Miliz formierte.
Dabei vermischt sich die islamistische Bedrohung mit ethnischen Konflikten zu einer besonders vertrackten Situation. Längst würden die Terroristen eine Strategie verfolgen, die darauf basiere, Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen zu instrumentalisieren und zu schüren, so der Friedensforscher Bakary Sambe von der senegalesischen Gaston-Berger-Universität. So gelinge es den Extremisten einerseits, die Zahl der instabilen Gebiete zu erhöhen, und andererseits, militärische Konfrontationen zu erzwingen. Diesen Zustand könnten sie für ihre Propaganda und die Rekrutierung weiterer Mitglieder nutzen, so Sambe.
Konflikte zwischen Hirten und Bauern
So gibt es beispielsweise Konflikte um die Verteilung von Ressourcen wie Land und Wasser, die zu Auseinandersetzungen zwischen Hirten und Bauern führen. Die Politik der örtlichen Regierungen und der internationalen Entwicklungsorganisationen bevorteilt die Bauern, deren Äcker immer mehr Raum einnehmen. Das ist angesichts der wachsenden Bevölkerung auch notwendig. Dadurch gibt es jedoch auch immer weniger verfügbares Weideland. Unter anderem deshalb gelingt es den Dschihadisten, erfolgreich unter verbitterten Hirten zu rekrutieren. Weil viele von ihnen Fulani sind, sehen sich wiederum auch unbescholtene Angehörige dieser Volksgruppe Stigmatisierung und Racheakten ausgesetzt, was zu einer weiteren Ethnisierung des Konflikts beiträgt.
Zudem spielen den Radikalen die Fehlentwicklungen der Region in die Hände: Die Binnenländer Westafrikas gehören zu den ärmsten der Welt. Mangelernährung und Perspektivlosigkeit sind weit verbreitet, zugleich wächst die Bevölkerung rasch. Die lokalen Regierungen zeigen sich mit alledem überfordert. Vielerorts wenden sich Menschen vom Staat ab, weil die Regierungen versagen oder korrupt sind. Um Gewalt und Terror in der Region nachhaltig entgegenzutreten, müssten all diese Probleme adressiert werden.
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Autor:innen
Ist seit 2019 Redakteur bei KATAPULT. Studierte Islamwissenschaft und Zeitgeschichte. Journalistische Schwerpunkte: Kriege und Konflikte, internationale Politik, Autoritarismus und Menschenrechte.