Im Europa des Hochmittelalters galt Homosexualität als Sünde, aber nicht als Verbrechen. So wurde lediglich eine Kirchenbuße und der zeitweilige Ausschluss vom Abendmahl als Strafe auferlegt. Erst im 13. Jahrhundert begann die eigentliche Verfolgung homosexueller Menschen. Von nun an wurden sexuelle Handlungen unter gleichgeschlechtlichen Personen als Sodomie – ein widernatürliches Sexualverhalten – zusammengefasst und im Extremfall mit dem Tode auf dem Scheiterhaufen bestraft. Erst zum Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Sodomiegesetze in vielen europäischen Ländern wieder abgeschafft. Im ausgehenden 19. Jahrhundert ging man dazu über, Homosexualität als psychische Erkrankung einzustufen – bedingt unter anderem durch den Psychiater Richard von Krafft-Ebing. Dieser hielt in seinem Buch »Psychopathia Sexualis« (1886), welches sich als Standardwerk etablierte, die Annahme fest, dass Homosexualität eine erbliche Nervenkrankheit und demnach behandelbar sei. Dadurch mussten homosexuelle Personen damit rechnen, von Nervenärzten zwangsbehandelt zu werden. Zudem fand trotz der Einstufung als Krankheit eine strafrechtliche Verfolgung statt. Dazu wurde der Paragraph 175 im Jahr 1872 ins Reichsstrafgesetzbuch aufgenommen. Dieser Paragraph fand bis zum Jahr 1994 Anwendung und stellte sexuelle Handlungen zwischen zwei Männern unter Strafe. Bis zur Strafrechtsreform 1969 arbeitete die Polizei mit Spitzeln oder den sogenannten »Rosa Listen«, um Homosexuellen auf die Spur zu kommen. Trotz der strafrechtlichen Verfolgung und der Androhung von Einweisung in die Psychiatrie, setzten schon zum Ende des 19. Jahrhunderts Emanzipationsbewegungen ein, die sich für die Rechte von homosexuellen Personen einsetzten. So war vor allem das Berlin der 1920er Jahre ein relativ freier Ort für Homosexuelle. Heiraten bleibt tabu 2001, sieben Jahre nach Aufhebung des Paragraphen 175 in Deutschland, wurde das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) verabschiedet, das einen großen Schritt in Richtung Gleichstellung bedeutete. Die eingetragene Lebenspartnerschaft stellt die bisher einzige Möglichkeit für homosexuelle Paare dar, eine Verbindung in einem rechtlichem Rahmen einzugehen. Grundsätzlich ähneln die Rechtsfolgen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft denen einer Ehe zwischen heterosexuellen Partnern. Es gibt jedoch auch gravierende Unterschiede. So wurden gleichgeschlechtliche Paare bis zum Jahr 2013 im Rahmen der Einkommenssteuer deutlich benachteiligt, da ihnen das Ehegattensplitting und das Steuerklassenwahlrecht untersagt wurden. Erneute Maßnahmen ermöglichten die Gleichstellung bei der Zahlung der Kirchensteuer oder die Anpassung des Adoptionsrechts. Es ist gleichgeschlechtlichen Paaren nach wie vor nicht erlaubt, ein Kind gemeinsam zu adoptieren, aber es ermöglicht den Partnern, das leibliche oder das bereits adoptierte Kind des jeweils anderen zu adoptieren. Eine Begründung der Bundesregierung für die bisher nicht erfolgte Gleichstellung in Deutschland liegt im Schutz von Ehe von Familie. Dazu äußerte sich der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) mit den Worten, dass die Ehe eine »kulturell verankerte Institution« sei und dass sie »keinesfalls zur Disposition gestellt werden« dürfe. Aber auch in konservativen Kreisen werden die Stimmen für eine Gleichstellung homosexueller Paare immer lauter. Der große Unterschied zwischen der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft besteht heute noch darin, dass eine Heirat im eigentlich Sinn nicht möglich ist. Wäre sie möglich, würde dies gleichgeschlechtlichen Paaren erlauben, gemeinsam ein Kind zu adoptieren. Außerdem wäre es ein bedeutender Schritt, die Diskriminierung homosexueller Paare zu beenden. In dem jüngst von Florian Mundt alias »LeFloid« – Betreiber eines populären YouTube-Kanals – durchgeführten Interview mit Angela Merkel verweist diese auf die Frage nach der Problematik der »Homo-Ehe« auf ihr eigenes Empfinden: »Für mich persönlich ist Ehe aber das Zusammenleben von Mann und Frau. Das ist meine Vorstellung.« Nach weiteren Fragen von LeFloid weist sie jegliche Formen der Diskriminierung homosexueller Paare von sich, betont aber dennoch, dass sie »dann eben an einer Stelle einen Unterschied« mache. Dass sich Angela Merkel hier in einen großen Widerspruch verstrickt, wird mehr als deutlich. Man kann keinen Unterschied bestehen lassen, der tausende Menschen in ihrem Wunsch nach Gleichstellung beschneidet, und gleichzeitig von Nicht-Diskriminierung sprechen. Ungleichheit trotz Angleichung In vielen Punkten hat bereits eine Angleichung stattgefunden. Dennoch beinhaltet der noch bestehende Unterschied hinsichtlich des Adoptionsrechts mitunter die wichtigsten und auch diskussionswürdigsten Aspekte. Gegner dieses letzten Schrittes stellen Argumente wie etwa eine Kindeswohlgefährdung in den Raum. Befürworter sprechen davon, dass Kinder ein liebevolles Zuhause brauchen, welches ihnen auch ein gleichgeschlechtliches Paar bieten kann. So zeigen es auch homosexuelle Paare, die mit Pflegekindern zusammenleben. Dabei scheint dieser letzte Schritt, die Ehe auch homosexuellen Paaren zu eröffnen, gar nicht so schwierig. In Europa gilt Dänemark als Vorreiter in Sachen Gleichstellung. Die Niederländer gingen noch einen Schritt weiter, indem sie die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare 2001 erlaubten. Die aktuellsten Entwicklungen fanden Anfang des Jahres in Slowenien statt, als es auch dort zur Gleichstellung homosexueller Paare kam. Daraufhin folgten im Mai die Iren mit einem Referendum zur Gleichstellung, das mit 60 Prozent der Stimmen angenommen wurde. Damit entfachte das erzkatholische Irland eine neue Welle der Proteste in Deutschland, und der Druck auf die Bundesregierung stieg. Immer mehr Politiker, darunter auch Bundespräsident Joachim Gauck, sprechen sich für eine Gleichstellung aus. Im Juni gab es erneut ein positives Ereignis für die Befürworter der Gleichstellung, als der Oberste Gerichtshof der USA die Homo-Ehe in allen 50 Bundesstaaten für zulässig erklärte. Damit garantiert die amerikanische Verfassung eine Eheschließung unter gleichgeschlechtlichen Paaren in allen Bundesstaaten. Vor Deutschland haben es bisher 21 Staaten geschafft, eine vollständige Gleichstellung homosexueller Paare gesetzlich zu verankern. Ob Deutschland diesem Beispiel folgen wird, halten die meisten, so auch der CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann, für ziemlich sicher. Es bleibt nur die Frage nach dem »Wann«. Trotz der vielen positiven ausländischen Beispiele scheint die Bundesregierung keine Bestrebungen zu haben, ein Gesetz zu erlassen, was die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht. Darin wird die Sensibilität dieser Thematik deutlich. Angela Merkel weiß um die Haltung des konservativen Teils ihrer Partei, aber auch um die Stimmung im Land. Gibt sie dem Druck nicht nach, bietet sich der SPD und der Opposition ein bedeutendes Thema für den Wahlkampf der 2017 anstehenden Bundestagswahl.